Um eine gesundheitliche Gefährdung für den Menschen abschätzen zu können, müssen Chemikalien und Pharmazeutika hinsichtlich potentieller embryo- und entwicklungstoxischer Effekte in tierexperimentellen Studien untersucht werden. Der Einsatz von alternativen Testmethoden ist aus ethischen, qualitativen, finanziellen und zeitlichen Gründen dringend erforderlich und wird international stark vorangetrieben. Durch teratogene Substanzen induzierte skelettale Anomalien werden sowohl im Menschen als auch in Versuchstieren häufig beobachtet und die Analyse der Knochenentwicklung ist ein integraler Bestandteil entwicklungstoxikologischer Studien. Ein in vitro Testsystem, das diesen Aspekt adressiert, könnte daher ein wertvoller Bestandteil einer modularen Testbatterie für Entwicklungstoxizität sein. Zurzeit existiert hierfür noch kein validierter Assay und erste Forschungsansätze verwendeten embryonale Stammzellen der Maus, was mit einer inadäquaten Prädiktivität aufgrund von Interspeziesdifferenzen einhergehen kann. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, die Grundlagen für ein in vitro Testsystem zur Erfassung von Entwicklungsknochentoxizität zu schaffen, das auf dem Einsatz von humanen embryonalen Zellen beruht. Als Zellmodell wurden aus humanen ES Zellen generierte mesenchymale Progenitoren (hES-MPs) gewählt, die bisher noch nicht für toxikologische Fragestellungen eingesetzt wurden. Initiale Arbeiten zur Etablierung der osteogenen Differenzierung dieser Zellen und zu ihrer Charakterisierung, insbesondere auf Genexpressionsebene, wurden bereits von der Gruppe um Karlsson et al. publiziert. Basierend auf diesen Daten wurden zunächst Experimente zur Evaluierung und Optimierung des Differenzierungsprotokolls in Bezug auf die Beschichtung, Zelleinsaat und Kombination an osteogenen Induktoren durchgeführt. Eine Beschichtung mit Gelatine, eine initiale Zelleinsaat von 10.000 Zellen/cm2 und eine Induktion mit Ascorbinsäure, ß-Glycerophosphat und Dexamethason oder 1α,25-Dihydroxyvitamin D3 unterstützte eine sehr gut reproduzierbare Differenzierung über einen Zeitraum von ca. drei Wochen. Anschließend erfolgte eine weitergehende Charakterisierung der osteogen differenzierenden hES-MPs hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs des Wachstums der Kulturen, der Biosynthese ausgewählter Proteinmarker und der Mineralisierung. Dies wurde mit Hilfe von zellbasierten und biochemischen Assays, histo- und immunzytochemischen Färbungen, Western-Blot, Durchflusszytometrie und Enzymaktivitätsmessungen durchgeführt. Undifferenzierte hES-MPs wiesen bereits eine prominente Bildung der frühen Transkriptionsfaktoren Dlx5 und Runx2 auf. Die osteogene Differenzierung war zu Beginn von einer hohen proliferativen Aktivität geprägt, gefolgt von einer sukzessiven Zellreifung mit einer ausgeprägten Zunahme der Produktion und Aktivität von Alkalischer Phosphatase (AP) und einer Abnahme von Runx2. Gleichzeitig erfolgte eine Reifung der extrazellulären Matrix über die Sezernierung und Akkumulation von Kollagen Typ I und Osteocalcin. Diese Prozesse bildeten die Basis für die nachfolgende Mineralisierung, die ab Tag 12–13 sukzessive zunahm. hES-MPs zeigen daher einen zeitlichen und qualitativen Verlauf der osteogenen Differenzierung, der den in der Literatur beschriebenen weitgehend reflektiert. Einige gewonnene Daten weisen allerdings darauf hin, dass hES-MPs in Ansätzen bereits eine Spezifizierung zu einem osteogenen Zelltyp durchlaufen haben. Darüber hinaus dienten diese Experimente der Identifizierung potentieller molekularer Marker für die Etablierung toxikologischer Endpunkte. Basierend darauf wurden durchflusszytometrische Methoden zur Quantifizierung von AP und Runx2 entwickelt, was auch ein Protokoll zur effizienten Zellvereinzelung der ossifizierten Kulturen umfasst. Die Mineralisierung, die mittels eines einfachen und schnellen Fluoreszenzassays quantifiziert wurde, erschien am geeignetsten als Differenzierungsendpunkt und wurde für die nachfolgenden Substanztestungen verwendet. Dafür wurden die differenzierenden hES-MPs für 15 Tage mit einer Auswahl an bekannten entwicklungstoxischen (Warfarin, Borsäure, Natriumvalproat, 5-Fluorouracil) und nicht-entwicklungstoxischen (Metoclopramid, Diphenhydramin, Penicillin G) Stoffen exponiert. Neben der Mineralisierung wurde die Zellviabilität zur Abgrenzung spezifischer von zytotoxischen Effekten erfasst. Mit Ausnahme des Proliferationshemmers 5-Fluorouracil inhibierten alle entwicklungstoxischen Substanzen die Mineralisierung signifikant stärker als die Viabilität, während die nicht- entwicklungstoxischen Stoffe keinen spezifischen Einfluss hatten. Sechs der sieben Testsubstanzen wurden daher entsprechend ihres in vivo Potentials korrekt erkannt. Dabei zeigte der hES-MP Assay für einige Stoffe eine bessere Prädiktivität als der klassische Embryonale Stammzelltest und osteogene in vitro Assays, die embryonale Stammzellen der Maus verwenden. Als ein weiterer Beitrag wurden Limitierungen des Assays bezüglich zytotoxischer Stoffkonzentrationen, proliferationsinhibierender Substanzen und Lösungsmittel identifiziert und zum Teil näher untersucht. Zudem ermöglichte eine Pilotstudie mit einem mRNA Microarray die Bestimmung von weiteren potentiellen Markern und von molekularen Angriffspunkten des Teratogens Natriumvalproat in hES-MPs. Der etablierte hES-MP Assay ist ein vielversprechender Ansatz für einen humanen in vitro Test zur Vorhersage von Entwicklungsknochentoxizität. Die Integration weiterer Endpunkte und Substanztestungen ist jedoch noch erforderlich. Zukünftig könnte dieser Test als ein Teil einer alternativen modularen Teststrategie zur Erfassung von Entwicklungstoxizität dienen.
To assess the hazard potential of chemicals and pharmaceuticals on human embryonic and infant development, animal experimentation is commonly conducted. The application of alternative test methods is urgently required not only due to ethical reasons, but also because these studies are costly, time-consuming and, more importantly, have a limited predictive capacity. Therefore, research regarding alternatives and their implementation is strongly promoted internationally. Skeletal anomalies resulting from exposure to a teratogen are frequently observed in humans as well as laboratory animals, and the analysis of bone development is an integral part of developmental toxicity studies. Thus, an in vitro test which addresses this issue could be a valuable part of a modular test battery for the detection of developmental toxicity. Until now, no validated assay exists for this purpose and preliminary research approaches focused on the use of mouse embryonic stem cells, which could entail an inadequate predictivity due to differences between species. Therefore, the aim of the present doctoral thesis was to build the basis for an in vitro test system to assess developmental bone toxicity which employs human embryonic cells. Mesenchymal progenitors which were derived from human embryonic stem cells (hES-MPs) were used as the cell model. These cells have not yet been applied in toxicological studies. Initial research regarding the establishment of the osteogenic differentiation of hES- MPs and their characterization, thereby focusing on gene expression, was previously published by the group of Karlsson et al. Based on the data obtained in these studies, first experiments of the present doctoral thesis addressed the evaluation and optimization of the differentiation protocol with respect to the coating, the initial cell number and the combination of osteogenic inducers. Coating with gelatine, cell numbers of 10,000 cells/cm2 and supplementation with ascorbic acid, ß-glycerophosphate and dexamethasone or 1α,25-dihydroxyvitamine D3 supported a highly reproducible differentiation over a period of three weeks. Subsequently, the osteogenic differentiation of hES-MPs was further characterized with respect to the temporal progression of culture growth, biosynthesis of selected protein markers and mineralization. This was done by applying cell-based and biochemical assays, histo- and immunocytochemical stainings, Western blotting, flow cytometry and enzyme activity measurements. Non-differentiating hES-MPs already exhibited a prominent production of the early transcription factors Dlx5 and Runx2. The osteogenic differentiation was characterized by a high proliferative activity at early stages, followed by a successive cell maturation which involved a strong increase in the protein formation and activity of alkaline phosphatase (AP) and a decrease in Runx2. At the same time, maturation of the extracellular matrix progressed by the secretion and accumulation of collagen type I and osteocalcin. These processes provided the basis for mineral deposition which substantially increased from day 12–13 onwards. Therefore, the temporal and qualitative progress of osteogenic differentiation of hES-MPs largely resembles those described in the literature. Some results also suggest that hES-MPs are already primed and committed toward the osteoblastic lineage to a certain extent. In addition, these characterization experiments were used to identify potential molecular markers for the establishment of toxicological endpoints. Based on the obtained results, methods for the quantification of AP and Runx2 via flow cytometry were developed which also includes a protocol for an efficient cell isolation out of an ossified matrix. Mineralization was quantified with an easy-to-use fluorescence-based assay and appeared to be the most suitable differentiation endpoint. Accordingly, it was used as read-out for subsequent compound testing experiments. Differentiating hES-MPs were exposed for 15 days toward selected developmental toxicants (warfarin, boric acid, sodium valproate, 5-fluorouracil) and non-developmental toxicants (metoclopramide, diphenhydramine, penicillin G). In addition to mineralization as differentiation endpoint, the cell viability was measured to determine general cytotoxicity. With the exception of the antiproliferative substance 5-fluorouracil, all developmental toxicants inhibited mineralization more specifically than cell viability. In contrast, non-developmental toxicants had no particular impact. Accordingly, the teratogenic potential of six of the seven test compounds was correctly predicted with regard to the corresponding in vivo data. Notably, the hES-MP assay exhibited a better predictive capacity for several substances than the classical Embryonic Stem Cell Test and osteogenic in vitro assays which use mouse embryonic stem cells. As an additional contribution, limitations of the assay relating to cytotoxic substance concentrations, proliferation-inhibiting compounds and solvents were identified and partly further investigated. Also, a pilot study using a mRNA microarray enabled the identification of additional potential markers and of molecular targets of sodium valproate in hES-MPs. The established hES-MP assay appears to be a promising approach for a human in vitro test to detect developmental bone toxicity. However, further research is required regarding the integration of additional endpoints and compound tests. In the future, this test could become a part of an alternative modular testing strategy to assess developmental toxicity.