Ein wichtiges Ziel dieser Studie war es, das Inanspruchnahmemuster von internistischen Notfallambulanzen zu untersuchen und die Angemessenheit der Inanspruchnahme unter besonderer Berücksichtung des Geschlechts, des Alters und des aktuellen Wohnorts im ehemaligen Ost- bzw. Westteil der Stadt Berlin zu beurteilen. Die Studie wurde in der Zeit vom November 2006 bis März 2007 an internistischen und gynäkologischen Rettungsstellen dreier Berliner Kliniken in Form einer groß angelegten retrospektiven Querschnittsstudie durchgeführt. Hierbei wurden für die Dauer jeweils eines Kalendermonats die administrativen Daten und ärztlichen Aufzeichnungen auf den Erste-Hilfe-Scheinen erfasst. Bei der Auswertung zeigte sich, dass Frauen insgesamt etwas häufiger als Männer in Rettungsstellen vorstellig wurden. Hinsichtlich der Altersverteilung konnte ein mit insgesamt 37% überproportional hoher Anteil von Patienten/innen, die 65 Jahre oder älter waren, eruiert werden. Die geschlechts- und altersspezifischen Besonderheiten waren bei Patienten/innen mit aktuellem Wohnort im ehemaligen Ostteil der Stadt Berlin deutlicher ausgeprägt als bei Patienten/innen mit aktuellem Wohnort im ehemaligen Westteil der Stadt Berlin. Die multivariate Analyse ergab, dass ein aktueller Wohnort im ehemaligen Ostteil der Stadt Berlin ein signifikanter positiver Prädiktor für einen Vorstellungszeitpunkt in der Rettungsstelle innerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten, für eine Beschwerdedauer < 24h bis zum Aufsuchen der Notfallambulanz, für die Nutzung des Rettungs- und Transportwesens und für die Durchführung von nur in Rettungsstellen vorgehaltenen diagnostischen Maßnahmen ist. In Bezug auf eine stationäre Aufnahme und die Durchführung von nur in Rettungsstellen vorgehaltenen therapeutischen Maßnahmen stellte sich ein aktueller Wohnort im ehemaligen Ostteil der Stadt Berlin als ein signifikanter negativer Prädiktor heraus. Die logistische Regressionsanalyse hat zudem ergeben, dass steigendes Alter und männliches Geschlecht jeweils signifikante positive Prädiktoren für eine stationäre Aufnahme, für einen Vorstellungszeitpunkt in der Rettungsstelle innerhalb der üblichen Praxisöffnungszeiten, für die Nutzung des Rettungs- und Transportwesens, für die Durchführung von nur in Rettungsstellen vorgehaltenen diagnostischen Maßnahmen und für die Durchführung von nur in Rettungsstellen vorgehaltenen therapeutischen Maßnahmen ist. Es zeigte sich insgesamt in weiten Teilen eine große Übereinstimmung zwischen den Beschwerden und Schmerzen der Patienten/innen und den dokumentierten Haupt- und Nebendiagnosen, wobei Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems und damit vergesellschaftete Herz- Kreislauf-Beschwerden sowie Thorax/Brustschmerzen erwartungsgemäß bei allen untersuchten Teilgruppen eine herausragende Bedeutung zukam. Auffällig waren die deutlich größere Bedeutung von Bauchschmerzen und Verdauungsbeschwerden bei Patienten/innen mit aktuellem Wohnort im ehemaligen Westteil der Stadt Berlin. Auch in Bezug auf das therapeutische Procedere zeigten sich deutliche Ost-West-Unterschiede: Während Patienten/innen mit aktuellem Wohnort im ehemaligen Ostteil der Stadt Berlin am häufigsten ambulant medikamentös behandelt wurden, war bei Patienten/innen mit aktuellem Wohnort im ehemaligen Westteil der Stadt Berlin eine stationäre Aufnahme die häufigste Therapiemaßnahme. Um die Angemessenheit der Inanspruchnahme beurteilen zu können, wurde ein Index aus folgenden vier Kriterien konzipiert: a.) Inanspruchnahme des Rettungs- und Transportwesens b.) stationäre Aufnahme c.) Durchführung von in Rettungsstellen vorgehaltenen diagnostischen Maßnahmen d.) Durchführung von in Rettungsstellen vorgehaltenen therapeutischen Maßnahmen. Eine Inanspruchnahme wurde als angemessen eingestuft, wenn mindestens drei der vier eben genannten Kriterien erfüllt wurden. Die multivariate Analyse der Angemessenheit der Inanspruchnahme mittels logistischer Regression zeigte, dass nur 33% der Patienten/innen der Studienpopulation die Kriterien einer angemessenen Inanspruchnahme erfüllten. Als signifikante Prädiktoren für eine angemessene Inanspruchnahme von Rettungsstellen erwiesen sich männliches Geschlecht, steigendes Alter sowie ein aktueller Wohnort im ehemaligen Ostteil der Stadt Berlin. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass sowohl geschlechts- und altersspezifische als auch Ost-West-spezifische Faktoren einen signifikanten Einfluss auf die Inanspruchnahme von Rettungsstellen und den dortigen Behandlungsprozess haben. Bei der Analyse zeigte sich, dass es keine große Übereinstimmung zwischen der Häufigkeit und der Angemessenheit der Inanspruchnahme von Rettungsstellen bei den untersuchten Teilgruppen gibt. Es ist davon auszugehen, dass Notfallambulanzen für einige Patienten/innen nicht die adäquate, ihren Bedürfnissen entsprechende Versorgungsinstanz darstellen. Da eine vollständige Umleitung dieser Patientengruppen in alternative Versorgungseinrichtungen nur schwer umsetzbar erscheint, sollte auch eine Modifizierung des Versorgungsanspruchs und der Selbstdefinition von Rettungsstellen mit einer Neustrukturierung im Sinne einer stärkeren Ausrichtung auf die Patientenbedürfnisse als möglicher Lösungsansatz in Erwägung gezogen werden.
An important aim of this study was to examine the utilization of emergency departments and to evaluate the appropriateness of the utilization under special consideration of sex, age and current place of residence in the former east part or west part of Berlin. The retrospective cross section study was realized between november 2006 and march 2007 in emergency departments (internal medicine and gynecology) of three clinics in Berlin. The administrative data and medical recordings on the first help notes were recorded for the duration of one calendar month. In order to be able to evaluate the appropriateness of the utilization of emergency departments, an index containing the following four parameters was conceived: a.) Use of the rescue/transportation service b.) hospital admission c.) Realization of diagnostic procedures only available in emergency departments d.) Realization of therapeutic procedures only available in emergency departments The utilization was classified as adequate if at least three of these parameters were fulfilled. The multivariate analysis proved that a current place of residence in the former east part of Berlin is a significant positive predictor for a consultation in the emergency department during the usual opening times in medical offices, for a duration of symptoms <24h up to visiting the emergency department, for the use of the rescue/transportation service and for the realization of diagnostic procedures only available in emergency departments. Concerning the hospital admission and the realization of therapeutic procedures only available in emergency departments a current place of residence in the former east part of Berlin turned out as a significant negative predictor. The multivariate analysis (logistic regression) showed that only 33% of the patients of the study population fulfilled the criteria of an adequate utilization. Male sex, increasing age as well as a current place of residence in the former east part of Berlin turned out to be significant positive predictors for an adequate utilization of emergency departments. There is no big correspondence between the frequency and the appropriateness of the utilization of emergency departments in this study population. It can be assumed that emergency departments do not represent an adequate health care institution for some patients. Therefore, a modification of the self-definition of emergency departments with a stronger adjustment on the needs of the patients has to be taken into consideration.