Die Geschichte der Minderheitensprachen in den letzten 200 Jahren ist vielerorts eine Geschichte ihrer Unterdrückung. Im Kontext der Entstehung von Nationalstaaten wurden und werden bis heute die Sprachen der Minderheiten vielfach benachteiligt, zum Teil verboten und ihre Sprecher auf unterschiedliche Art und Weise unter‐drückt. Mit Beginn der 1970er Jahre findet aber eine Umkehr in der Interpretation des Status der Minderheitensprachen statt, die verbunden ist mit einer Stärkung der Rechte der Minderheiten auf internationaler und nationaler Ebene. Eine Allianz von Juristen, Linguisten, Anthropologen, Sozialwissenschaftlern, sozialen Bewegungen und verschiedenen internationalen Organisationen war erfolgreich, die Idee des Schutzes der Minderheitensprachen vielerorts zur hegemonialen Idee werden zu las‐sen. So legitim es einerseits ist, gesellschaftlichen Gruppen, die eine eigene Sprache sprechen, das Recht zur sprachlichen Selbstbestimmung einzuräumen und sie vor der Verfolgung ihrer Sprache zu schützen, so übertrieben scheinen andererseits man‐che Forderungen zu sein, die den Schutz der Minderheitensprachen in den Status ei‐nes neuen Kults erheben. Die folgenden Überlegungen unterziehen die Argumente und Deutungsmuster, die den Kult der Minderheitensprachen begründen, einer kri‐tischen Prüfung. Zuvor geht der Blick zurück, um das Verhältnis von Nationalstaats‐entstehung und Minderheitenpolitik kurz zu skizzieren (Kapitel I). Im nächsten Schritt werden die rechtlichen Regelungen und deren diskursive Legitimation, die dem Kult der Minderheitensprachen zu Grunde liegen, dargestellt (Kapitel II), um dann im dritten Schritt die Plausibilität der Argumente zu diskutieren (Kapitel III).
The history of language minorities in the last 200 years has been quite often the history of their marginalisation and suppression. However, since the beginning of the 1970s the status of minority languages has changed dramatically. Minority language speakers have gained recognition and their rights have been strengthened both nationally and internationally. The article critically examines the arguments which have been brought forward to establish the new cult of minority languages. In a first step we will go back in time and describe how the emergence of nation states and the suppression of minority languages went hand in hand. Against this backdrop we will describe how the status of minority languages has changed in last 40 years; we will reconstruct the juridical rules and their discursive legitimation which form the basis of a new cult of minority languages. Finally, we will discuss the plausibility of the arguments which legitimize the new cult of minority languages.