Gleichgewichtsstörungen peripher- oder zentral-vestibulären Ursprungs sind in der Regel durch funktionsdiagnostische Untersuchungen zu unterscheiden. Ein einzelner pathologischer Testausfall kann jedoch auf verschiedene Ursachen als Ort der Störung hinweisen, weshalb sich zur Diagnosefindung zusätzliche, neuroradiologische (bildgebende) Verfahren anbieten. Peripher-vestibuläre Krankheitsbilder als Ursachen von Gleichgewichtsstörungen sind z.B. das Dehiszenzsyndrom des oberen Bogenganges („superior canal dehiscence syndrome“ (SCDS)) und der Morbus Menière (MM). Beim SCDS entsteht durch einen knöchernen Defekt des oberen Bogenganges zur mittleren Schädelgrube hin eine veränderte Dynamik der Innenohrflüssigkeiten, die variable Hör- und Gleichgewichtsveränderungen bedingen kann. Der MM hingegen führt zu Anfällen von Tieftonschwerhörigkeit, Drehschwindel und Tinnitus. Eine zentral- vestibuläre Gleichgewichtsstörung ist z.B. das mikrovaskuläre Kompressionssyndrom des Nervus vestibulocochlearis (MVKS). Durch den Kontakt des Nerven zur Arteria cerebelli inferior anterior (AICA) kann es durch mikromechanische Irritationen (einen „neurovaskulären Konflikt“) zu Hör- und Gleichgewichtsstörungen kommen. Ziel dieser Arbeit ist es, mögliche funktionsdiagnostische Kriterien herauszuarbeiten, anhand derer eine zuverlässigere Differenzierung peripher- bzw. zentral-vestibulärer Krankheitsbilder – jenseits der neuroradiologischen Bildgebung – gelingen könnte. Dazu wurden die Untersuchungsergebnisse von 64 Patienten hinsichtlich der RTA-Messungen, von 58 Patienten hinsichtlich der TEOAE-Messungen, von 38 Patienten hinsichtlich der cVEMP-Messungen analysiert und oVEMP-Ergebnisse von 16 SCDS-Patienten ausgewertet. Des Weiteren wurden die anamnestischen Befunde von 123 Patienten bei Erstuntersuchung erfasst sowie mittels standardisiertem Fragebogen die subjektive Symptomstärke von 18 SCDS-Patienten perioperativ erhoben. Die Ergebnisse belegen, dass beim SCDS eine Innenohrschwerhörigkeit im mittleren Frequenzbereich und beim MM (je nach Erkrankungsstadium) eine Tief- bzw. Hochtonschwerhörigkeit vorherrschen. Ein Ausfall der oVEMPs beim SCDS ist möglich. Die untersuchten MVKS-Patienten hingegen zeigten in unserer Serie altersgerechte Hörbefunde. Statistisch signifikant waren die Unterschiede der Hörverluste beim MM sowohl im Vergleich zum SCDS als auch zum MVKS. TEOAE fielen beim MM statistisch häufiger als beim SCDS aus, was die Folge eines stärker ausgeprägten Innenohrhörverlustes ist. Im betrachteten Patientenkollektiv ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den cVEMP-Amplituden der drei Krankheitsbilder. Jedoch zeigte sich eine erhöhte Varianz der Amplituden beim MM im Vergleich zum SCDS und zum MVKS. 55% der operierten SCDS-Patienten zeigten kurz nach der Operation noch eine mittelgradige subjektive Beeinträchtigung durch den Schwindel. 3 Monate nach dem Eingriff war die subjektive Symptomstärke signifikant reduziert. Das Hörvermögen blieb beim SCDS postoperativ unverändert, die cVEMP-Amplituden reduzierten sich postoperativ signifikant. 64% der SCDS-Patienten wiesen neuroanatomisch zusätzlich eine Dehiszenz des Tegmen tympani (TD) auf, jedoch ergab sich weder eine Korrelation zwischen der Größe der SCD und der TD, noch zwischen der Intensität des subjektiven Schwindelgefühls und zusätzlich bestehender TD.
Vertigo of peripheral or central vestibular origin cannot yet fully be distinguished using neurotological diagnostics alone, as pathological test results can indicate different sites-of-origin. Therefore, comprehensive diagnostics should include neuroimaging. Peripheral vestibular disorders include the superior canal dehiscence syndrome (SCDS) and Menière’s disease (MM) among others. In SCDS, a bony defect of the superior semicircular canal lining the middle cranial fossa influences the dynamics of inner ear fluids resulting in variable audiovestibular changes. MM is characterized by attacks of low frequency hearing loss, rotatory vertigo and tinnitus. Microvascular compression syndrome of the vestibulocochlear nerve (MVCS) is a central vestibular disorder. Due to the contact of the eighth cranial nerve to the anterior inferior cerebellar artery (AICA), this neurovascular conflict can induce a sensorineural hearing loss (SNHL) and vertigo. It was therefore the aim to ascertain possible criteria in neurotological diagnostics to better differentiate between those types of disorders. The PTA results of 64 patients, TEOAE results of 58 patients, cVEMP results of 38 patients as well as oVEMP results of 16 SCDS patients were analyzed. In addition, the clinical history of 123 patients at first consultation was recorded and the degree of the subjective complaints of 18 SCDS patients was perioperatively analyzed by means of a standardized questionnaire. Results showed in SCDS a SNHL in the mid-frequency range, whereas in MM a SNHL occurred in the high- and low- frequency range. Furthermore, SCDS patients showed an oVEMP deficit. MVCS patients showed normal hearing compared to their age group. Statistically significant differences in hearing loss were seen in MM compared to SCDS and to MVCS. TEOAE deficits were found significantly more often in MM patients due to the extent of SNHL compared to SCDS. No statistically significant differences in cVEMP results were found between the groups, but a higher variance in the amplitudes was seen in MM compared to SCDS and MVCS. 55% of the SCDS patients who had undergone an occlusion of the superior semicircular canal, showed a moderate degree of subjective vertigo shortly after the operation. Three months postoperatively, there was a statistically significant improvement compared to the baseline. The hearing threshold remained unchanged after surgery. The cVEMP-Amplitudes were significantly reduced postoperatively compared to the baseline. 64% of the SCDS patients showed an additional dehiscence of the roof of the tympanic cavity (“tegmen dehiscence”, TD). However, there was neither a significant difference in the degree of subjective experience of disease nor in the size of the dehiscence compared to SCDS patients without an additional TD.