Die Freie Universität Berlin hat dem Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Essayist Claudio Magris am 11. Mai 2017 die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften verliehen. Die Ansprachen, Laudatio und Dankesrede sowie die Beiträge eines am 12. Mai 2017 in Anwesenheit des Laureaten abgehaltenen Studientags bilden den ersten Band der Schriften des Italienzentrums der Freien Universität Berlin. Das viel beachtete Werk von Claudio Magris wurde bisher aus einer Reihe von wissenschaftlichen Perspektiven untersucht. Unter anderem hat man sich mit der Bedeutung von Orten und Örtlichkeiten in den Texten von Magris befasst, mit der politisch-historischen Dimension seines Schreibens (etwa der Bedeutung des Konzepts ‚Mitteleuropa‘) oder mit der Problematik von Übersetzen und Übersetzung im Horizont seines Schaffens. Ein Aspekt ist dabei weitgehend vernachlässigt worden: die Frage nach der Literarizität von Magris‘ Texten. Sie betrifft zunächst insbesondere die in einem engeren Sinn ‚literarischen‘ Publikationen des Autors, also etwa die Erzählungen Illazioni su una sciabola (1984) und Un altro mare (1991), die Romane Alla cieca (2005) und Non luogo a procedere (2015), Theaterstücke wie Stadelmann (1988) oder einen Text wie Le voci (1994), den die Kritik unter anderem als Theatermonolog, Radiodramma, aber auch als Erzählung bezeichnet hat. Im weiteren Sinne geht es bei dieser Frage aber auch um eine Reihe anderer Texte von Magris, darunter den viel berufenen Bestseller Danubio (1986). Die Literarizität all solcher Texte zu untersuchen impliziert mehrere Problemstellungen, darunter Fragen wie diese: Lassen sich bestimmte literarische Gattungstraditionen identifizieren, auf die sich die literarischen Dimensionen von Magris‘ Produktion beziehen? Wie sind überhaupt – angesichts der sehr schwankenden genremäßigen Einordnungen von Magris‘ Büchern im Allgemeinen – Gattungszuordnungen seiner literarischen Texte möglich? In welchem Verhältnis stehen in ihnen Fiktionalität und Faktualität? Unterscheiden sich Magris‘ in einem engeren Sinn literarische Texte hinsichtlich ihrer Weltzugewandtheit und ihrem ethischen Engagement von anderen Bereichen seines Schaffens? Wie lässt sich die stilistische Faktur von Magris‘ Literatur charakterisieren und in ihrer Funktionalität beschreiben? Gibt es formale, ggf. über den Einzeltext hinausgehende, Charakteristika und Konstanten einer spezifisch Magrisschen Literarizität?