Diese Arbeit stellt die komplexe Ästhetik von Wilhelm Heinse (1746-1803) anhand der 1776/77 erschienenen literarischen Abhandlung „Ueber einige Gemählde der Düsseldorfer Galerie“ („Düsseldorfer Gemäldebriefe“) dar. Die Doppelstruktur der Gemäldebriefe basiert auf einem scheinbar dichotomischen System, in dem eine konstituierende Wechselwirkung herrscht zwischen Ordnung und Unordnung, Einheit und Vielheit, Wissenschaft und Literatur, Verstand und Gefühl, Theorie und Praxis, kurz: Klassizismus und Antiklassizismus. Der bisher irritierende Widerspruch zwischen der disparat erscheinenden Struktur seiner Werke, besonders seiner Romane, und seiner ästhetischen Aussagen, die immer wieder die Einheit und die Ordnung einfordern, wird unter Heranziehung seiner aus zahlreichen Quellen zu synthetisierenden ästhetischen Erkenntnistheorie aufgelöst. Mithilfe von Heinses Landschaftsauffassung und Kosmologie soll deutlich gemacht werden, dass der Autor auf das Paradox einer Immanenz des Transzendenten zielt. Es wird die Behauptung erhoben, dass Heinse am Ende zwar Klassizist sei, insofern er Regel und Ordnung in der Kunst für unabdingbar hält, dieser Klassizismus aber als ästhetisches System vollkommen neu zu definieren ist. Klassizismus in diesem neuen Verständnis ist nicht länger ein rückwärtsgewandtes autoritatives Machtmittel, sondern Garant einer Ästhetik, die dem Erkenntniszweck dient.
This work explains the intricate aesthetics of Wilhelm Heinse (1746-1803) regarding his literary treatise „Ueber einige Gemählde der Düsseldorfer Galerie“ („Düsseldorfer Gemäldebriefe“), published in 1776/77. The double structure of the Gemäldebriefe bases on a dichotomic system of interdependency between order and disorder, unity and multeity, science and literature, reason and sentiment, theory and praxis, in short: classicism and anticlassicism. The contradiction between the structure of his novels, which seems to be disparate, and his notions of aesthetics, which constantly demand unity and order, shall be dissolved by his aesthetical theory of cognition that is not systematically written down but has to be gathered by a lot of sources used. Heinses perception of landscape and his cosmology show that the author has always the immanence of the transcendence in mind. Furthermore the thesis will be uttered that Heinse has to be seen as a classicist, because he regards the rules and order in art as unalterable. But rules and order aren’t means of authoritative power, but they guarantee the beauty, which finally always has to evoke knowledge.