Das vorliegende Working Paper ist der ‚Aktualitätsepik‘ im Frankreich der Religionskriege gewidmet. Dabei handelt es sich um Epen in französischer und lateinischer Sprache, die eine aus ihrer Sicht zeithistorische Thematik verarbeiten. Die Forschungsliteratur betrachtete die Aktualitätsepik gemeinhin als ein ästhetisch minderwertiges und literarhistorisch unbedeutendes Phänomen, das grundlegenden Konventionen der Gattung zuwiderlaufen würde. Das Working Paper zeigt demgegenüber die Virulenz und Persistenz dieses Phänomens auf, indem erstens der Forschungsdiskurs auf seine modernistischen Grundannahmen (Epos ≠ Aktualität/Moderne) hin überprüft und kritisch hinterfragt wird, zweitens auf die seit der Antike wirkmächtige Tradition von Epen mit (zeit-)historischer Thematik eingegangen wird und drittens die Aktualitätsepik im Frankreich der Religionskriege konkret in den Blick genommen wird. In diesem Zusammenhang interessieren besonders Strategien der Episierung vor dem Hintergrund diverser Modelltexte der Gattungstradition sowie die multitemporale Vielschichtigkeit und die ideologische Funktionalisierung des epischen Formulariums bei den französischen Epikern.