Das vorliegende Working Paper untersucht transhistorische Filiationen aktualitätsepischen Schreibens von der Antike bis in die Frühe Neuzeit. Ausgehend von purifizierend vereinfachenden Grundannahmen der Moderne, die das Epos allein auf ideologiestabilisierende Narrative einer mythhistorischen Vorzeit beschränken (z.B. Bachtin), sollen hier zum einen die seit der Antike bestehende und in ihrer Quantität bedeutsame Tradition von zeithistorischer Epik und zum anderen anhand ausgewählter Epen, insbesondere aus dem italienischen Quattrocento und der französischen Renaissance, die zuweilen sehr produktive Spannung zwischen ‚alter‘ literarischer Gattung und ‚neuem‘ historischen Stoff aufgezeigt werden. Das Working Paper erweitert damit die Perspektive des Teilprojekts 03 („Die Pistole des Mars“) im Hinblick auf andere zeitliche und räumliche Kontexte. Die exemplarischen Studien sollen zeigen, dass der Rekurs auf die epische(n) Gattungstradition(en) keineswegs einheitlich ist, sondern äußerst heterogen ausfällt. Neben dem vergilischen Paradigma eines herrschaftspanegyrischen, teleologischen Großnarrativs mit einer theologisch-heilsgeschichtlichen Komponente (Tito Strozzi, Borsias), lässt sich ebenso aufgrund des zunehmenden Interesses an der griechischen Literatur im 15. Jahrhundert eine Homerisierung der Epik feststellen (Basinio da Parma, Hesperis). Die Epik Frankreichs rezipiert zudem die Ritterstoffe des Mittelalters und koppelt diese mit den antiken Mustern (Sébastien Garnier, Henriade). Schließlich bildet die Bürgerkriegsepik Lucans einen virulenten Bezugspunkt in der Verarbeitung des französischen Konfessionskonflikts (Paulus Thomas, Lutetias).