Die Bedeutung der sozialen Lernumwelt für die Motivation und das emotionale Erleben von Schülerinnen und Schüler rückte in der vergangenen pädagogisch- psychologischen Forschung immer häufiger in den Blick, wobei positive Effekte beobachtet werden konnten, wenn Lernende in förderliche Peer-Beziehungen eingebunden waren. Unklar blieb bislang, ob Schüler/innen in für das Weiterlernen kritischen Situationen von ihren Beziehungen zu anderen Peers profitieren können, zum Beispiel wenn Schüler/innen Fehler machen oder im Unterricht mit ihren eigenen Fehlern konfrontiert sind. Neben individuellen Faktoren, wie beispielsweise allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartungen, könnten die innerhalb der Schulklasse etablierten sozialen Netzwerke eine besondere Form der Unterstützung gewähren und sich förderlich auf die Motivation und das emotionale Erleben von Lernenden in unterrichtlichen Fehlersituationen auswirken. Der Einsatz von Maßnahmen oder Interventionen, welche eine Verdichtung schulischer Peer-Netzwerke bzw. eine gute Einbindung in schulische Peer-Beziehungen ermöglichen, wäre demzufolge wünschenswert. Schulen stellen zentrale Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Peer- Beziehungen im Klassenzimmer bereit. Mit der Implementation musisch- ästhetischer Bildungsangebote in das Schulcurriculum werden nicht nur Gelegenheitsräume für eine kreative Zusammenarbeit von Lernenden geschaffen, sondern auch Möglichkeiten zur Anbahnung und Festigung schulischer Peer- Beziehungen eröffnet. Aufgrund einer noch recht dünnen empirischen Befundlage in diesem Bereich blieb bislang jedoch offen, ob solche Interventionsprojekte tatsächlich eine bessere soziale Integration in die Schulklasse bewirken, ob bestimmte Schülergruppen im unterschiedlichen Maße profitieren (z.B. Jungen) und welche Rahmenbedingungen (z.B. Projektdauer) diesbezüglich vorhanden sein sollten. In dieser Arbeit konnten Schüler/innen der fünften bis neunten Jahrgangsstufe anhand von soziometrischen Nominierungsverfahren zu ihren affektiven und instrumentellen Peer-Beziehungen befragt werden. Methoden der sozialen Netzwerkanalyse wurden genutzt, um die Angaben aller Schüler/innen einer Klasse miteinander zu kombinieren und Peer-Beziehungen auf Individual- und Klassenebene zu operationalisieren. Peer-Beziehungen dienten (a) im Kontext unterrichtlicher Fehlersituationen als Prädiktoren für die Vorhersage selbstberichteter Motivation (Fehlerlernorientierung) und des emotionalen Erlebens (Fehlerangst) und wurden (b) im Rahmen eines musisch-ästhetischen Interventionsprojekts hinsichtlich ihrer Dynamik und in ihrer Vorhersagekraft für das von Lernenden berichtete Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Schulklasse untersucht. Anhand einer Schülerstichprobe der fünften und sechsten Jahrgangsstufe (N = 421) lieferte die erste Studie (Kreutzmann, Zander & Hannover, 2014) zunächst empirische Belege dafür, dass der konstruktive Umgang mit Fehlern auf Schülerebene durch zwei voneinander unabhängige Dimensionen charakterisiert ist: die kognitiv-motivationale Dimension Fehlerlernorientierung beschreibt einerseits die aktive Hinwendung zu den eigenen Fehlern und die damit verbundene Überzeugung aus Fehlern lernen zu können, während die affektive Dimension Fehlerangst Besorgnis und Aufgeregtheit in (antizipierten) Fehlersituationen kennzeichnet. Fehlerlernorientierung und Fehlerangst korrelierten moderat und in erwarteter Richtung mit inhaltlich verwandten Konstrukten wie motivationalen Zielorientierungen und zeigten sich auch prädiktiv für weitere lernrelevante Merkmale. So ging eine hohe Fehlerlernorientierung auch bei Kontrolle von Zielorientierungen und des individuellen Leistungsniveaus mit einer erhöhten schulischen Selbstwirksamkeitserwartung, Anstrengungsbereitschaft und Lernfreude einher; Fehlerangst erwies sich als negativer Prädiktor schulischer Selbstwirksamkeit. Darauf aufbauend konnte in der zweiten Studie (Zander, Kreutzmann & Wolter, 2014) anhand des gleichen Datensatzes (N = 448) überprüft werden, inwieweit beide Dimensionen des konstruktiven Umgangs mit Fehlern durch schulische Zusammenarbeitsbeziehungen vorhergesagt werden. Hierfür wurde über soziometrische Methoden sowohl die individuelle Einbindung in wechselseitige Zusammenarbeitsbeziehungen (Zentralität, Merkmal auf Individualebene) als auch die Dichte aller in der Schulklasse realisierten Beziehungen auf Basis schulischer Zusammenarbeit (Netzwerkdichte, Merkmal auf Klassenebene) erfasst. Schüler/innen berichteten dann weniger Fehlerangst, wenn sie in eine Vielzahl wechselseitiger Zusammenarbeitsbeziehungen eingebunden waren und auch bei einer hohen Dichte von Zusammenarbeitsbeziehungen innerhalb der Gesamtklasse – allerdings galt dies nur bei einer gleichzeitig hohen Ausprägung allgemeiner Selbstwirksamkeitserwartungen. Fehlerlernorientierung war wiederum sowohl von einer zentralen Einbindung in wechselseitige Zusammenarbeitsbeziehungen als auch von einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung abhängig. Die Netzwerkdichte hatte keinen Effekt auf die Ausprägung von Fehlerlernorientierung. Die dritte Studie (Zander, Kreutzmann, West, Mettke & Hannover, 2014) nutzte ein quasi- experimentelles Prä-Post-Design mit einer unbehandelten Kontrollgruppe um Effekte eines im Klassenverband stattfindenden musisch-ästhetischen Bildungsangebots mit dem Schwerpunkt Tanz in Bezug auf die Entwicklung schulischer Peer-Beziehungen zu untersuchen. Im Rahmen einer soziometrischen Befragung wurden Schüler/innen der fünften bis neunten Jahrgangsstufe (N = 421) dazu befragt, wen aus ihrer Klasse sie gut finden und mit wem sie gern zusammenarbeiten. Jungen der Interventionsgruppe profitierten insofern von dem Interventionsprojekt, als dass sie nach Interventionsende über signifikant mehr wechselseitige Zusammenarbeitsbeziehungen verfügten. Wie nachgeschaltete Analysen aufzeigten, führte die Intervention, welche sich durch ein hohes Maß an schülerzentrierten Aktivitäten in geschlechtergemischten Gruppen und einer kooperativen Zielstruktur auszeichnete, in den teilnehmenden Schulklassen zu einer Abnahme der Geschlechtersegregation. Demnach kam die bessere Einbindung in schulische Zusammenarbeitsbeziehungen auf Seiten der Jungen insbesondere dadurch zustande, dass Jungen in Folge der Intervention mehr Mädchen als Partnerinnen für die schulische Zusammenarbeit gewinnen konnten. In der vierten Studie (Kreutzmann, Zander & Webster, in press) wurde weiterführend getestet, inwieweit sich Effekte eines musisch-ästhetischen Interventionsprojekts auf die Peer-Strukturen in der Klasse auch im subjektiven Erleben der Lernenden wiederspiegeln. Längsschnittliche Mediationsanalysen lieferten Belege dafür, dass Schüler/innen dann ein verstärktes Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Schulklasse berichteten, wenn sie durch die Intervention einen Anstieg an Nominierungen auf Basis von Sympathie erfuhren. Ein höheres Zugehörigkeitsgefühl wurde ebenfalls bekundet, wenn Lernende vom Prä- zu Posttest selbst mehr Mitschüler/innen hinzugewannen, die sie mögen. Diese Effekte waren jedoch nur bei Schüler/innen beobachtbar, die ein gesamtes Schuljahr (im Vergleich zu einem Schulhalbjahr) an der Intervention teilnahmen. Zusammengefasst verdeutlichen die vorliegenden Studienergebnisse mit der Einbindung in schulische Peer-Beziehungen und dichten Peer-Netzwerken einhergehende Vorteile für motivationale und emotionale Prozesse in unterrichtlichen Fehlersituationen. Des Weiteren konnten in dieser Arbeit schulklassenbezogene, musisch-ästhetische Bildungsangebote als bedeutsame Gelegenheitsräume identifiziert werden, die förderlich für die Entwicklung und Intensivierung von Peer-Beziehungen sind und das Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Schulklasse stärken. Verfahren der sozialen Netzwerkanalyse erwiesen sich im Rahmen dieser Arbeit in vielerlei Hinsicht als gewinnbringend für die Erfassung und Analyse von Peer-Beziehungen und Peer-Netzwerken im Klassenzimmer. Methodische Limitation der durchgeführten Studien sowie daraus resultierende Implikationen für die weitere Forschung und Praxis werden im Schlussteil dieser Arbeit diskutiert.
In recent years pedagogical-psychological research has focused increasingly on the role of social learning environments: researchers have observed positive effects on motivation, school-related emotional experiences and academic development among students who are embedded in positive and supportive peer relations. Yet it has remained unclear whether students benefit from peer relations in situations that are critical for further learning: for example, in dealing with mistakes they have made in class. Alongside other factors such as general expectations of self-efficacy, social networks within classrooms could provide a particular form of support, improving students’ motivation and emotional experiences in scholastic error situations. The provision of suitable interventions, enabling peers to form strong relationships, would therefore be desirable. Schools provide the central framework for the initiation and development of peer relationships in the classroom. Art education programs in the school curriculum not only facilitate mutual creative collaboration; they can also promote the formation of strong peer relationships in the classroom. However, due to sparse empirical findings in this field, it has remained an open question whether such intervention projects actually result in better social integration in the classroom, whether groups of students benefit differently (e.g. according to gender), and under which conditions students benefit most (e.g. program duration). In this thesis, students from grades five to nine have been interviewed for their affective and instrumental peer relationships based on sociometric nomination procedures. Methods of social network analysis were used to combine the data of all students in a classroom and to operationalize peer relationships on both the individual and classroom level. Peer relations were studied (a) as predictors for students’ self-reported motivation (positive learning orientation towards mistakes) and emotional experiences (fear of making mistakes) in scholastic error situations and (b) in their dynamics and predictive value for student’s sense of belonging to their class within the scope of an art education program. Based on a student sample of fifth and sixth graders (N = 421) a first study (Kreutzmann, Zander & Hannover, 2014) initially yielded empirical evidence that students’ constructive handling of mistakes is characterized by two independent dimensions. The cognitive- motivational dimension positive learning orientation towards mistakes describes an active handling of mistakes and the related belief that one can learn from one’s mistakes, while the affective dimension fear of making mistakes deals with the concerns and anxiety that arise in (anticipated) error situations. As predicted, positive learning orientations towards mistakes and fear of making mistakes were moderately correlated with similar psychological constructs such as motivational goal orientations, and were also predictive of other learning-related characteristics. After controlling for academic performance, learning and performance goals, a high positive learning orientation towards mistakes was associated with increased academic self- efficacy, investment of effort, and enjoyment of learning; fear of making mistakes turned out to be a negative predictor of academic self-efficacy. Based on this, the same dataset (N = 448) was used in a second study (Zander, Kreutzmann & Wolter, 2014), examining to what extent both dimensions of constructive handling of mistakes were predicted by collaborative relations with other classmates. For this purpose, students’ individual embeddedness in reciprocal collaborative relations (centrality, individual level variable) and the overall structure of collaborative peer relations in the classroom (network density, classroom level variable) were assessed using sociometric methods. Students reported a lower fear of making mistakes when they were embedded in a variety of reciprocal collaborative relations and also in classrooms with a high density of collaborative relations within the class as a whole – but this was only to the extent that students also reported a high level of general self-efficacy beliefs. A positive learning orientation towards mistakes was dependent on both a central embededdness in reciprocal collaborative relations as well as high self-efficacy. Network density had no effect on students learning orientation towards mistakes. The third study (Zander, Kreutzmann, West, Mettke, West & Hannover, 2014) used a quasi- experimental pre-post design with an untreated control group to examine the effects of a classroom-based art education program with a focus on dance on the development of peer relations. In a sociometric assessment students from grades five to nine (N = 421) were asked whom in their class they liked and with whom they liked to work with. Boys benefited most from the intervention project, as they established significantly more reciprocal collaborative relations at post-test. Supplementary analyses revealed that the intervention, which was characterized by a high degree of student-centered activities in mixed-sex groups and a cooperative goal structure, helped to decrease gender segregation in participating classrooms: boys’ better integration into reciprocal collaborative relations was due particularly to the fact that they chose more girls as collaboration partners at post-test. A fourth study (Kreutzmann, Zander & Webster, in press) tested to what extent the effects of art education programs on peer structures in the classroom are reflected in students’ subjective experiences. Longitudinal mediation analyses provided evidence that intervention students reported increases in their sense of belonging to their class, if they experienced an increase in liking nominations from other peers from pre- to post-test. Students also reported an increased sense of belonging if they found themselves liking more other classmates from pre- to posttest. These effects, however, were more observable within students participating in the intervention for one year (compared with students’ participating half year). In summary, the study results of this thesis highlight the advantages for motivational and emotional processes in scholastic error situations if students were embedded into peer relationships and dense peer networks. Furthermore classroom-based art education programs were identified as significant opportunies to help students to develop and intensify peer relationships, and to foster students’ subjective sense of social belonging. The social network approach has been shown to bring numerous advantages for the assessment and analysis of peer relationships and peer networks in the classroom. The methodological limitations of the conducted studies and resulting implications for further research and practice are discussed in the final part of this thesis.