In der „Förderstrategie für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler“ fordert die KMK (2015) die Schaffung von Lernumgebungen, die eine bestmögliche Entfaltung der Potenziale aller Schüler*innen ermöglicht und dabei ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Die Umsetzung eines begabungsdifferenzierenden Unterrichts an deutschen Schulen gestaltet sich jedoch als große Herausforderung (Reintjes, Kunze & Ossowki, 2019). Dies gilt auch für den Physikunterricht (Dohrmann, Rüge, Ghassemi & Nordmeier, 2021). Dass begabte Schüler*innen nicht ausreichend gefördert werden, kann unter anderem auf Zeitmangel und auf die unzureichende Diagnose von Begabungen zurückgeführt werden (Breyton, 2019). Eine weitere Ursache für die unzureichende Begabungsdiagnose und -förderung könnte darin bestehen, dass beide bundesweit nur selten Thema in der universitären Lehrkräftebildung sind (Dohrmann, Ghassemi & Nordmeier, 2020). Das LemaS-Teilprojekt Physik1 möchte dieser Problematik auf zwei Ebenen begegnen: 1. Lehrer*innenbildung: Im Rahmen des Projekts wurde eine universitäre Lehrveranstaltung der Fachdidaktik Physik im Bereich der Begabungsförderung entwickelt und implementiert. 2. Unterricht: Um bereits aktive Lehrer*innen bei der Begabungsförderung zu unterstützen, wurden im Projekt - aufbauend auf den Erkenntnissen der physikdidaktischen Forschung - begabungsdifferenzierende komplexe Lernaufgaben zum Einsatz im Regelunterricht entwickelt und erprobt. Da Aufgaben einen hohen Stellenwert im Unterricht einnehmen, können Lernaufgaben eine geeignete Möglichkeit darstellen, ein begabungsförderndes Unterrichtsgeschehen zu realisieren (Lehfeldt, 2018). Lernaufgaben ermöglichen es Schüler*innen, individuell, selbstständig und in einem eigenen Tempo kompetenzorientiert zu arbeiten (Leisen, 2006). Durch die Aufgabenform und gestufte Hilfen können solche Aufgabenformate nicht nur eine Differenzierung ‚nach oben‘ und damit eine Begabungsförderung, sondern auch eine Differenzierung auf dem gesamten Spektrum und damit eine individualisierte Förderung aller Schüler*innen in Form der „kalkulierten Herausforderung“ nach Leisen (2019) ermöglichen. Die Struktur der Aufgaben ist dabei am Lernen in einem kompetenzorientierten Unterricht nach Leisen (2010) orientiert, sodass die Schüler*innen über eine kontextualisierte Problemstellung hin zu einem eigenen Lernprodukt geführt werden und die Reflexion über das Gelernte angeregt wird. Um eine Brücke zwischen der Forschung und der Schulpraxis zu schlagen und der Frage nachzugehen, wie Schüler*innen komplexe Lernaufgaben beurteilen, die im Rahmen des Projekts theoriegeleitet entwickelt wurden, wurde eine im Regelunterricht eingesetzte Aufgabe exemplarisch durch die Schüler*innen evaluiert. Der Einsatz der Aufgabe und die Evaluation selbst werden im Folgenden dargestellt.