Grundlage der Interaktionen zwischen dem anästhesiologischen Management, dem operativen Eingriff und den postoperativen Komplikationen bildet die protektive Immunreaktivität, die abhängig ist von einer adäquaten T-Zellreaktivität, einer intakten Makrophagen/Monozyten-T-Zellinteraktion sowie einer angemessenen Zytokinbalance. Die durch den operativen Eingriff bedingte Veränderung des Interaktionsgleichgewichtes dieses komplexen Regulationssystems verursacht ein konsekutives Ungleichgewicht der Immunreaktivität in der unmittelbar postoperativen Phase. Grundsätzlich gilt als gesichert, dass eine prolongiert veränderte Immunreaktivität im Sinne eines Ungleichgewichtes unmittelbar vor bzw. nach großen operativen Eingriffen ein erhöhtes Risiko für postoperative Infektionen hat. In einer Übersichtsarbeit zeigt sich vor dem Hintergrund der bisher publizierten Datenlage, dass sich präoperativ das Th1/Th2 Verhältnis und postoperativ die Zytokine IL-6, IL-10 sowie das IL-6/IL-10 Verhältnis besonders eignen, um die Veränderungen der Immunreaktivität abzubilden. Im Folgenden ergaben sich hinsichtlich der Immunreaktivität und der Entwicklung postoperativer Infektionen in Bezug auf die intraoperative Narkoseführung zwei Fragestellungen: 1\. Sind die prädiktiven Marker der Immunreaktivität geeignet, um die Progression einer Infektion vorherzusagen und somit Hochrisikopatienten zu identifizieren? 2\. Inwieweit hat die Narkoseführung intraoperativ durch die Anästhetika (Propofol, Isofluran), die Analgetika (die Opioide Remifentanil und Fentanyl) und das Sympathikolytikum (alpha2 Agonist Clonidin) einen Einfluss auf die Immunreaktivität und die postoperative Infektionsrate? In der Untersuchung zum ersten Teil der Fragestellungen wurden Patienten nach großen chirurgischen Eingriffen eingeschlossen, die im postoperativen Verlauf eine frühe nosokomiale Pneumonie entwickelten. In den drei Untersuchungen zum zweiten Teil der Fragestellung wählten wir zwei verschiedene operative Eingriffe: die elektive Tumorresektionen und die elektive aortokoronare Venenbypass-Operation unter Verwendung der Herz- Lungenmaschine. Es erfolgten in allen vier Untersuchungen Blutentnahmen zu bestimmten Messzeitpunkten, um Parameter der neuroendokrinen Stressachse und der Immunreaktivität unmittelbar postoperativ zu bestimmen: • neuroendokrine Stressachse: Cortisol- und ACTH Plasmaspiegel • IFNγ- und IL-4-Sekretionen der CD4+- und CD8+-Lymphozyten, das TH1/TH2- und Tc1/Tc2 Verhältnis mittels FACS- Scan • IFN-γ und IL-10 Sekretion nach Concanavalin A Stimulation (Th1/Th2 -Verhältnis) im Vollblut • Plasmazytokinbestimmung (TNF-α, Il-1ß, IL-6, IL-8, IL-10, IL-6/IL-10 Verhältnis)mittels ELISA • SOCS-3 Proteinbestimmung mittels real-time PCR In der Untersuchung zum ersten Teil der Fragestellung stellten wir fest, dass die prädiktiven Marker IL-6, IL-8 und IL-10 zum Diagnosezeitpunkt einer Hospital erworbenen Pneumonie in der frühen postoperativen Phase geeignet sind, die Progression einer Infektion vorherzusagen. Das bedeutet, dass eine Infektion, als zweiter Stimulus nach einem operativen Eingriff, bei bestimmten Patientenkollektiven zu einer unkontrollierten Zytokinausschüttung führt, die per se durch Gegenregulation zu einer Immunsuppression führen und damit mit einer Progression der Infektion zum septischen Schock assoziiert sein kann. Die Entwicklung einer postoperativen Immunsuppression ist aufgrund der hohen Letalität einer Hospital erworbenen Pneumonie nach grossen chirurgischen Eingriffen klinisch relevant. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, Hochrisikopatienten im Hinblick auf die Progression einer Infektion rechtzeitig zu erkennen und möglicherweise therapeutische Strategien zu beginnen, um eine weitere Progression zu verhindern. Dies kann aber in der vorliegenden Untersuchung nicht abgeschätzt werden und sollte Gegenstand zukünftiger Studien sein. In den Untersuchungen zum zweiten Teil der Fragestellungen konnten wir nachweisen, dass Anästhestika, Analgetika und ein Sympathikolytikum Einfluss auf die Immunreaktivität nach einem operativen Eingriff nehmen. Eine Inhalationsanästhesie mit Isofluran bei elektiven Tumorresektion des oberen Aerodigestivtraktes hatte ein supprimiertes IL-6/IL-10 Verhältnis am ersten postoperativen Tag und eine signifikant erhöhte postoperative Infektionsrate im Vergleich zu einer intravenösen Anästhesie mit Propofol zur Folge. In einer weiteren Untersuchung war unter einer Fentanyl-basierten Anästhesie eine prolongiert aktivierte Immunreaktivität bis zum zweiten postoperativen Tag nachweisbar. Erstmalig konnte unter Fentanyl auch eine verlängerte intensivstationäre Behandlungsdauer festgestellt werden, aber kein Gruppenunterschied hinsichtlich der postoperativen Infektionsrate. Allerdings handelte es sich bei den Patienten um ein Kollektiv mit sehr guter Ejektionsfraktion, so dass deren Immunsystem präoperativ nicht als supprimiert zu betrachten war. Wir konnten in einer weiteren Untersuchung erstmalig für Clonidin eine unveränderte perioperative T-zellspezifische Immunreaktivität nachweisen. Diese konstante Immunreaktivität hat wahrscheinlich zur Folge, dass keine sekundären immunsuppressiven Effekte auftraten. Da die Patienten in dieser Studie aus einem Kollektiv kommen, die per se eine sehr gute postoperative Prognose haben, wird vermutet, dass sich kein Einfluss auf das Outcome feststellen ließ. Im Rahmen eines SIRS nach großen operativen Eingriffen erweist sich Remifentanil vorteilhaft hinsichtlich einer stärkeren Abschwächung der übermäßig aktivierten Immunreaktivität unmittelbar postoperativ im Vergleich zu Fentanyl. Dies gilt auch für die Verwendung der Inhalationsanästhetika. Die additive Gabe von Clonidin kann sich bei großen operativen Eingriffen über eine Reduktion des Sympathikotonus günstig auf die Balance der Immunreaktivität unmittelbar postoperativ auswirken. Besondere Beachtung gilt Patientenkollektiven, die bereits präoperativ eine veränderte Immunreaktivität (z. B. Tumorerkrankungen und chronische alkoholkranke Patienten) aufweisen. Diese Patienten profitieren von einer Anästhesie mit Propofol und Clonidin hinsichtlich der Balance der Immunreaktivität unmittelbar postoperativ. Die Verwendung von Inhalationsanästhetika sowie langwirksame Opioide wie Fentanyl sollten bei diesen Patienten nach Möglichkeit nicht verwendet werden.
Innate and acquired immunity play a pivotal role in the host defense response. Surgical stress, pain and tissue injury are known to modulate complex immune responses in patients undergoing major surgery, which can lead to subsequent increased susceptibility to postoperative infections. Anesthetics may influence the immune response indirectly through modulation of the neurohumoral response or directly by acting on immune competent cells. In particular, cell-mediated immune balance seems to be affected by anesthetics and this might account for anesthetic-dependent risk of postoperative infections. Recent publications underlined that a suppressed Th1/Th2 ratio preoperatively as well as a suppressed IL-6/IL-10 ratio in the immediate postoperative period are predictive parameters for the development of postoperative infections in patients undergoing major surgery. In addition at the onset of Hospital-acquired pneumonia, a significant systemic cytokine mediated response had already been initiated. Therefore it might be possible to identify patients at risk for septic shock with these predictive parameters during early pneumonia. Inhalational anesthesia with isoflurane caused a suppressed IL-6/IL-10 ratio in the postoperative period in patients undergoing major tumor resection of the upper aerodigestive tract cmpared to propofol. This means, that perioperative immune balance is better maintained with propofol compared to inhalational anesthesia in patients undergoing major surgery. The opioid remifentanil can attenuate the inflammatory response to cardiopulmonary bypass surgery when used as a part of a balanced anesthetic technique with sevoflurane compared to fentanyl-based anesthesia. The overall intensive care unit stay was significant shorter in patients receiving remifentanil compared to fentanyl. Clonidine caused a significant lower Th17Th2 ratio six hours postoperatively compared to the placebo-group after cardiac surgery with the use of cardiopulmonary bypass. A possible explanation might be that clonidine, by reducing the sympathetic tone via the α2-AR, changed the early T-cell subset response in favor of the proinflammatory response after cardiac surgery, which might be important for maintaining immune balance perioperatively. In conclusion, the influence of anesthetics, opioids and alpha2- agonists on cell-mediated immune responses regarding the clinical relevance, it seems that the Th1/Th2 ratio as well as pro- and anti- inflammatory cytokine ratios might be appropriate parameters presenting perioperative immune balance, especially in immunocompromised patients undergoing major surgery. Therefore, further studies are necessary to investigate each anesthetic substance in different patient collective (i.e. patients with pre-existing immune pertubations (tumor patients, chronic alcohol abuse), cardiopulmonary bypass surgery) regarding the clinical significance and postoperative infection rate. This might help to choose the appropriate anesthesiological management.