Für die Region Preußen wurde die medizingeschichtliche Bedeutung jener Entwicklung untersucht, die unter der Bezeichnung „Heilstättenbewegung“ im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in Preußen besondere Bedeutung erlangte. Alle preußischen Lungenheilstätten in der Größenordnung von mindestens 75 Betten wurden erfasst und miteinander verglichen. Die Erhebung betraf sowohl die Situation der Patientinnen und Patienten als auch die Lage, die bauliche Struktur, die personelle Ausstattung und die therapeutische Ausrichtung der Anstalten. Literarische Darstellungen des Patienten-alltags wurden in die Betrachtung einbezogen. Im Hinblick auf die Entstehung der Bewegung erfolgte eine besondere Hervorhebung des Gründers Brehmer und der ersten Heilstätte im schlesischen Görbersdorf. Näher auszuführen war, dass mit der Verabschiedung der Sozialversicherungsgesetze erstmals auch die ärmeren Schichten an dem entwickelten Behandlungsprogramm teilhaben konnten. Zu den Einzelerkenntnissen gehörte das Bestreben der Landesversicherungsanstalten, in erster Linie denjenigen Kranken einen Genesungsaufenthalt zu ermöglichen, bei denen die Aussicht auf Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit realistisch erschien. Ein ebenso wichtiges Ergebnis der Studie betrifft die Tatsache, dass in den traditionellen Heilstätten nur in seltenen Fällen Schwerkranke aufgenommen wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg verzichteten die Landesversicherungsanstalten weitgehend auf den Bau neuer Heilstätten und setzten verstärkt auf das Programm, sog. Fürsorgestellen einzurichten. Deren prophylaktische Funktion bestand vor allem darin, die Bevölkerung über die Gefahren der Tuberkulose aufzuklären und Schutzmaßnahmen anzuraten. Außerdem ging man dazu über, Heilstätten zu chirurgischen Fachkrankenhäusern für Tuberkulose umzubauen, um auch schwerer erkrankten Personen helfen zu können. Im Laufe der 1920er Jahre endete die Heilstättenbewegung, weil das Brehmer- Dettweiler’sche Prinzip in Preußen vielerorts für entbehrlich gehalten wurde. Das gilt insbesondere für die Zeit nach der Entdeckung des Antibiotikums Streptomycin, das in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals zum Einsatz kam. Der Bedarf an Lungenheilstätten nahm danach stetig ab. Die letzten Anstalten ihrer Art schlossen in Deutschland in den 1980er Jahren. In den seit 1945 zu Polen gehörenden ehemaligen preußischen Provinzen bestehen hingegen teilweise heute noch Facheinrichtungen für Atemwegserkrankungen in den historischen Heilstätten-Gebäuden. Der tatsächliche (oder zumindest vermeintliche) medizinische Fortschritt bedingte das Ende der Heilstättenbewegung und führte zu einem Wandel in der Verwendung der Einrichtungen. Da die Anlagen aber weiterhin unter der Bezeichnung „Heilstätte“ wahrgenommen wurden und in vielen Anstalten die Anwendung des traditionellen Behandlungskonzeptes teilweise beibehalten wurde, war auch auf die Frage des späteren Schicksals der Häuser ausführlich einzugehen. Dabei sind auch die unterschiedlichen Verhältnisse in den ehemaligen preußischen Provinzen (alte Bundesländer, neue Bundesländer und heute zu Polen und Russland gehörende Gebiete) beachtet worden.
In this dissertation, I want to introduce the history of tuberculosis sanatoria in Prussia in late 19th and early 20th century and will show the current situation of the old hospital buildings in Germany and Poland. There are three main focus regions: The historical Prussian province of Brandenburg and the two Prussian mountain regions of Harz and Riesengebirge (Silesia). I also explore all Prussian tuberculosis sanatoria with more than 75 beds for adults. The history of the „Heilstätte“ (tuberculosis sanatoria) in Prussia begins with the young physician Dr. Hermann Brehmer. He established a sanatorium in the Silesian mountain village of Görbersdorf in which he developed his “hygienic-dietetic” program. Brehmer believed that the causes of tuberculosis were a small heart and large lungs and not just malnutrition and badly ventilated and unhygienic flats. Only suitable dietary treatment in an area with good climatic conditions with no history of tuberculosis could aid recovery. Regional retirement and disability insurance was founded in the German Empire in the last quarter of 19th century. The focus of the study was the detailed analysis of the development and change of the sanatorium movement, the treatment programs and the tuberculosis facilities. I also analyze the circumstances of the patients, the architecture and the treatment in the sanatoria. I visited a lot of the sites in Germany and Poland and looked at their current status. The Prussian disability insurance companies provide facilities for the treatment of tuberculosis patients in order to prevent the spread of the disease wherever possible. Because of this, the construction of sanatoria offering Brehmers hygienic-dietetic program became a trend, the number of sanatoria in Prussia increased. Medical progress brought an end to the sanatorium movement and led to a change in the use of the facilities. Because the sites were still known as “Heilstätte” and many of them still used traditional practices, the question of the later fate of these institutions required detailed examination. The sanatorium movement came to an end in the 1920s and was replaced by surgery. After the discovery of the antibiotic streptomycin in the late 1940s the need for tuberculosis sanatoria fell steadily. The last surviving sites in Germany closed in the 1980s. Some of the former Prussian sanatoria which passed into Polish hands after 1945 are still today, in part, specialized institutions for the treatment of tuberculosis and lung diseases.