Ziel der Arbeit ist die Überprüfung einer zentralen These von Jürgen Habermas. In seinem einflussreichsten Werk Strukturwandel der Öffentlichkeit behauptet er: Öffentliche Meinung bleibt Gegenstand der Herrschaft, auch wo diese zu Konzessionen oder Reorientierungen zwingt. Gründe sieht er in einer fundamentalen Veränderung des Meinungsbildungsprozesses in Europa. Habermas glaubt: Die Staatsbürger der wichtigsten europäischen Demokratien hätten sich durch kulturindustriell gesteuerte Meinungsinhalte von einem frei entscheidenden räsonierenden zu einem, durch die Obrigkeit manipulierten, kulturkonsumierenden Publikum entwickelt. Diese Einschätzung versuche ich anhand mehrer empirischer und deskriptiver Analysen zu verifizieren oder zu falsifizieren. Methodischer Ablauf der Untersuchung Die Kapitel 2.1. bis 2.1.7.3. dienen der ausführlichen Darstellung von Habermas Analyse. Sie belegen auch die Verbindungen seines Theoriengebäudes zur Kritik der Massenkultur von Theodor W. Adorno und den Arbeiten Walter Benjamins. Die Kapitel 2.2. bis 2.2.8. widmen sich der historischen Entwicklung des Feuilletons dem Platz in Tageszeitungen, auf dem normalerweise Theaterkritiken abgedruckt werden. Im Vordergrund steht die Frage, welchen Einfluss das Feuilleton auf die öffentliche Meinung hat. Kapitel 2.3. bis 2.3.12. versuchen die sich wandelnde Rolle der Theaterkritik in Deutschland zu explizieren. Eine empirische Untersuchung befragt Theaterkritiker nach Kriterien ihrer Arbeit. In den Kapiteln 2.5. bis 2.5.13. wird der Bildungsauftrag des deutschen Theaters nachgezeichnet. Ein Spezifikum, ohne das der Einfluss der Theaterkritik auf die öffentliche Meinung kaum nachvollziehbar ist. 2.6. bis 2.6.4. beschreiben das weltweit einzigartige System der deutschen Theatersubventionierung und fragen ob es von der öffentlichen Meinung und dem Strukturwandel der Gesellschaft beeinflusst wird. Die Kapitel 2.7. bis 2.7.4. beinhalten eine zweite empirische Untersuchung: Theaterreferenten in Ministerien wurden nach ihren Entscheidungskriterien für die Höhe von Subventionen und Bestellung/Entlassung von Intendanten befragt. Wichtigster Punkt: Welchen Einfluss haben Theaterkritiken? Einer dritten empirischen Untersuchung widmen sich die Kapitel 2.8. bis 2.9.2.2.: Dabei werden Theaterkritiken überregionaler deutscher Tageszeitungen analysiert. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Rezensionen die Meinung des Publikums repräsentieren und damit zur Demokratisierung der Öffentlichkeit beitragen oder Kritiker eher Handlanger staatlicher Interessen sind. Die Schlusskapitel (3. bis 3.2.4.) vergleichen die Untersuchungsergebnisse mit Habermas Thesen und sollen deren Wahrheitsgehalt überprüfen: Kann anhand des Einflusses von Theaterkritiken auf die öffentliche Meinung ein Strukturwandel der Öffentlichkeit nachgewiesen werden?
The aim of the dissertation is to examine a central thesis by Jürgen Habermas In his most influential work, The Structural Transformation of the Public Sphere ( Strukturwandel der Öffentlichkeit ), he states: Public opinion remains an object of political dominion, even when forced to concessions or re-orientation. He sees the reasons for this in a fundamental change in the opinion-making process in Europe. Habermas believes that the citizens of the most important European democracies have, by way of opinion content steered by the culture industry, developed from an independently deciding and reasoning public to a culture-consuming public manipulated by the authorities. I try to verify or falsify this assessment using empirical and descriptive analysis. Methodical process of the study Chapters 2.1. to 2.1.7.3. serve to present Habermas analysis in detail. They also show the connections between his theoretical structure and Theodor W. Adornos critique of mass culture and the works of Walter Benjamin Chapters 2.2. to 2.2.8. are dedicated to the historical development of the feature supplement the location in daily newspapers where theatre reviews are usually printed. The main question is what influence the feature supplement has on public opinion. Chapters 2.3. to 2.3.12. try to explicate the changing role of theatre criticism in Germany. An empirical study asks theatre critics about the criteria of their work. In chapters 2.5. to 2.5.13., the educational mission of German theatre is explained. This is a peculiarity without which the influence of theatre reviews on public opinion can hardly be understood. Chapters 2.6. to 2.6.4. describe the globally singular German system of theatre subsidization and ask whether this system is informed by public opinion and structural change in society. Chapters 2.7. to 2.7.4. include a second empirical study: Theatre officials in ministries were asked by what criteria they are led when deciding on the amount of subsidies and the appointment and dismissal of theatre directors. Main point: What is the influence of theatre reviews? Chapters 2.8. to 2.9.2.2. are devoted to a third empirical study: Theatre reviews in national German newspapers are analyzed. The central question is whether reviews are representative of public opinion and thereby contribute to the process of democratization or whether the reviewers are minions of state interests. The final chapters 3. to 3.2.4. compare the results of the studies with Habermas´ assessment and are meant to evaluate how true it is: Can the influence of theatre criticism on public opinion prove a structural transformation of the public sphere?