Hintergrund: Schwindel ist ein weit verbreitetes Symptom mit einer 3-Jahres- Inzidenz von etwa 5%. Unabhängig von der Ätiologie neigt Schwindel zur Chronifizierung. Häufig besteht eine Assoziation mit psychiatrischen Erkrankungen. Der vorliegenden Studie, in der 67 Patienten mit akutem einseitigem Vestibularisausfall (Neuropathia vestibularis) über 6 Monate beobachtet wurden, lagen folgende Fragen zugrunde: 1. Wie häufig chronifiziert der Schwindel nach Neuropathia vestibularis? 2. Bei welchen Personen kommt es zur Chronifizierung bzw. welche Risikofaktoren gibt es? 3. Liegt dem chronifizierten Schwindel nach wie vor eine Läsion des Vestibularisorgans zugrunde? Methoden: 67atienten mit Neuropathia vestibularis wurden in acht Berliner Krankenhäusern innerhalb von 48 Std. nach der stationären Aufnahme zur Intensität der durch den Schwindel hervorgerufenen Angst befragt (STAI- State, Stait and Trait Anxiety Inventory). In der Folge füllten Sie nach Ausschluss einer aktuellen oder anamnestisch bekannten Angststörung (DIPS, Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen) Fragebögen zu körperbezogenen Ängsten (BSQ, Body Sensations Questionnaire), dysfunktionalen Kognitionen bezüglich beängstigenden Situationen (ACQ, Agoraphobic Cognitions Questionnaire), Angst als Persönlichkeitsmerkmal (STAI-trait, s.o.), Krankheitsverarbeitung (FKV, Freiburger Fragebogen zur Krankheitsverarbeitung) sowie Persönlichkeitsstil (PSSI, Persönlichkeitsstil- und -störungsinventar) aus. Nach 4-6 Wochen wurde eine kalorische Prüfung durchgeführt. Nach sechs Monaten wurde die Schwere der evtl. noch bestehenden Schwindelsymptome sowie der damit verbundenen autonomen Symptome (als körperlicher Ausdruck der Angst) mit Hilfe der VSS (Vertigo Symptom Scale) erhoben. Ergebnisse: 13 der 67 Patienten (19.6%) gaben nach sechs Monaten noch Schwindelsymptome an. Bei 11 der 13 Patienten (16.4%) handelte es sich dabei weniger um klassische Schwindelsymptome als vielmehr um schwindelassoziierte autonome Symptome, die als Angstäquivalent interpretiert werden können. Als Risikofaktoren fanden sich weibliches Geschlecht, die dysfunktionale Bewertung beängstigender Situationen sowie eine dependente Persönlichkeitsstruktur. Diese drei Faktoren erklären fast 35% der Varianz schwindelassoziierter Beschwerden sechs Monate nach Neuropathia vestibularis. Zusammenfassung: Chronifizierter Schwindel nach Neuropathia vestibularis scheint in erster Linie ein Angstäquivalent zu sein und beruht zum großen Teil auf der dysfunktionalen Bewertung des Schwindels zu Beginn.
Objective: Vertigo is one of the most frequent complaints in general medical practice and is often linked to psychiatric disorders. A longitudinal study of 67 patients with an acute vestibular disorder was undertaken to clarify if, after experiencing acute vestibular vertigo, certain patients have a higher likelihood of developing chronic, debilitating dizziness despite no evidence of a damaged peripheral vestibular system. Method: The severity of dizziness was determined in 67 patients with vestibular neuronitis six months after their release from hospital using the Vertigo Symptom Scale from Yardley et al. The intensity of anxiety directly after the event of the vertigo, body- related cognitions, coping with illness, personality structure and the recovery of the organ of equilibrium were recorded in order to explain the severity of vertigo that occurred after six month. The function of the organ of equilibrium was assessed by using a caloric test. Results: Over a period of six months 13 of the 67 patients (19.4%) reported continuing dizziness after neuropathia vestibularis. Eleven of the 13 patients showed high scores on a scale for measuring vertigo-related symptoms which can be interpreted as being equivalent to anxiety. The variables of gender, catastrophic thoughts and a dependent personality accounted for 35% why vertigo became chronic. Conclusion: Neuropathia vestibularis represents a risk factor for the development of chronic vertigo. Chronic vertigo after neuropathia vestibularis seems to be an equivalent of anxiety and is partly conditional on catastrophic thoughts in the beginning.