In der vorliegenden Arbeit wurde im ersten Teil der Untersuchungen zur Einführung des Stewart-Modells in Diagnostik und Therapie Referenzbereiche der Stewart-Variablen bei Kälbern erstellt. Dazu wurde bei 17 Kälbern am 1., 3., 7., 14. und 28. Lebenstag arterielles und venöses Blut sowie Harn entnommen. In den Blut- und Harnproben wurden Serum-[SID3], -[SID4], -[Atot-Alb], -[Atot- Pro], -[SIG], PaCO2 und PvCO2 sowie Harn-[SID3] bestimmt. Die ermittelten Referenzbereiche werden - mit Ausnahme von Harn-[SID3] - als repräsentativ angesehen und stehen für die Diagnostik von Störungen des SBS nach dem Stewart-Modell zur Verfügung. Ziel des zweiten Teils der Untersuchungen an Kälbern war, den Einfluss von oralen Rehydratationstränken (ORT) in unterschiedlichen Zusammensetzungen auf abomasale Bedingungen wie pH, Osmolalität und [SID3] sowie den systemischen SBS nach dem Stewart-Modell zu prüfen. Gleichzeitig sollten die Auswirkungen von ORT auf die Milchgerinnung in vitro und in vivo untersucht werden. Dazu wurde bei drei Kälbern im Alter von 14, 18 und 26 Tagen eine PVC-Kanüle in den Labmagen operativ eingesetzt. Bei den Kälbern wurde vor und ½, 1, 2 und 4h nach Fütterung von Milchaustauscher (MAT), MAT-ORT-Gemischen und Wasser-ORT-Gemischen Proben von Labmageningesta entnommen. In den Labmageningesta wurden der pH-Wert, die Fläche unter der pH-Zeit-Kurve (area under curve= AUC), die Osmolalität sowie die [SID3] ermittelt. Als Zeichen der stattgefundenen enzymatischen Gerinnung wurde außerdem Caseinomakropeptid (CMP) in den Labmageningestaproben per HPLC und SDS-Page quantifiziert. Zur Beurteilung des systemischen SBS wurden die Stewart-Parameter Serum-[SID3], -[Atot-Alb], -[Atot-Pro] und -[SIG] in den venösen Blutproben, die vor der Fütterung und 2 bzw. 4h postprandial entnommen wurden, bestimmt. In vitro wurde die enzymatische Milchgerinnung durch Chymosin bei nativem pH-Wert und nach Ansäuerung des MAT und der MAT-ORT- Gemische auf pH~5,5 durch Messung der dynamischen Viskosität geprüft. Die Säuregerinnung von MAT und MAT-ORT-Gemischen bei pH≤4,7 wurde durch Messung der statischen Viskosität erfasst. Nach Fütterung von MAT stieg der abomasale pH-Wert auf 5,19±0,67 (AUC=937±200) an und sank dann kontinuierlich ab. Vier Stunden nach der Tränkung konnten die Nüchternwerte des pH-Wertes in den Labmageningesta wieder gemessen werden. Nach Fütterung der MAT-ORT-Gemische war die Auslenkung des abomasalen pH-Wertes größer als nach alleiniger MAT- Fütterung. Die Ausgangswerte des pH-Wertes im Labmagen wurden erst nach 5,5-6h wieder erzielt. Dabei ist es bemerkenswert, dass nicht der pH-Wert der Tränke mit der Auslenkung des pH-Wertes in den Labmageningesta korrelierte, sondern dass viel mehr eine Korrelation zwischen dem [SID3]-Wert der Tränke und der AUC der pH-Zeit-Kurve nach Fütterung von MAT, MAT-ORT-Gemischen sowie Wasser- ORT-Gemischen bestand. Der abomasale pH-Wert korrelierte auch mit dem [SID3]-Wert der Labmageningesta. Dies unterstreicht die Bedeutung der SID für die Einstellung des pH-Wertes im Labmagen. Nach Fütterung der Wasser-ORT- Gemische war die abomasale pH-Wert-Auslenkung geringer und zeitlich verkürzt. Dies resultiert aus den niedrigen [SID3]-Werten, der niedrigen Osmolalität, dem niedrigen Energiegehalt sowie der fehlenden Gerinnung der in Wasser zubereiteten ORT. Durch die verkürzte abomasale Transitzeit von Wasser-ORT- Gemischen können die wirksamen Inhaltsstoffe schneller im Dünndarm absorbiert werden. Das ist für die unverzügliche Rehydratation von durchfallkranken Kälbern vorteilhaft. In vitro konnte eine Störung der Milchgerinnung bei zwei der geprüften MAT-ORT-Gemische durch einen ausbleibenden Anstieg der Viskosität nach Enzymzugabe dargestellt werden. Nach Ansäuerung auf pH~5,5 mit Salzsäure und Enzymzugabe - wie es unter natürlichen Umständen im Labmagen geschieht - konnte bei jeder Zubereitung Milchgerinnung durch die Erhöhung der Viskosität detektiert werden. Auch die alleinige Gerinnung durch Säure bei pH≤4,7 war in allen MAT-ORT-Gemischen gegeben. Die Milchgerinnung in vivo konnte durch das Vorliegen von zwei Phasen in den Labmageningestaproben nachgewiesen werden. Durch die CMP-Bestimmung in den Labmageningesta, die 30min nach der Fütterung entnommen wurden, mittels HPLC und SDS-Page konnte bestätigt werden, dass enzymatische Milchgerinnung stattgefunden hat. Durch Vergleich der AUC der CMP-Peaks der HPLC nach Fütterung der verschiedenen Tränken konnte kein statistisch signifikanter Unterschied ermittelt werden. Demnach wird die Milchgerinnung im Labmagen durch die gleichzeitige Gabe von Milch/MAT und handelsüblichen ORT nicht gestört. Nach Fütterung von ORT, die [SID3]-Werte ≥92mmol/l aufwiesen, konnte ein Anstieg von Serum-[SID3] im Blut nachgewiesen werden. Die ansteigenden Serum-[SID3] und die zeitgleich nach jeder Tränkung auftretende Verminderung von Serum-[Atot] führen zur alkalischen Reaktionslage im Organismus, wodurch die Azidose durchfallkranker Kälber wirkungsvoll bekämpft wird.
The introduction of the Stewart model of acid-base status into standard veterinary diagnostics and clinical practice is limited by the lack of reliable reference values for calves. For this reason, the first part of the present publication is concerned with the establishment of such reference values. For this purpose arterial and venous blood samples as well as urine samples of 17 calves were collected at days 1, 3, 7, 14 and 28 post natum. In the blood and urine samples Serum-[SID3], -[SID4], -[Atot-Alb], -[Atot-Pro], -[SIG], PaCO2, PvCO2 and Urine-[SID3] were determined. The calculated reference values are representative - with the exception of Urine-[SID3] - and are available for clinical diagnostics of disturbances of acid-base status according to the Stewart model. Aim of part two of the present study was to analyze the influence of differently prepared oral rehydration solutions (ORS) on abomasal parameters such as pH, osmolality and [SID3] as well as on the Stewart variables of acid-base status in blood. Simultaneously, the effects of ORS on milk clotting in vitro and in vivo were examined. Three calves aged 14, 18 and 26 days were surgically instrumented with an abomasal plastic cannula. Samples of the abomasal fluid were taken before and ½, 1,2 and 4h after feeding of milk replacer (MR), MR-ORS- and Water-ORS-mixtures. In abomasal ingesta pH, area under curve of the pH-time-curve (AUC), osmolality and [SID3] were determined. In order to quantify enzymatic milk clotting in the abomasum, Caseinomacropeptid (CMP) was measured in the abomasal fluid by HPLC and SDS- Page. For evaluation of the systemic acid-base status of the calves the Stewart variables Serum-[SID3], -[Atot-Alb], -[Atot-Pro] and -[SIG] were detected in venous blood samples, which were taken before and 2h respectively 4h after feeding. The in vitro milk clotting by chymosin both at the original pH and after acidification at pH~5,5 of the MR and the MR-ORS-mixtures was quantified by measuring dynamic viscosity. The milk clotting by acid of MR and MR-ORS-mixtures at pH≤4,7 was registered via Measurement of static viscosity. After feeding of MR the abomasal pH reached values of 5,19±0,67 (AUC=937±200) and then pH continuously dropped. Four hours after feeding the fasting values were re-established. After feeding of MR-ORS-mixtures the maximum performance of pH in the abomasal fluid was greater than after an exclusive MR feeding regime. The bench mark of abomasal pH was achieved 5,5-6h after feeding. It is remarkable that the pH of the MR and ORS do not correlate with the AUC of the pH-time-curve in the abomasal fluid. Instead, there was a correlation between the [SID3]-values of the different feeding regimes and the AUC. The abomasal pH also correlated with the abomasal [SID3]-values. This emphasizes the meaning of SID for the adjustment of pH in the abomasal fluid. After feeding of Water-ORS-mixtures, the deflection of abomasal pH was shortened, because of lower [SID3]-values, lower osmolality, less energy content and absent milk clotting of the ORS prepared in water. Due to shortened abomasal transit of Water-ORS-mixtures the absorption of the efficacious substances of the ORS occurs faster. This seems to be beneficial for the immediate rehydration of calves with diarrhoea. In vitro two of the MR-ORS-mixtures failed to clot milk. After addition of chymosin no increase of viscosity was detected. After acidification at pH~5,5 with hydrochloric acid and addition of the enzyme - occurring naturally in the abomasum of calves - milk clotting was measured in every case. Also, acidification without chymosin at pH≤4,7 caused milk clotting in every MR-ORS-mixture. The milk clotting in vivo was demonstrated by the existence of two phases, the coagulum and the wheat, in the samples of abomasal fluid after feeding MR and MR-ORS-mixtures. By the use of HPLC and SDS-Page, CMP could be identified in every sample of abomasal fluid after feeding of MR-ORS-Mixtures. The comparison of the AUC of the CMP-Peaks in the abomasal content after feeding of MR and the different MR-ORS-mixtures was not statistically different. According to this, commercial ORS do not interfere with milk clotting in the abomasum. After feeding of ORS with [SID3]-values ≥92mmol/l an increase of Serum-[SID3] was detected. The increased Serum-[SID3] and the simultaneously measured decrease of Serum-[Atot] cause an alkaline state in the organism, by which the acidosis of calves with diarrhoea is reduced effectively.