In dieser Arbeit wurden 200 Skelette von einem frühchristlichen Kirchfriedhof aus dem 12. / frühen 13. Jahrhundert aus Usedom (Kr. Ostvorpommern, Land Mecklenburg-Vorpommern) untersucht. Die Stadt Usedom war im Belegungszeitraum ein wichtiger Seehandelsplatz und Ort großer politischer und sozialer Veränderungen. Die Annahme des Christentums durch die slawische Elite im Jahr 1128, die folgenden Überfälle der Dänen sowie der Beginn des Zuzugs fränkisch- deutscher Siedler ab dem 13. Jahrhundert waren prägende Ereignisse. Mit Hilfe gängiger anthropologischer und paläodemographischer Methoden erfolgte die Rekonstruktion der Lebensbedingungen der historischen Usedomer Bevölkerung. Die Alters- und Geschlechtsverteilung zeigen eine für die Zeit normale Bevölkerungsstruktur mit einem hohen Kinderanteil (32 %), verhältnismäßig wenigen Jugendlichen und vielen Erwachsenen (59 %) sowie einem leichten Männerüberschuss. Bemerkenswert ist eine mit einem Frauendefizit in der maturen Altersklasse einhergehende Übersterblichkeit der Mädchen der Altersklasse infans I, welcher allerdings auch ein methodischer Deutungsfehler zugrunde liegen kann. Um einer Klärung des ethnischen Hintergrundes der slawisch, dänisch und schließlich deutsch geprägten Bevölkerung näher zu kommen, wurden acht Schädelmaße, vier Schädelindizes und 5 Langknochenmaße sowohl typologisch als auch statistisch anhand ihres Mittelwertunterschieds mit den Maßen von zwei Vergleichsserien aus dem slawischen Sanzkow und der dänischen Seehandelstadt Haithabu verglichen, in der eine ethnisch stark gemischten Bevölkerung lebte. Der Mittelwertvergleich sowohl der Schädelmaße und –indizes als auch der Langknochenmaße sowie der Körperhöhe erbrachte einige signifikante Unterschiede zwischen den Knochenmaßen der Bewohner von Usedom, Sanzkow und Haithabu. Diese Unterschiede deuten auf eine größere Ähnlichkeit der Usedomer Frauen und Männer mit der slawischen Vergleichspopulation hin, wobei die Maße der Usedomer eine Mittelstellung zwischen den Vergleichsserien einzunehmen scheinen. Ein osteometrischer Vergleich mit Schädel- und Langknochenmaßen von slawischen und germanischen Populationen aus der Zeit vom Neolithikum bis in das frühe Mittelalter brachte keine tiefergehenden Ergebnisse. Der archäologisch fundierten Aussage, dass die Bevölkerung noch überwiegend slawisch geprägt sei, wird aus anthropologischer Sicht nicht widersprochen. Die Analyse der mitochondrialen DNA (mtDNA) und Y-chromosomalen DNA war trotz widriger Lagerungsbedingungen erfolgreich. Von allen vier untersuchten Usedomern konnte die Haplogruppe der mtDNA (2 x H, 2 x K) bestimmt werden. Die Y-chromosomale Analyse ergab die Haplogruppen E1b1b und R1a1a7. Die Resultate lassen bisher leider nur den Schluss zu, dass es sich bei den Usedomern um Europäer handelt. In naher Zukunft wird die molekulargenetische Forschung mit genaueren Analysemethoden die Migrationsbewegungen der Menschen durch die Jahrhunderte immer besser rekonstruieren können.
This study investigates 200 skeletons from an early Christian graveyard of the 12th to early 13th century in Usedom (Mecklenburg-Vorpommern, Germany). The city of Usedom was a notable maritime place of trade in a time of major political and social transformations. The Christianisation of the Slavic elite in 1128, the following raids of the Danes and the influx of German settlers starting in the 13th century were formative events. The reconstruction of the living conditions of the Usedom population was achieved by means of well established anthropological and palaeodemographical methods. Age and sex distribution comply with other ordinary populations of that time frame: high proportion of children (32 %), comparatively few adolescents but many adults (59 %) as well as a slight surplus in men. Remarkably, a deficit in women in the mature age class is attended by an increased mortality of girls of the age class infans I. However, this may be due to a methodical error. In order to clarify a possible Slavic, Danish or German background of the inhabitants of Usedom, eight skull measures, four skull indices and five measures of the long bones of the extremities were investigated typologically as well as statistically on the basis of their arithmetic means and compared to the measures of two series of Slavic or multiethnic/place of trade background (Sanzkow and Haithabu, respectively). The comparison of arithmetic means did yield statistically significant differences between the three populations. The men and women of Usedom seem to be more closely related to the Sanzkow population. However, they appear to take a position between the two other populations. Unfortunately, a comparison with Slavic and Germanic populations of the Neolithic till Early Middle Ages did not provide distinct results. The archaeologically based assumption of a mainly Slavic population cannot be rejected with anthropological means. The analysis of mitochondrial and Y-chromosomal DNA, however, generated auspicious results despite adverse storage conditions. Results could be obtained from all four samples. Two individuals were of mtDNA haplogroup H and two of haplogroup K. Y-chromosome analysis yielded haplogroups E1b1b and R1a1a7, respectively, in two males. Future molecular research will see improved methods for the even more detailed reconstruction of human migration.