Einleitung: In den letzten Jahren nahm die öffentliche wie auch die ärztliche Sensibilisierung gegenüber dem Thema Gewalt gegen Kinder stetig zu. Die vorliegende Studie untersucht die Wahrnehmung von Berliner Kinder- und HausärztInnen bezüglich folgender Fragen: Wie viele Fälle von Kindesmisshandlung nehmen Haus- und KinderärztInnen in ihren Praxen wahr? Welche Gewaltformen sehen sie dabei überwiegend? Wie sicher fühlen sie sich beim Erkennen von Kindesmisshandlungen? Wie beurteilen sie ihre Zusammenarbeit mit Institutionen und ihren Informationsstand zu ihrer rechtlichen Situation? Methoden: Ein vierseitiger schriftlicher Fragebogen wurde an alle niedergelassenen Berliner KinderärztInnen (n = 311) und 13% der in Berlin niedergelassenen HausärztInnen (n = 315) verschickt. Die Auswahl der HausärztInnen erfolgte durch eine Zufallsstichprobe. Ergebnisse: Insgesamt beantworteten 40 % der KinderärztInnen (n = 123) und 20 % der HausärztInnen (n = 64) den Fragebogen. Von mindestens einem Fall von Kindesmisshandlung berichteten 83 % der KinderärztInnen gegenüber 53 % der HausärztInnen für das Jahr 2003. In beiden Arztgruppen überwog die Zahl der bemerkten emotionalen Misshandlungen vor Fällen von körperlicher Misshandlung, körperlicher Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch. Die ÄrztInnen berichteten von Unsicherheit beim Erkennen von Misshandlungsfällen und hinsichtlich ihrer rechtlichen Situation. Fehlende Rückmeldung durch Institutionen des Kinderschutzes und deren mangelnde Erreichbarkeit wurden als Hindernisse bei der Kooperation erlebt. Eine zentrale Telefonhotline mit individueller Beratung wurde als wichtige Verbesserungsmöglichkeit herausgestellt. Diskussion: Die Ergebnisse der Studie lassen den Schluss zu, dass Berliner Kinder- und HausärztInnen das Thema Kindesmisshandlung für ihre Tätigkeit als wichtig empfinden und in ihren Praxen mit verschiedenen Formen der Kindesmisshandlung konfrontiert sind. Psychische Misshandlungen wurden von den Befragten häufiger berichtet, als in internationaler Literatur bisher beschrieben wurde. Beim Erkennen von Misshandlung und bei der Zusammenarbeit mit Institutionen des Kinderschutzes sowie hinsichtlich der rechtlichen Situation bestehen Unsicherheiten, die angemessene Interventionsstrategien erforderlich machen.
Background: Public and medical awareness towards violence against children and adolescents has increased in recent years. The present study describes the experience of paediatric and general practitioners concerning the following questions: How many cases of child abuse were detected by paediatric and general practitioners in the year 2003? Which type of child abuse did they predominantly detect? Do they feel comfortable diagnosing child abuse? Do they perceive their knowledge about their legal situation as sufficient? How do they experience cooperation with child protection services? Methods: A questionnaire of four pages was sent to all paediatric practitioners (n = 311) and 13 % of general practitioners (n = 315) in Berlin. General Practitioners were selected at random. Results: 40 % of the paediatricians (n = 123) and 20 % of the general practitioners (n = 64) responded to the questionnaire. 83 % of the paediatricians and 53 % of the general practitioners had seen at least one case of child abuse in the year 2003. Suspected emotional abuse was reported most frequently from both groups, followed by physical abuse, physical neglect and sexual abuse. Physicians described problems regarding the diagnosis of child abuse and felt insecure about their legal situation. Little feedback by child protection services and difficulties getting in touch with them were seen as major obstacles for cooperation. Physicians proposed the implementation of a central telephone hotline with individual advice to improve the care of abused children. Discussion: The results indicate the importance of child abuse in primary care. Emotional abuse was reported more frequently than so far described in the literature. Adequate interventions seem to be necessary to support physicians diagnosing child abuse and improving their knowledge concerning their legal situation and possibilities of cooperation.