Ziel des Teilprojekts 04 der Forschungsgruppe Diskursivierungen von Neuem ist es zu zeigen, dass es in der italienischen Kunstliteratur der Frühen Neuzeit plurale Denk- und Argumentationsfiguren für ‚das Neue‘ und die Relationierung von Vergangenheit und Gegenwart in den Künsten gab, die in ihrer Diversität bislang erst in Ansätzen wahrgenommen wurden. Während bezüglich der Konstruktion des Vergangenen und der auf ihr basierenden Entwürfe des Gegenwärtigen in der Forschung Giorgio Vasaris Kunstgeschichtskonstrukt große Aufmerksamkeit erhielt, das die Entwicklung ‚der Kunst‘ vom ausgehenden Mittelalter bis zur Hochrenaissance auf der Basis normativ gesetzter Kategorien als lineare Fortschrittsgeschichte bestimmt hat, geht es in diesem Projekt um die zeitgenössischen Antworten darauf, d.h. im Prinzip um die historische Dekonstruktion des progressiven Geschichtsmodells Vasaris in der venezianischen Kunsttheorie. Wie im vorliegenden Working Paper ausgeführt wird, betreibt diese im 16. Jahrhundert besonders reflektiert Lodovico Dolce in seinem Dialogo della pittura von 1557. Er setzt explizit die Pluralität, Relativität und Subjektivität im Urteil gegen den emphatischen Wahrheitsanspruch Vasaris. Indem er darüber hinaus das diskursive Potential der Gattung des Dialogs kalkuliert gegen die lineare und monologische Argumentation Vasaris in der Gattung des Traktats ausspielt, führt er die Vielfalt der künstlerischen Möglichkeiten wie auch des ‚Neuen‘ den Leser*innen regelrecht vor Augen.