Einführung: Die vorgelegte Arbeit hatte das Ziel, Indikatoren der Institutionalisierung psychisch Kranker in historischen Zeitreihen zu erfassen, zu denen auch die Zahlen der Strafgefangenen gezählt werden. Um weiter einschätzen zu können, inwieweit Gefangenenraten Indikatoren der Institutionalisierung von psychisch Kranken sind, sollte die Häufigkeit von psychischen Störungen und Suchterkrankungen bei strafgefangenen Frauen untersucht werden. Behandlungsvorgeschichten in der Psychiatrie bei den Strafgefangenen sollten weiteren Aufschluss über die Interdependenz von psychiatrischem Behandlungssystem und Strafvollzug geben. Methodik: Psychiatrische Bettenzahlen, Gefangenenraten, die Belegung im Maßregelvollzug und Plätze in betreuten Wohneinrichtungen wurden in historischen Zeitreihen getrennt für das frühere Ost- und Westdeutschland seit der politischen Wende zusammengetragen. Dazu wurden Ministerien und Behörden auf Bundes- und Länderebene kontaktiert. Weiterhin wurden 150 neuinhaftierte Frauen in der zentralen Aufnahmestelle des Frauenstrafvollzuges in Berlin mit dem Mini- International Neuropsychiatric Interview (MINI) und dem Borderline Modul des SKID-II interviewt. Prozentwerte und 95% Konfidenzintervalle (KI) wurden für die Häufigkeit von Psychischen Störungen und Suchterkrankungen errechnet angegeben. Soziodemographische Faktoren wurden erhoben. Frühere stationäre und ambulante Behandlungserfahrungen wurden mit Hilfe von strukturieren Fragen erhoben. Ergebnisse: In Ostdeutschland kam es nach der politischen Wende zu einem Abbau der allgemeinpsychiatrischen Betten um 61% sowie zu einem Rückgang der Gefangenenrate um 77%, so dass es innerhalb weniger Jahre zu einer Angleichung der Raten zwischen Ost- und Westdeutschland kam. In beiden Teilen Deutschlands wurden Kapazitäten im Maßregelvollzug, im betreuten Wohnen und in Rehabilitationseinrichtungen aufgebaut. In Westdeutschland sank die Zahl der psychiatrischen Betten zwischen 1989 Jahr 2003 um 40%. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Strafgefangenen um 33%. Nach 2003 wuchs die Zahl der Psychiatriebetten leicht, während die Zahl der Gefangenen sank. Die Untersuchung der inhaftierten Frauen zeigte, dass 62% eine Suchterkrankung hatten. Die meisten dieser Frauen (90%) hatten mindestens eine weitere psychische Störung, 68% hatten im Laufe des Lebens eine affektive Störung, 49% eine Borderline oder Antisoziale Persönlichkeitsstörung, 44% eine Angststörung. Der Großteil (66%) der Gefangenen hatte vor der Inhaftierung stationäre (53%) und/oder ambulante (41%) psychiatrische Behandlung gehabt. Schlussfolgerung: Eine Angleichung bezüglich der Art und Häufigkeit von Institutionalisierung vollzog sich zwischen Ost- und Westdeutschland innerhalb weniger Jahre nach der politischen Wende. Gegenläufige Entwicklung von Bettenzahlen in Psychiatrien und Gefangenenraten vor allem für Westdeutschland könnte für Transinstitutionalisierungsphänomene zwischen Strafvollzug und Psychiatrie sprechen. Inhaftierte Frauen weisen hohe Raten an psychischen Störungen auf. Insbesondere Frauen mit Suchterkrankungen hatten häufig komorbide psychische Störungen. Frauen im Strafvollzug hatten überraschend hohe Raten an stationär psychiatrischer Behandlungsvorgeschichte, was für eine hohe Interdependenz der beiden Systeme sprechen kann.
Introduction: The present work had the objective to show the development of indicators of institutionalization of mentally ill in historic time series. Further aim of the work was to determine the prevalence rates of substance use disorders and comorbid mental disorders in newly admitted women in the prison system. Treatment histories in psychiatry of prison inmates should yield further information on the interdependence of the psychiatric treatment system and penal justice system. Methods: Psychiatric bed numbers, prison populations, the occupation in the forensic system and number of people living in assisted housing facilities were collected in historical time series separately for the former East and West Germany since the political change of the year 1990. Ministries, public and private agencies were contacted on the federal and state level. Furthermore 150 newly admitted women were interviewed in the central receiving facility of the female prison system in Berlin using the Mini-International Neuropsychiatric Interview (MINI) and the Borderline module of the SCID-II. Percentages and 95% confidence intervals (CI) were calculated for the prevalence of mental disorders and substance use disorders. The frequency of former inpatient and outpatient treatment was assessed using structured questions. Results: In East Germany after the political change the general psychiatric beds were reduced by 61%. The prison population rate went down by 77%, so that it came to an alignment of rates between East and West Germany within a few years. In both parts of Germany capacities in the forensic system, in assisted housing and in rehabilitation facilities were built up. In West Germany the number of psychiatric beds decreased between 1989 and 2003 by 40%. During the same period, the number of prison inmates grew by 33%. After 2003 the number of psychiatric beds increased slightly, while the number of prisoners went down. The study of women in prison showed that 62% had any substance use disorder. Most of these women (90%) had at least one other mental disorder, 68% had any lifetime mood disorder, 49% had borderline or antisocial personality disorder, 44% any anxiety disorder. The majority (66%) of the prisoners had been in inpatient (53%) and/or outpatient (41%) psychiatric treatment before imprisonment. Conclusion: An approximation with regard to the nature and frequency of institutionalization took place between East and West Germany within a few years. Inverse trends of psychiatric bed numbers and prison population rates, especially for West Germany could speak for transinstitutionalization phenomena between the two institutions. Imprisoned women have high rates of mental disorders. In particular, women with substance use disorders often had comorbid mental disorders. A majority of the women committed to prison had been in psychiatric inpatient treatment, which supports the hypothesis of high interdependence between the two systems.