Die Abhängigkeit des Alveolarknochens von der Präsenz der Zähne und die entsprechend komplexe knöcherne Struktur des Alveolarfortsatzes sind allgemein bekannt. Schon vor der Eruption besteht eine enge Beziehung zwischen den sich entwickelnden Zahnanlagen und dem sie umgebenden Knochen. Über die genaue pränatale Entwicklung des Knochens im Bereich der Zahnanlagen und die räumliche Anordnung der beteiligten Strukturen ist allerdings wenig bekannt. Intensiver untersucht ist dagegen die molekulare Steuerung des Knochenumbaus im sogenannten Tooth-Bone-Interface. Jedoch stößt die Fülle der entdeckten Faktoren auf eine mangelnde räumliche Zuordnung. Erst durch die dreidimensionale Darstellung können morphologisch bedeutsame Wachstumsvorgänge untersucht werden. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage nach der morphologischen Entwicklung des Kieferknochens während der Zahnentwicklung. Hierfür wurde im Rahmen des Projektes „Interaktionen zwischen Zahnanlage und Kieferknochen bei der Bildung des Alveolarfortsatzes“ die menschliche Mandibula anhand von 14 Schnittserien von Feten der Scheitel-Steiß-Länge (SSL) 68 bis 160 mm (Glockenstadium der Zahnentwicklung) mikroskopisch untersucht. Davon wurden vier Schnittserien exemplarisch mit Hilfe der Software AnalySIS® dreidimensional rekonstruiert, der Knochen im Bereich der Zahnanlagen histomorphologisch auf Knochenumbauvorgänge (Resorptions-, Appositions- und Ruhezonen) untersucht sowie systematische Abstandsmessungen durchgeführt. Die ermittelten Ergebnisse führen zu folgenden Schlussfolgerungen: 1\. Die Zahnanlagen entwickeln sich in knöchernen Krypten: Bereits pränatal besteht eine ausgeprägte Beziehung zwischen Zahnanlagen und Knochen. Diese unterscheidet sich strukturell zu den Verhältnissen im späteren Alveolarfortsatz. Da der Alveolarknochen und das Desmodont noch nicht gebildet sind, muss nomenklatorisch differenziert werden: Die Zahnentwicklung findet nicht in den Alveolen des Aleolarfortsatzes statt, sondern es bildet sich an der Mandibula zunächst eine knöcherne Rinne, welche die Zahnanlagen im Laufe der Entwicklung zunehmend umgibt, bis schließlich jeweils eine knöcherne Krypte entsteht. Diese bleiben bis zur SSL von 160 mm (18. Woche) unvollständig. Die labiale knöcherne Begrenzung der Milcheckzahnanlage fehlt in allen untersuchten Stadien. Mesial und distal dieser Anlage entstehen hingegen die ersten knöchernen Septen. Die Milchmolaren- und Milchschneidezahnkeime entwickeln sich jeweils in einem gemeinsamen Kompartiment, in welchem eine unvollständige Separation in Form von Knochenvorsprüngen, Knochenfortsätzen und Knochengraten zu erkennen ist. 2\. Die Zahnanlagen senken sich in den Kieferknochen ein: Die knöchernen Krypten wachsen zentrifugal durch ein Zusammenspiel aus Knochenapposition und -resorption. Unterhalb der Zahnanlage finden intensive Knochenresorptionsvorgänge statt, vorzugsweise dort, wo der Abstand zwischen wachsender Zahnanlage und Mandibula geringer wird. An den Außenseiten der Krypten sowie marginal findet appositionelles Knochenwachstum statt. Knöcherne Septen sind ebenfalls Ergebnisse aktiven Knochenwachstums, wobei sie einem intensiven Umbau unterliegen. 3\. Anteile der knöchernen Krypte entstehen durch chondrale Ossifikation: Der Kieferknochen im Bereich der Zahnanlagen weist alle drei Formen der Knochenbildung auf. Hauptsächlich findet desmale Ossifikation statt. Durch perichondrale Ossifikation des Meckelschen Knorpels bilden sich große Teile des Knochens lingual sowie kaudal der Zahnanlagen. Außerdem entwickelt sich an einigen Stellen sekundärer Knorpel in unmittelbarer Nähe der Zahnanlagen. Diese Anteile der Krypte sind vom Meckelschen Knorpel unabhängig und ossifizieren enchondral. 4\. Der Kieferknochen entwickelt sich samt knöcherner Krypten als zusammenhängendes Gebilde: Separate knöcherne Anteile, die sich aus dem Zahnsäckchen bilden, sind nicht zu erkennen. Das Zahnsäckchen lässt sich innerhalb der Zahnanlage erst ab dem Glockenstadium topografisch und histologisch vom verdichteten Ektomesenchym differenzieren. Es umschließt in konzentrischen, kollagenreichen Lagen Schmelzorgan und Papille, wird zunehmend filigraner und ist schließlich kaum mehr zu erkennen. Die vorliegenden 3D-Modelle mit Charakterisierung der Knochenoberfläche entsprechend des Umbauverhaltens bilden die Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Ermittlung mechanischer und molekulargenetischer Abhängigkeiten der Knochenbildung und des Knochenumbaus während der Zahnentwicklung.
The dependence of the alveolar bone to the presence of teeth and the corresponding complex bony structure of the alveolar bone are well known. Even before the eruption of teeth, there is a close relationship between the developing tooth germs and surrounding bone. However, little is known about the exact prenatal development of the surrounding bone and the spatial arrangement of involving structures. In comparison, the molecular regulation of bone remodeling within the so-called tooth-bone-interface has been studied intensively. However, although there is an abundance of identified factors on the aforementioned area, unfortunately, there is still a lack of examination of spatial association. Only through three-dimensional reconstructions it is possible to examine the important morphological growth processes that occur. Within this context, the morphological development of the jaws during tooth development is of high interest. Over the course of the project "Interactions between tooth germs and jaw during formation of alveolar process" the human mandible was examined microscopically in 14 serial sections of fetuses of crown-rump-length (CRL) 68 to 160 mm (bell stage of the tooth development). Four representative serial sections of these were reconstructed three- dimensionally using the software AnalySIS®. The bone was studied histologically on bone modeling processes (resorption, apposition and resting areas) and systematic distance measurements were conducted. The results obtained lead to the following conclusions: 1\. The tooth germs develop in bony crypts: There is a pronounced relationship between tooth germs and bone already in prenatal stages, but it differs structurally from the conditions in future alveolar process. Alveolar bone and periodontal ligament are not formed yet. Therefore, a differentiated nomenclature should be used. The tooth development does not take place in the alveoli of the alveolar process. First it starts with the formation of a bony groove in the mandible, which surrounds the tooth germs increasingly during development, until finally each one gets a bony crypt. They remain incomplete until CRL of 160 mm (18th week). The labial bony wall of the crypt of the deciduous canine germ is missing in all examined stages. But mesial and distal to this germ arise the first bony septa. The deciduous molar and incisor germs develop each in a common compartment in which is recognizable an incomplete separation in form of bony protuberances, bony processes and bone ridges. 2\. The tooth germs lower into the jaw: The bony crypts grow centrifugally through a combination of bone apposition and resorption. Below the tooth germs intensive bone resorption takes place, particularly where the distance between growing tooth germ and mandible gets reduced. Appositional bone growth takes place on the outer sides of the crypts and marginal. Bony septa are also results of active bone growth, though they undergo extensive remodeling. 3\. Some parts of the bony crypt arise from chondral ossification: The tooth germs surrounding bone shows all three types of bone formation, although this bone occurs primarily through intramembranous ossification. Large parts of the bone lingual and caudal to the tooth germs are formed by perichondral ossification of Meckel's cartilage. In addition, in some places secondary cartilages develop in close vicinity to the tooth germs. These parts of the crypt are independent of the Meckel's cartilage and ossify endochondrally. 4\. The jaw with its bony crypts develops as a coherent entity: Separate bony parts, which arise from the dental follicle, are not visible. The dental follicle can be differentiated topographically and histologically from dense ectomesenchyme only at the beginning of bell stage. It encloses in concentric and collagen-rich layers enamel organ and papilla, becoming increasingly intricate, and finally is hardly recognizable. These present 3D-models with the characterization of bone surface according to bone remodeling form the basis for further studies especially determining mechanical and molecular genetic dependencies of bone formation and bone remodeling during tooth development.