Die vorliegende Studie hat sich mit den vielfältigen Facetten des digitalen Wandels und dessen Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit befasst. Sie hat dabei vor allem die Funktionsfähigkeit kritischer Infrastruktursysteme in den Mittelpunkt gerückt und die Frage diskutiert, wie Individuen und Organisationen mit den Unsicherheiten und Risiken umgehen, die sich aus dem digitalen Wandel und dem Mitwirken autonomer Technik ergeben. Dabei standen die Digitalisierung des privaten und des beruflichen Alltags (Kapitel 2) sowie das Risikomanagement in Organisationen, die kritische Infrastruktursysteme betreiben (Kapitel 3) im Mittelpunkt. Daneben wurde die Frage diskutiert, wie eine nachhaltige Transformation kritischer Infrastruktursysteme aussehen könnte (Kapitel 4) und welche Möglichkeiten der operativen Steuerung, aber auch der politischen Regulierung sich in der Echtzeitgesellschaft eröffnen (Kapitel 5). Um die Auswirkungen der Digitalisierung auf die öffentliche Sicherheit zu bewerten, wurden in allen Kapiteln die Ergebnisse empirischer Studien herangezogen, und zwar sowohl Fallstudien und Befragungen als auch Simulationsexperimente, die mit agentenbasierten Modellen durchgeführt wurden und die einzige Methode darstellen, mit deren Hilfe man einen Blick in die Zukunft werfen kann. Eine Auswirkung der Digitalisierung besteht in der enormen Beschleunigung und Verdichtung sämtlicher Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft. Gestützt auf eine große Menge verfügbare Daten, finden viele Prozesse, die früher Stunden oder Tage gedauert haben, nunmehr in Echtzeit statt. Damit verschwimmen die Grenzen von Planung und Handlung; denn es ist nunmehr möglich, ad hoc zu planen und mehrere Prozesse parallel stattfinden zu lassen, statt sie – wie früher – sequenziell nacheinander abzuarbeiten Mit der umfassenden Datafizierung greift eine Logik der Kontrolle um sich, die ursprünglich aus dem Bereich Militär und Logistik stammt, nun aber in andere Bereiche wie Arbeit und Produktion, Transport und Verkehr, aber auch Gesundheit und Freizeit transferiert wird. Sämtliche Prozesse werden nun digital erfasst und können vermessen und mit Blick auf Optimierungsmöglichkeiten bewertet werden. Die Digitalisierung der Welt ist Teil einer Sicherheitsstrategie, die Unsicherheiten zu bewältigen und Risiken durch Kontrolle und Überwachung zu vermeiden versucht, damit aber zugleich auch Spielräume einengt, die einerseits eine Ressource für flexibles Handeln sind, andererseits aber auch Freiheiten beinhalten, die durch datengetriebene Prozesse tendenziell eingeschränkt werden. Die prekäre Balance von Autonomie und Kontrolle, die Teil unserer freiheitlichen Gesellschaft ist, droht so aus dem Gleichgewicht zu geraten. Ein wesentlicher Teil des Diskurses über die Risiken der Digitalisierung dreht sich um Fragen des Datenmissbrauchs und des Schutzes der Privatsphäre. So wichtig dieser Diskurs ist und so dringlich Lösungen für die anstehenden Probleme gefunden werden müssen, so wichtig ist es aber auch, den Blick auf die neuartigen Möglichkeiten der Echtzeit- Steuerung komplexer sozio-technischer Systeme zu werfen. Hier liegt ein gewaltiges Potenzial, das sich mit der Digitalisierung und Vernetzung der Prozesse in komplexen Systemen ergibt. Die Echtzeit-Steuerung verknüpft Elemente der zentralen Planung der dezentralen Selbstkoordination; sie findet in der Praxis bereits Anwendung (beispielsweise im Bereich Verkehrsteuerung), während das theoretische Verständnis dieses neuen Governance-Modus noch kaum entwickelt ist. Auch die Frage, wie eine intelligente politische Steuerung der Echtzeitgesellschaft aussehen könnte, ist noch weitgehend ungeklärt. Die Rolle des Staates besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Funktionsfähigkeit kritischer Infrastruktursysteme aufrechterhalten wird. Aber er kann dies nicht mehr mit klassischen obrigkeitsstaatlichen Instrumenten tun, sondern er muss neue Formen einer intelligenten Steuerung und Regulierung entwickeln, die der Komplexität der Echtzeitgesellschaft gerecht werden.