Im 15. Jahrhundert versuchten die burgundischen Herzöge Philipp der Gute und Karl der Kühne ihre Territorien zu vereinen und ihre Macht auszubauen, mit dem Ziel, ein von Frankreich unabhängiges Königreich zu erschaffen. Zu diesem Zweck etablierten sie auch eine spezielle Repräsentationspolitik, die darauf ausgelegt war, sie als ideale und rechtmäßige Herrscher zu inszenieren. Dieses Idealbild wurde nicht nur mithilfe von Kunstwerken, sondern auch unter Rückgriff auf Gewänder und textile Objekte zum Ausdruck gebracht. Demzufolge bilden die Formen der textilen Inszenierung der Burgunderherzöge den Gegenstand dieser Arbeit. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie die Herzöge Gewänder und textile Ausstattungsgegenstände nutzten, um sich auf ihren Bildwerken und in ihrem Hofzeremoniell als ideale und tugendhafte Herrscher zu repräsentieren. Um diese Frage beantworten zu können, wurden Werke der Buchmalerei, Tafelmalerei und Tapisserie einer ikonografischen Analyse unterzogen sowie zusammen mit Schriftquellen betrachtet. Den theoretischen Referenzrahmen dafür lieferten zeitgenössische virulente Diskurse zur Herrschaftslegitimation sowie die am burgundischen Hof gesammelten und rezipierten Fürstenspiegel. Diese proklamierten die Tugenden der Weisheit, der Frömmigkeit und der Magnifizenz als wichtigste Herrschermaximen. Im Zuge der Betrachtung wurde untersucht, auf welche Art und Weise diese drei Ideale in der textilen Repräsentation der Burgunderfürsten zum Ausdruck kamen. Bei dieser Untersuchung konnte festgestellt werden, dass nicht nur die Gewänder der Herzöge, sondern auch die Roben ihrer Höflinge und Angestellten sowie alle Formen textiler Ausstattungsgegenstände eine tragende Rolle bei der textilen Inszenierung der Fürsten spielten. Die einzelnen Merkmale eines textilen Objektes sowie deren Kombination untereinander und mit anderen textilen Objekten und Gewändern konnten je nach Kontext als sinnstiftende Bedeutungsträger auftreten. Sie brachten dabei nicht nur die von den Herzögen proklamierten Tugendeigenschaften zum Ausdruck, sondern auch eine Reihe von macht-politischen Botschaften und sozioökonomische Verweise. Wie gezeigt wurde, waren die textilen Objekte aufgrund ihrer Materialität und ihrer multivalenten Zeichenhaftigkeit ein geeignetes Mittel, um die Propaganda der Burgunderherzöge allumfassend darzustellen und greifbar zu machen.