Die Arbeit spürt der Popularität von Seelenwanderungsbegriffen in der Philosophie und Literatur des 18. Jahrhunderts nach. Sie geht aus von der Beobachtung, dass es sich nicht ausschließlich um Unsterblichkeits- und Glaubensvorstellungen handelt, wenn in der Aufklärung in einem affirmativen Sinne von Seelenwanderung gesprochen wird, sondern dass Seelenwanderungsbegriffe in unterschiedlichsten Kontexten Verwendung finden, wenn es um die Beschreibung von Übertragungs- und Verwandlungsprozessen in Natur und Kultur geht. Gegenstand ist daher auch nicht eine religions- oder philosophiegeschichtliche Untersuchung einer bestimmten Idee oder gar eines Glaubensinhalts, sondern eine wissens- und diskursgeschichtlich orientierte Erforschung der unterschiedlichsten Zusammenhänge und Bedeutungsfelder, in denen die Termini „Seelenwanderung“, „Metempsychose“ und „Palingenesie“ historisch verwendet worden sind. Dabei stellt sich heraus, dass Seelenwanderungsbegriffe ab 1700 zur Entstehung eines neuen und nachhaltigen Identitätskonzepts beitragen, das am Aufbau von Organismen orientiert ist: Danach ist die Identität von lebendigen Dingen gerade nicht am Bestehen und am Transfer einer einzelnen (Seelen-)Substanz in Raum und Zeit festzumachen, sondern am Bestehen einer dynamischen Organisationsstruktur, die in der Lage ist, sich im Austausch ihrer Teile selbst zu erhalten. Da im Prozess der Nahrungsaufnahme immer wieder Körperteile aus ihrer Gemeinschaft mit der Seele ausscheiden und neue hinzukommen, wird davon gesprochen, dass das Selbst des Lebewesens beständig auf die neuen Teile übergeht – und also auch der Mensch gewissermaßen täglich sterbe und wieder von Neuem zu leben beginne. Solche nichtdualistischen, an Phänomenen des Stoffkreislaufs, der Regeneration und Reproduktion in der Natur orientierten Seelenwanderungsbegriffe sind es, die im 18. Jahrhundert populär werden und dann auch als Modelle eines Lebensprinzips hinter jeder individuellen geistigen sowie kollektiven kulturellen Entwicklung verwendet werden. Der Mensch wird dabei als ein höheres Organ der Natur verstanden, das die materiellen Elemente der Welt auch im Zuge seiner sinnlich-geistigen Fähigkeiten unentwegt verdaut, weiterverarbeitet und zunehmend in geistige Formen transformiert. Speziell die Sprache, Schrift, Literatur und die Künste gelten dabei als ein Mittel zu einer sinnlich-geistigen Reproduktion und Verbreitung aller Dinge und mithin zu einer natürlichen Verwandlung und Weiterentwicklung der Welt. Sie werden als Motor einer „ewige[n] Mitteilung der Eigenschaften, eine[r] Palingenesie und Metempsychose ehemals eigner, jetzt fremder, ehemals fremder, jetzt eigner Gedanken“ (Herder) im Verlauf der Geschichte verstanden. Seelenwanderungsbegriffe und figuren tragen so im 18. Jahrhundert zur Dynamisierung und Historisierung der Natur- und Kulturbegriffe bei.
This paper investigates the concepts of metempsychosis and their popularity in the philosophy and literature of the 18th century. It begins with the observation, that those references to a transmigration of the soul are not primarily used to express a believe of immortality and religious faith in the Age of Enlightenment, but they are deployed to describe different forms of transfer and transformation processes in nature and culture. Therefore, the subject of this study is not a specific idea or a belief (in terms of a history of philosophy or religions), but the different contexts and meanings in which the terms “transmigration of the souls”, “metempsychosis” and “palingenesis” have been historically used. It then turns out that those terms do contribute to the formation of a new identity concept around 1700, which is orientated towards the structure of organisms. In this concept, the identity of living beings is not tied to the existence and transfer of a single (soul) substance in time and space, but to the existence of a dynamic organizational structure which is able to preserve itself by the exchange of its parts. Since parts of the body do continually drop out of their community with the soul and new ones are continually added to it in the process of food intake, there is the notion that the self of any living being is continually going over onto the new parts – and therefore even humans die and start living again every day. Those non-dualistic concepts of metempsychosis, which orient themselves on natural phenomena like regeneration, reproduction and the cycle of materials, become popular in the 18th century. They are then even used as concepts of a general principle of life behind every individual and collective mental and cultural development. Human beings are considered as a higher organ of nature which also has to digest and immaterialize the corporeal elements of the world as part of its perceptive and intellectual abilities. Language, writing, literature and the arts are especially regarded as the tools of a sensual and intellectual reproduction and dissemination of all things – and therefore as the tools of a natural transformation and development of the world. They are considered as motor of an „ewige Mitteilung der Eigenschaften, eine Palingenesie und Metempsychose ehemals eigner, jetzt fremder, ehemals fremder, jetzt eigner Gedanken“ (Herder) in the progression of history. Thus concepts of metempsychosis take part in the dynamization and historicization of the views of nature and culture in the 18th century.