Epidemiologische Studien zum akuten Lungenversagen liefern keine robusten Daten zu Inzidenz und Sterblichkeitsrate, und zahlreiche RCTs ermitteln nicht die gewünschte Evidenz für die unterschiedlichen Interventionen/Module zur Behandlung des akuten Lungenversagens, weil die allgemein eingeführte Definition der Amerikanisch-Europäischen Konsensuskonferenz (AECC) erhebliche Mängel aufweist. Diese Mängel werden mit Hilfe der Darstellung pathophysiologischer Zusammenhänge im ersten Teil der Arbeit klar herausgestellt. So wird gezeigt, dass der in der Definition gebräuchliche Oxygenierungsindex (paO2/FiO2) ohne Angaben zu den eingesetzten Beatmungsdrücken (z.B. PEEP, mittlerer Atemwegsdruck) keine Beschreibung des Schweregrades liefert und sich nicht als valides Kriterium für den Einschluss in Studien eignet. Die multimodale Behandlung des akuten Lungenversagens wird in dieser Arbeit erstmalig in einem Algorithmus zusammengefügt. Im Algorithmus werden die Schwächen der Definition zur Beschreibung des Schweregrades ebenso berücksichtigt wie der Einsatz von Vasodilatatoren kontrolliert wird, die für die ARDS-Behandlung nicht zugelassen sind. Weiterhin werden strenge Kriterien für die Bauchlagerung angegeben, deren Einsatz für Patienten mit schwerem Lungenversagen tendenziell einen Überlebensvorteil bietet. Die Beschreibung der Indikation wie auch der Vorgehensweise für eine Entwöhnung von den Lungenersatzverfahren im Algorithmus inklusive der Angaben zu Sedierungszielen eröffnen die Möglichkeit, Patienten, die von diesen Verfahren profitieren könnten, auch außerhalb des Zentrums zu identifizieren. Im Algorithmus werden die Priorisierung der einzelnen Module und die Kriterien für ihre Anwendung sowie das Entwöhnen und die Beendigung der jeweiligen Behandlungsmodule transparent in Zusammenhang gestellt. So soll die Indikation der Module täglich überprüft werden. Oberstes Ziel für den Einsatz dieser speziellen Therapiemodule bleibt unter Einhaltung einer protektiven maschinellen Beatmung mit kleinen Atemzugvolumina und limitierten Beatmungsdrücken die Vermeidung von Hypoxie und sekundärem Organversagen. Perspektivisch kann der Umsetzungsgrad der Anwendung der verschiedenen Therapiemodule anhand der Kriterien für den Einsatz und die Beendigung der Verfahren überprüft werden und weiteren Handlungsbedarf aufzeigen, um den Patienten eine nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sinnvolle Therapie zukommen zu lassen. Die Untersuchungen zum outcome der Patienten zeigen, dass Kurzzeitprognose- faktoren und Langzeitprognosefaktoren nicht einfach zu trennen sind. Das muskuläre Versagen beeinflusst die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung und trägt zur Verlängerung der Beatmungsdauer und damit auch zur Verlängerung der Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation bei. Auf der anderen Seite erscheint das Muskelversagen mit den psychologischen Belastungen durch die moderne Intensiv-medizin assoziiert zu sein. Die Patienten sind wach, können sich nicht bewegen, sind vom Beatmungsgerät abhängig und leiden unter Kontrollverlust über das eigene Handeln und an ihrer Hilflosigkeit. Die vom Patienten wahrgenommene Lebensqualität ist wesentlich durch die Entwicklung posttraumatischer Belastungsstörungen bei ca. 25% der Patienten eingeschränkt. Die Patienten erholen sich in ihrer eigenen Wahrnehmung in den körperlichen Dimensionen oft gut, doch ihre psychischen Belastungsstörungen zeigen sich tendenziell an der Arbeitsunfähigkeit auch Jahre nach „erfolgreicher“ Therapie des akuten Lungenversagens. Die von den Patienten benannten traumatischen Stressoren führen zu weiteren wichtigen Aufgaben der modernen Intensivmedizin: Monitoring und Behandlung von Angst, Schmerz und Delir zur Verbesserung des Überlebens und der Langzeitprognose der Patienten.
Summary: Reliable epidemiological data on the incidence and mortality rate of acute lung injury (ALI) is sparse. Due to deficiencies regarding its definition by the American-European Consensus Conference (AECC), randomised controlled trials on various interventions and therapy components did not yield desired levels of evidence. The first section of this work clearly illustrates these deficiencies by presenting the pathophysiological background which demonstrates that the oxygenation index (PaO2/FiO2) as a cornerstones of the AECC definition is not really a valid criterion if not considered in reference to ventilator settings (e.g. positive enexspiratory pressure, PEEP) and hence refers to a poor criterion for study inclusion. For the first time, this work integrates the multimodal treatment of ALI into an algorithm. This algorithm controls for both deficiencies in regard to a reliable definition of severity as well as use of e.g. vasodilators in ARDS treatment. In addition, it considers strict criteria for prone positioning, which has been linked with a decrease in mortality rates. The description of both indications and procedures of weaning from temporary pulmonary replacement therapy in consideration of goal oriented sedation offer an opportunity to identify benefiting patients outside from centers specialised in these techniques. The algorithm includes transparent prioritization of treatment components, indications, weaning procedures and criteria defining their cessation. Each day, treatment components will be reassessed. Highest priority of these treatment components remains on prevention of hypoxia and secondary organ failure while assuring lung protective mechanical ventilation with low tidal volumes and limited peak inspiratory pressures. Implementation rates of interventions or components according to criteria defining both indication and cessation will be monitored and may reveal additional demands associated with providing reasonable, evidence-based treatment. Studies assessing patient outcome reveal that factors determining short and long term prognosis depend on each other and may not be separated easily. Neuromuscular failure affects weaning from mechanical ventilation and prolongs duration of treatment and ICU stay. On the other hand, neuromuscular dysfunction seems to be associated with psychological sequelae of modern intensive care medicine, which frequently involves that patients are awake, can hardly move, depend on mechanical ventilation, and experience loss of control and helplessness. In approximately 25% of these patients, health related quality of life is significantly affected by posttraumatic stress disorder. While these patients frequently perceive their physical recovery as satisfactory, the high percentage of patients not returning to work implies sustained coping with psychological trauma even years after “successful” treatment of ALI. These patient reports of situations and factors associated with traumatic stress indicate another important responsibility of modern intensive care medicine: Improvement of mortality rates and long term prognosis by monitoring and treating anxieties, pain and delirium appropriately.