Die in der Öffentlichkeit diskutierten Erklärungen der Finanzkrise 2007ff. erschöpfen sich überwiegend in dem Vorwurf des Versagens der beteiligten Akteure und Institutionen. Das Versagen wird an scheinbaren Übertreibungen oder Unterlassungen festgemacht, welche ein vernünftiges Maß des Handelns unterstellen, das im Bezug auf die Spekulation angebracht sei. Gleichlautend war die Diagnose in den Jahren 2000 bis 2003, in denen die Krise der „New Economy“ diskutiert wurde. Die Arbeit zeigt dagegen anhand des deutschen Falles „Neuer Markt“, dass die „rationale Spekulation“ an Finanzmärkten ein Widerspruch ist und bleibt. Exemplarisch werden an diesem historischen Börsensegment Prinzipien von Finanzmarktkrisen im Allgemeinen und verbreitete Erklärungsweisen derselben in der Öffentlichkeit herausgearbeitet und kritisiert. In der politökonomischen Analyse im zweiten Teil der Arbeit wird der spezifische Spekulationsinhalt am Neuen Markt rekapituliert. Dafür wird auf betriebswirtschaftliche Wachstumstheorien, Finanzierungstheorien von Wagniskapitalgebern und Bewertungstheorien zurückgegriffen. Dabei zeigt sich, dass in den Jahren 1997 bis 2000 eine äußerst optimistische Grundstimmung nicht nur faktisch vorhanden, sondern die Existenzbedingung für dieses Börsensegment war. In der geläufigen Kritik des „irrationalen Überschwangs“ ist unterstellt, dass die damalige Euphorie eine vermeidbare Einstellung der Börsenakteure gewesen wäre. Diese Arbeit zeigt dagegen zumindest für die deutschen Verhältnisse, dass die Euphorie nur dann zu vermeiden gewesen wäre, wenn vom Projekt Neuer Markt gänzlich Abstand genommen worden wäre. Zugleich trifft das Urteil in der Wissenschaft, nach dem „herkömmliche Bewertungsmaßstäbe“ ignoriert wurden, nicht zu. Es lässt sich zeigen, dass die scheinbaren Eskapaden am „Neuen Markt“ eine kreative Verlängerung der allgemeinen Finanzmarktprinzipien waren. Im ersten Teil der Arbeit werden die Krisenerklärungen der FAZ, des Spiegels und der BILD-Zeitung ihrem Inhalt und der Chronologie nach dargestellt. Die enthaltenen Widersprüche, Tautologien und Unterstellungen werden herausgearbeitet und zeigen im Resultat ein Interesse am Funktionieren der Börse und ein Desinteresse an der Erklärung derselben. Von einigen Besonderheiten abgesehen, lassen sich die Ergebnisse auf die gegenwärtige Besprechung der Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009 übertragen.
In mainstream public discourse, the financial crisis of 2007 was commonly ascribed to the failure of relevant individuals and institutions. Specifically, the market failure was ascribed to apparent exaggerations or omissions, which in turn assumes the existence of rational actions with regard to speculation. In the years 2000 until 2003, a similar diagnosis was offered in discussions on the crisis of the "New Economy". Using the German "New Market" (Neuer Markt) as a case study, the present thesis demonstrates that "rational speculation" on the financial market is, and will remain to be, a contradiction in itself. With the example of this historic sector of the stock exchange, general principles of financial market crises and common explanatory models of the same are established and criticised. The political economic analysis of the second part of the thesis reviews and analyses specific speculative elements of the "New Market", applying theories of economic growth, theories of venture capital financing and of asset pricing. The analysis shows that in the years 1997 to 2000, an extremely optimistic market sentiment was not merely a fact, but was the very precondition for this specific stock market sector to be able to exist at all. The common criticism of an "irrational exuberance" rests on the assumption that the euphoria was an attitude held by traders at the time that could have been avoided. The present research, however, illustrates that at least in the German case, this euphoria could only have been avoided by completely refraining from the project "Neuer Markt". Concurrently, the academic conclusion drawn at the time, which posited that "regular pricing measures" had been ignored, is not valid. This thesis proves that the apparent escapades on the "New Market" merely represent a creative continuation of regular finance market principles. The first part of the thesis reviews explanations of the crisis offered in the German newspapers Frankfurter Allgemeine Zeitung, Der Spiegel and the BILD-Zeitung according to content and chronology. The contradictions, tautologies and presuppositions contained therein are analysed. The results of this media analysis demonstrate the existence of a predominant interest in the functioning of the stock market and of a general disinterest in the explanation of the same. Notwithstanding some exceptions, the general conclusions drawn from the present analysis also apply to the current public and academic discussions on the financial crisis of the years 2007 until the present.