Die Arbeit untersucht das Modellprojekt "Haus des Jugendrechts" in Stuttgart. Im "Haus des Jugendrechts" arbeiten Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe unter einem Dach zusammen, um die Jugendkriminalität effizienter zu bekämpfen. Das Jugendgericht ist dem Projekt assoziiert, aber in seinen eigenen Räumen untergebracht. Die enge Kooperation zwischen den Behörden soll einen persönlicheren und engeren Bezug zu den straffälligen Jugendlichen herstellen und so im Sinne des "Erziehungsgedankens des Jugendstrafrechts" eine verstärkte pädagogische Wirkung entfalten. Teil des Projektes war eine begleitende Evaluationsstudie, die ebenfalls Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist. Der Autor beobachtete das Modellprojekt seit Gründungsbeginn über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg. Bereits die ersten explorativen Interviews während der Eröffnungsphase wiesen auf einen latenten Konflikt zwischen Jugendamt und Polizei hin, der im folgenden eskalierte und die Zusammenarbeit wenn nicht blockierte so doch stark behinderte. Vordergründig bieten sich hierfür psychologische Erklärungen an, wie sie auch von der Evaluationsstudie angeführt wurden. In der hier präsentierten Forschung werden darüber hinaus die strukturellen Ursachen der Arbeitsblockade freigelegt, die ihrerseits das Projekt selbst in anderem Licht erscheinen lassen. Es zeigt sich, dass der widersprüchliche Charakter des Jugendstrafrechts und die historisch zweideutige Rolle des Jugendgerichtshelfers zentrale Vorraussetzungen für die Umsetzung des Modellprojektes bilden. Sie wurden bei der Projektkonzeption aber nicht reflektiert, sondern mit Hilfe der unscharfen Begriffe "Prävention" und "Erziehung" überdeckt. Dieser blinde Fleck wurde auch von der angegliederten Begleitforschung nicht aufgedeckt, da diese konkrete Projektziele telquel als Evaluationsmaßstab einsetzte. Die in problematischer Weise harmonisierende Konzeption des Modellprojektes wurde so durch die Evaluationsstudie bestätigt und perpetuiert - trotz kritischer Intentionen der Forscherinnen und Forscher. Die vorliegende Arbeit setzt dagegen bei einer historisch-kritischen Untersuchung der Begriffe "Prävention" und "Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts" an und analysiert vor diesem Hintergrund das während mehrerer Hospitationen und mit Hilfe unterschiedlicher Interviews gewonnene empirische Material. Auf diese Weise können die problematischen Aspekte des "Haus des Jugendrechts", insbesondere in bezug auf zwei Grundprinzipien des liberalen Rechtsstaates, Gewaltenteilung und Tatorientierung, herausgearbeitet werden. Im Schlussteil werden die auf verschiedenen Ebenen gewonnenen Ergebnisse zu einer bündigen Hypothese zusammengeführt. Ein vorsichtiger Ausblick auf zukünftige Projekte rundet die Studie ab.
The analysis of Stuttgart's "Haus des Jugendrechts" (House of Juvenile Law) is the topic of this thesis. At the "Haus des Jugendrechts", the police, the Department of Public Prosecution and Juvenile Court Assistance (Jugendgerichtshilfe) are located within in the same building, in order to more efficiently co-operate in dealing with youth criminality. The Juvenile Court is affiliated with the project but located in a building of its own. Close co-operation between public departments is to establish a closer and more personal relationship with juvenile delinquents and, in accordance with the "educational impetus of juvenile law (Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts), increase the intended pedagogical effect of legal procedure. Another part of the project was a accompanying study of evaluation, also being a topic of this thesis. The author has been observing this model project during three years. Yet the first explorative interviews during its opening phase indicated a latent conflict between the Youth Welfare Office (Jugendamt) and the police, which was to escalate and to strongly impede co- operation. On a superficial level, this can be subject to psychological explanations, as does the support study. This thesis is focused on uprooting the structural reasons of this incapability to co-operate, which in turn sheds a different light on the project. The contradictory character of Juvenile Law and the historically ambivalent function of Juvenile Court Assistance are crucial with regard to the model project. Abeit, they had not been thought of when the project was modelled, but had been covered under the blurred terms of "prevention" and "education". This "blind spot" was also neglected by the accompanying study, which tautologically took concrete goals of the project to be the index of evaluation. The problematically harmonising concept of the model project was thus validated and perpetuated by the support study lest the critical intentions of the scholars involved. Other than this approach, my thesis first analyses the terms "prevention" and "the educational impetus of juvenile law" in a historically critical dimension, and then studies the empirical data collected during several internships and by means of different interviews before this background. In this way, the problematic aspects of the "Haus des Jugendrechts", especially with regard to two principles of the liberal constitutional state, i.e. division of powers and criminal intent, can be demonstrated. The closing part of the study forms the results gained on several levels into a concise hypothesis. A cautious preview on future projects completes the study.