Dyspeptische Beschwerden sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Obwohl sich nur etwa jeder vierte Betroffene deswegen in ärztliche Behandlung begibt, ist die Dyspepsie einer der häufigsten Konsultationsgründe beim Hausarzt und führt zu weitreichenden sozialmedizinischen Konsequenzen. Daten zur Versorgungssituation von allgemeinmedizinischen Patienten mit Dyspepsie stehen kaum zur Verfügung. Die vorliegende Fallstudie wurde durchgeführt, um die Versorgungsrealität dieser bedeutenden Patientengruppe umfassend zu dokumentieren, sowie einen Beitrag zur Versorgungsforschung in der Allgemeinmedizin zu leisten. Zu diesem Zweck wurden von März 2001 bis Januar 2002 geeignete Patienten einer allgemeinärztlichen Gemeinschaftspraxis bei der Erstvorstellung (t0) und nach vier Wochen (t1) anhand standardisierter Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumente untersucht: Körperliche Beschwerden mit der Kurzform des Gießener Beschwerdebogens (GBB-24), gesundheitsbezogene Lebensqualität (gLQ) mit dem MOS Short-Form 36 (SF-36), psychische Störungen und psychosoziale Stressfaktoren mit der deutschen Version des Patient Health Questionnaires (PHQ-D) sowie psychosoziale Versorgungsmaßnahmen mit der Basisdokumentation Psychosomatische Grundversorgung (Bado PSGV). Die Dyspepsie-spezifische diagnostische und therapeutische Vorgehensweise der teilnehmenden Hausärzte wurde ebenfalls dokumentiert und hinsichtlich eines leitlinienkonformen Handelns bewertet. Bei der Erstvorstellung zeigte jeder zweite Patient Alarmsymptome ( red flags ). Eine Abklärung mittels Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) konnte bei knapp der Häflte der Patienten realisiert werden. Die Rate pathologischer ÖGD- Befunde war mit 85% sehr hoch (Gastritis: 47,5%; Ösophagitis: 17,5%; Ulzera: 15,0%; Karzinome: 2,5%). Dabei stimmten die Verdachtsdiagnosen oft mit den ÖGD-Diagnosen überein. Patienten mit gastroskopisch gesicherter Diagnose wurden zu 95% leitlinienkonform therapiert. Bei t1 war fast ein Drittel der Teilnehmer beschwerdefrei, gut ein Drittel berichtete über eine Besserung der Dyspepie. Allerdings klagte ein weiteres Drittel der Patienten weiterhin über anhaltende dyspeptische Beschwerden. Im GBB-24 reduzierte sich der Gesamtbeschwerdedruck des Studienkollektivs hoch signifikant, jedoch betrug der Beschwerdedruck bei t1 im Vergleich zur deutschen GBB-24-Normstichprobe noch fast das Doppelte. Die Lebensqualität der Patienten verbesserte sich signifikant bis hoch signifikant. Allerdings erreichte das Studienkollektiv nicht die SF-36-Normwerte einer Referenzgruppe des Bundes-Gesundheitssurveys. Überraschenderweise konnten die im SF-36 üblichen Geschlechtsunterschiede nicht nachgewiesen werden. Die im PHQ-D ermittelte psychische Komorbiditätsrate war außergewöhnlich hoch (t0: 60,2%; t1: 48,2%). Im Vergleich zu durchschnittlichen allgemeinmedizinischen Patienten traten im Studienkollektiv Depressionen drei- bis viermal, Angststörungen sogar sechsmal häufiger auf. Psychosoziale Stressoren kamen ebenfalls zwei- bis dreimal häufiger vor. Obwohl sich im Verlauf die Behandlungsrate bei depressiven und Angststörungen verdoppelte, erhielt nur jeder zweite Depressive und nur jeder Vierte mit einer Angststörung Psychopharmaka. Wider Erwarten bestanden im PHQ-D keine Geschlechtsunterschiede. In der Studiengruppe korrelierte der Schweregrad psychischer Störungen (DSM-IV-Kategorien) nahezu linear mit den körperlichen Beschwerden im GBB-24 und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität im SF-36. Die Hausärzte bewerteten die biopsychosozialen Belastungen der Patienten eher traditionell (Schmerzen, Arbeitsplatz, organische Erkrankungen). Nur 16,9% der Teilnehmer zeigten ein psychosomatisches Krankheitsverständnis, während 77,1% der Patienten auf eine somatische Genese fixiert waren. 96,4% der Patienten erhielten ein antiazidäre Medikation, jeder Zweite eine Krankschreibung. Psychopharmaka wurden im Vergleich zu üblichen Verordnungsraten selten rezeptiert (7,2% vs. 17%). Gesprächsleistungen wurden wiederum relativ häufig erbracht (79,5% symptom-bezogene Beratungen, 37,3% psychodiagnostische Gespräche). Eine verbale Intervention im Sinne der PSGV erhielten nur 1,2% der Patienten. Obwohl die Hausärzte eine interdisziplinäre Kooperation in 41% der Fälle für wichtig hielten, fand sie nur in 3,6% statt. Psychosoziale Behandlungsmaßnahmen erfolgten unabhängig von den psychosozialen Belastungen, bei Patienten mit psychosomatischem Krankheits-verständnis allerdings signifikant häufiger. Im Studienkollektiv war die Anzahl der Arztkontakte und Überweisungen fast doppelt so hoch wie bei durchschnittlichen Hausarztpatienten. Die mittlere Dauer der Arbeitsunfähigkeitszeiten (AU) betrug 1,3 Wochen, wobei nur 10% der Patienten die längsten AU-Zeiten verursachten. Die ärztlichen Erkennungsraten einer depressiven bzw. einer Angstsymptomatik waren sehr gut: 68% der Patienten mit Depressionen sowie 70% der Patienten mit Angststörungen wurden, gemäß den PHQ-D-Diagnosen, als solche richtig erkannt. Der GBB-24 erwies sich als ein praktikables Instrument, um die subjektiv wahrgenommenen Körperbeschwerden der Patienten zu objektivieren und den erzielten Behandlungserfolg zu bewerten. Die Verlaufsmessung der gLQ mit dem SF-36 stellte sich ebenfalls als eine sehr geeignete Methode dar, um den bisherigen Therapie-erfolg zu evaluieren und gleichzeitig diejenigen Bereiche zu identifiziern, in denen die Patienten im Alltag noch klinisch relevante Beeinträchtigungen aufwiesen. Daher würde die Einführung regelmäßiger gLQ- Messungen im hausärztlichen Setting einen wesentlichen Fortschritt für eine patientenzentrierte Therapie bedeuten. Analog zur allgemeinen ambulanten Versorgungssituation psychisch kranker Patienten war die Behandlung von Studienteilnehmern mit Dyspepsie und komorbiden psychischen Störungen ebenfalls unzureichend. Angesichts der ungewöhnlich hohen Prävalenz psychischer Störungen, sowie den beträchtlichen psychosozialen Belastungen im Studienkollektiv, wurde der enorme psychosoziale Betreuungsbedarf der untersuchten Dyspepsie-Patienten erst offensichtlich. Insofern wäre ein Routine-Screening des psychosozialen Status mit dem PHQ-D bei allgemeinärztlichen Dyspepsie-Patienten durchaus gerechtfertigt. Allerdings lohnt sich der zusätzliche Aufwand nur, wenn die behandelnden Hausärzte, gemeinsam mit den betroffenen Patienten, daraus die erforderlichen therapeutischen Konsequenzen ziehen. Aufgrund der geringen Fallzahl sind die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nicht repräsentativ, sie bedürfen einer erneuten Überprüfung im Rahmen multizentrischer Erhebungen. Eine Langzeitstudie zur Versorgungsqualität von Dyspepsie-Patienten, die auch den fachärztlichen und stationären Sektor einschließt, wäre wünschenswert, sowohl um den Krankheitsverlauf als auch die Effizenz der Interventionen in dieser sozialmedizinisch bedeutsamen Patientengruppe abschließend bewerten zu können.
Background: In the general population, dyspeptic symptoms are very common and one of the most frequent reasons consulting general practitioners, causing extensive socioeconomic consequences. This case-study was carried out to evaluate the medical care situation of this significant group of patients, making a constribution to medical care research in general medicine. Methods: From March 2001 to January 2002 eligible patients of a general community practice were examined by means of different self-rating instruments (GBB-24, SF-36, PHQ-D) at first contact (t0) and after 4 weeks (t1). Doctors psychosocial interventions were noted on the basic documentation Psychosocial Primary Care (Bado PSGV). Dyspepsia-specific diagnostic and therapeutic procedures were also documented and evaluated in regard to guidelines. Results: More than the half of the patients examined presented with alarming symptoms at first contact. In almost half of all cases an oesophagogastroduodenoscopy (OGD) was performed. The rate of pathological endoscopic findings was unusually high with 85% (gastritis 47.5%, oesophagitis 17.5%, gastroduodenal ulcers 15.0%, carcinoma 2.5 %). 95% of patients with a definite endoscopic diagnosis received treatement according to the guidelines. At t1, one third of patients were free of dyspeptic symptoms, one third of patients had improvement in their symptoms and one third of patients reported persistent dyspeptic symptoms. There was a highly significant reduction in the GBB-24 global score of discomfort (GSD), at t1 it was still almost twice as high as in the German standard sample. Improvements in the quality of life where significant to highly significant, although they did not reach standardised values of a comparison group from the german National Health Survey. The psychiatric co-morbidity was extraordinarily high (t0: 60,2%; t1: 48,2%). Compared to average primary care patients, depressive disorders occured three to four times and anxiety disorders six times more often in the study sample. The incidence of psychosocial stressors was two to three times higher than in average primary care patients. Although in depressive patients and those with anxiety the treatment rate was doubled over time, only half of the patients with depressive disorders and a quarter of patients with anxiety disorders received psycho-tropic drugs. There was a nearly linear correlation between the severity of mental disorders and the bodily complaints as well as the health-related quality of life in SF-36. Participating doctors were attributing bio- psychosocial strains of their patients more towards traditional aspects (pain, work-related stress, organic diseases). Only 16.9% of patients showed a psychosomatic understanding of their illness, whereas 77.1% of participants were focused on somatic causes. 96.4% of patients received an antacid, 50.6% of patient a sick certificate. Compared to average prescription rates, psychotropic drugs were prescribed less often (7.2% vs. 17%), whereas counselling services were given comparatively often. Interventions in terms of psychosocial primary care were given only in 1.2% of patients. Compared to average primary care patients, the numbers of contacts as well as referrals were almost twice as high in the study patients. Doctors recognised symptoms of depression and anxiety very often correctly: 68% of clinically depressed patients and 70% of patients with anxiety disorders were correctly identified in accordance with the results of PHQ-D. Conclusions: The GBB-24 proved to be a feasible instrument to objectify the subjectively perceived bodily complaints of the patients, and allowed an evaluation of the treatment effect. Measuring the HRQL over time with the SF-36 proved to be a appropriate method of evaluating the success of therapy and of identifying those areas of daily routine in which patients showed persistent impairments of clinical relevance. Therefore, the implementation of regular measurements of the HRQL in primary care settings would represent an important progress in patient-centred therapy management. In view of the extraordinarily high prevalence of mental disorders as well as the considerable burden of psychosocial problems in study subjects, the high demand of psychosocial support of the investigated dyspeptic patients became apparent. Thus, in primary care patients with dyspepsia, routinely self- administered screening of psychosocial status with the PHQ-D can clearly be justified. A long-term study of the quality of medical care, including secondary and tertiary medical settings, would be desirable for the evaluation of both the course of disease and the efficiency of interventions in this socio-medically important group of patients.