Um das Krankheitsbild der Alkoholabhängigkeit besser zu verstehen und behandeln zu können, richtet sich die Aufmerksamkeit der Psychiatrieforschung seit einigen Jahren auf den Neurotransmitter Glutamat. Durch zahlreiche Tierversuche wurde belegt, dass Ethanol in verschiedenen Bereichen des glutamatergen Systems wirkt. Insbesondere beeinträchtigt es die Funktion der NMDA-R, deren Metabolismus in Folge chronischen Alkoholkonsums adaptiert. Durch Wegfall der Ethanol-induzierten Hemmung kommt es im Alkoholentzug zu einem Zustand der Übererregbarkeit des Gehirns, der mit einer erhöhten Glutamat-Konzentration einhergeht und als Ursache für ein gesteigertes Krampfrisiko und eine entzugskorrelierte Neurotoxizität angesehen wird. Allerdings konnten diese Annahmen durch die wenigen bisher vorliegenden humanen Studien nicht oder nur teilweise bei alkoholabhängigen Patienten bestätigt werden. Lediglich die Mannheimer Arbeitsgruppe von Hermann (2011) wies eine Erhöhung der Glutamat-Level im ACC bei alkoholabhängigen Patienten während des Alkoholentzugs nach. Ziel dieser Studie war es daher die zahlreichen in Tierversuchen gewonnenen Ergebnisse anhand einer großen Teilnehmerzahl, mit möglichst wenig externen Einflussfaktoren, zu stützen, zu widerlegen und/oder neue Erkenntnisse zu liefern. Dazu wurden die absoluten Glutamat-Konzentrationen im ACC an einem Patientenkollektiv von 52 Personen im Vergleich zu 75 gesunden Kontrollprobanden mit Hilfe der 1H-MRS untersucht. Die Patienten waren zum Zeitpunkt der Messung im Durchschnitt 12,2 Tage abstinent. Die vorliegende Arbeit, welche im Rahmen der NGFN-plus Studie (Spanagel et al., 2010) durchgeführt wurde, beschäftigte sich mit zwei zentralen Hypothesen: 1\. Alkoholabhängige Patienten zeigen nach dem Alkoholentzug erhöhte Glutamat-Konzentrationen im ACC im Vergleich zu gesunden Kontrollen. 2\. Die Glutamat-Konzentration im ACC der Patienten ist abhängig vom Abstinenzzeitpunkt. Um der Frage nach möglichen Ursachen bzw. Konsequenzen der erhöhten Glutamat-Level nachzugehen, wurde außerdem ein Zusammenhang zwischen der Glutamat-Konzentration und einigen klinischen Parametern, welche zum Teil bereits in tierexperimentellen und humanen Studien untersucht wurden, überprüft. Dazu zählten die Anzahl der Abstinenztage, die Anzahl der bisherigen Abstinenzversuche, die Entzugsschwere, der Lebenszeit-Alkoholkonsum und die Packungsjahre des komorbiden Zigarettenkonsums. Unsere Ergebnisse konnten die erste von uns aufgestellte Hypothese und somit auch die Ergebnisse von Hermann und Kollegen bestätigen: Im ACC der Patientengruppe waren signifikant erhöhte Glutamat-Konzentrationen im Vergleich zu den Kontrollen nachweisbar. Allerdings korrelierten weder die Anzahl der Abstinenztage, der Abstinenzversuche, die bisher konsumierte Alkoholmenge noch die Entzugsschwere mit dem Glutamat-Level der Patienten und auch ein störender Effekt der Faktoren Alter, Geschlecht und Rauchverhalten konnte ausgeschlossen werden, was die Ursache und klinischen Folgen der Erhöhung des Glutamats der Patienten ungeklärt lässt. Obwohl die 1H-MRS als einzige nicht-invasive Methode gezielt in einer gewünschten Hirnregion auch kurzfristige Metabolitenkonzentrationsänderungen in-vivo erfassen kann, weist sie gewisse Einschränkungen auf. So kann z.B. nicht zwischen intra- und extrazellulären Glutamat-Konzentrationen unterschieden und daher auch keine Aussagen zum akut in den Extrazelluarraum ausgeschütteten Glutamat getroffen werden, welches bei der im Alkoholentzug vermuteten Exzitotoxizität eine wichtige Rolle spielen dürfte. Hinzu kommt, dass die Vorgänge an der Postsynapse, die hauptsächlich durch die Rezeptor-Funktionen repräsentiert werden, mittels MRS nicht detektiert werden können. Da aber bekannt ist, dass insbesondere die NMDA- Rezeptoren durch chronischen Alkoholkonsum beeinflusst werden, ist anzunehmen, dass einige Effekte auf weitere Bestandteile des glutamatergen Systems durch Ethanol und eventuell damit einhergehende Konsequenzen in unserer Untersuchung übersehen wurden. Trotz der Methoden-bedingten Limitationen unserer Untersuchung trägt die vorliegende Arbeit dazu bei fundierte Aussagen über das glutamaterge System bei Patienten im Alkoholentzug bzw. der frühen Abstinenz zu treffen, da sie an der bisher größten Patientenpopulation eine Erhöhung der Glutamat-Konzentration nachweisen konnte und damit Ergebnisse aus tierexperimentellen und humanen Vorstudien bestätigt. Behandlungserfolge mit dem glutamaterg wirksamen Entzugsmedikament Acamprosat sprechen dafür, dass dem glutamatergen Neurotransmittersystem eine zentrale Rolle in den neurobiologischen Veränderungen der Alkoholabhängigkeit zugeschrieben werden kann. Zudem verdeutlichen sie, dass großer Bedarf an weiterer Forschung auf diesem Gebiet besteht.
With the goal to understand and treat alcohol dependence better, since a few years research in psychiatry focuses on the neurotransmitter glutamate. Numerous animal experiments show that ethanol has an effect to different parts of the glutamatergic system. It especially affects the function of the NMDA receptor, whose metabolism adapts with chronical alcohol consumption. Due to the loss of the ethanol induced inhibition, in alcohol withdrawal the brain enters a state of hyperexcitability, which is accompanied with increased concentration of glutamate and which is seen as the reason for an elevated risk of seizures and withdrawal-correlated neurotoxicity. However, these assumptions could not or only partly be confirmed by the few existing human studies. Only the working group of Hermann (2011) showed an elevation of glutamate in the anterior cingulate cortex (ACC) of alcohol dependent patients in withdrawal. Thus, goal of this study was to confirm or to refute the results of the numerous animal studies or gain new knowledge with a big number of participants and, if possible, few external influencing factors. We measured the absolute glutamate concentration in the ACC of 52 patients in comparison with 75 healthy controls using 1H-MRS. At the time of the measurement the patients have been abstinent for 12.2 days on average. This work, which has been completed within the NGFN-plus study (Spanagel et al., 2010), had two central assumptions: 1\. After the withdrawal of alcohol alcohol dependent patients show a higher glutamate concentration in the ACC than healthy controls. 2\. The glutamate concentration in the ACC depends on the time of abstinence. To look for possible reasons for or consequences of the increase in glutamate, we examined the relation between glutamate and some clinical parameters, which have been of interest in animal studies before. These were: number of abstinent days, number of previous withdrawals, severity of withdrawal, life time alcohol consumption and pack years. The results confirmed our first assumption and therefore the results of Hermann and colleges: The glutamate in the ACC of the patient group was significantly higher than of the control group. However, neither the number of abstinent days, the number of previous withdrawals, the severity of withdrawal, nor the life time alcohol consumption correlated with the glutamate level of the patients. Furthermore, an effect of influencing factors as age, sex and smoking habits could be excluded, which leaves the cause or possible clinical consequences of the increase of the patients’ glutamate unexplained. Although 1H-MRS is the only non-invasive method, which allows detecting short-term changes in the concentrations of metabolites in vivo, it has its limitations. For example, it can’t distinguish between intra- and extra-cellular glutamate concentrations and therefore can’t tell us about the acute to the extracellular space released glutamate, which should affect the assumed excitotoxicity in alcohol withdrawal. Moreover, postsynaptic processes, which are mainly represented by the receptor function, can’t be detected by MRS. Since it’s known that especially the NMDA receptors are influenced by chronical alcohol consumption, it’s probable, that some effects of ethanol on further components of the glutamatergic system and with that potential consequences stayed undetected in our investigations. Despite of some limitations due to methods, this work delivers fundamental statements about the glutamatergic system of patients in alcohol withdrawal or early abstinence, because it could detect increased glutamate concentrations in the so far biggest population of patients. Thus, confirmed results of some animal and human studies. Successful treatments with the glutamatergic active withdrawal-medication Acamprosate suggest that, glutamatergic neurotransmission plays a central role in the neurobiological changes in alcohol dependence. Moreover, they emphasize the need for further research in this area.