Die Bildungssoziologie hat in einer Vielzahl von Studien gezeigt, dass nicht nur der Übergang von der Schule zur Hochschule, sondern auch die Wahl vor allem prestigereicher Studienfächer – wie z.B. Medizin – vom sozialen Hintergrund der Eltern geprägt wird. Da die Vergabe der Studienplätze in der Medizin aber in erster Linie von den Leistungen der Schüler gemessen durch die Abiturnote abhängig ist, wirkt sich der soziale Hintergrund nur vermittelt über die Abiturleistungen auf die Möglichkeit aus, Medizin zu studieren. Im Kontext von Globalisierungs- und Europäisierungsprozessen haben sich die Möglichkeiten, auch ohne sehr gute Abiturleistungen Medizin zu studieren, verändert. In einigen, vor allem mittel- und osteuropäischen Ländern sind medizinische Fakultäten entstanden, die ein Medizinstudium in deutscher oder englischer Sprache anbieten. Die Studienabschlüsse werden europaweit und damit auch in Deutschland anerkannt. Im Unterschied zu einem Medizinstudium in Deutschland ist der Zugang zu den ausländischen Universitäten aber nicht von der Abiturnote abhängig, sondern von der Fähigkeit, hohe Studiengebühren bezahlen zu können. Der Artikel vergleicht den sozialen Hintergrund von Medizinstudierenden in Deutschland mit deutschen Medizinstudierenden in Ungarn. Die Analyse zeigt, dass der Anteil der Studierenden, die aus höheren Schichten kommen, in Ungarn nochmals deutlich höher ist, als bei deutschen Medizinstudierenden. Das Studium in Ungarn dient vor allem der unmittelbaren Reproduktion des Berufes der Eltern: Bei 57,6% der deutschen Studierenden in Ungarn übt eines der Elternteile selbst den Arztberuf aus. Das Beispiel des Medizinstudiums im Ausland illustriert dabei ein allgemeines Phänomen. Europäisierungs- und Globalisierungsprozesse haben die Möglichkeiten der Reproduktion sozialer Ungleichheit verändert; es sind vor allem die oberen Schichten, die von der nationalstaatlichen Öffnung profitieren. Der Fall des Medizinstudiums deutscher Studierender im Ausland illustriert, wie unter veränderten Rahmenbedingungen das ökonomische Kapital der Eltern unmittelbar in die Chance des Kindes, ein knappes Bildungszertifikat (kulturelle Kapital) zu erwerben, konvertiert werden kann.