Im Gegensatz zu Hobb’schen Argumentationen ist die Bereitstellung von Governance nicht notwendigerweise an starke Staatlichkeit gebunden: Empirische Belege zeigen, dass verschiedene (nicht-staatliche) Akteure Governance- Leistungen trotz zumindest begrenzter Staatlichkeit bereitstellen – entgegen vieler Stimmen in zeitgenössischen Diskursen zu schwacher und gescheiterter Staatlichkeit. Der Aufsatz geht der Frage nach, wie die Fälle erklärt werden können, wo Governance erfolgreich bereitgestellt wird obwohl der Staat entweder keine Governance-Leistungen erbringt oder erbringen kann. Im Rahmen des Transfers von Forschungsergebnissen der Politischen Soziologie in die Analyse von „Governance ohne Staat“ geht der Aufsatz von der Annahme aus, dass Art und Weise wie Gesellschaften sich organisieren maßgeblich von deren sozialstruktureller Bedingtheit abhängen. Diese spezifiziert der Aufsatz mithilfe des Sozialkapitaltheorie. Auf dem Weg zu einer Politischen Soziologie der „Governance ohne Staat“, stellt der Aufsatz die Beziehung zwischen Sozialkapital, vor allem in seiner Ausprägung als interpersonelles Vertrauen, und sozialer Handlungskoordination als Grundlage von Governance her. In diesem Kontext wird die Bereitstellung von Governance als Spiel kollektiven Handelns verstanden („Governance Game“), in dem das Verhalten sozial-eingebetteter (kollektiver) Akteure (und insbesondere ihre Kooperationsentscheidungen) maßgeblich von dem Umfang ihres Sozialkapitals abhängen. Das zentrale Argument des Aufsatzes ist, dass spezifische Typen von Sozialkapital bestimmte Modi der sozialen Handlungskoordination in Räumen begrenzter Staatlichkeit ermöglichen und entsprechend erklären. Im Rahmen eines explorativen Zugangs werden konzeptuelle und theoretische Begründungen vorgebracht, die bei der Erklärung der Varianz und der Prozesse von Governance außerhalb der OECD-Welt neue Perspektiven eröffnen.
Unlike what Hobbesian theories argue, the provision of governance is not necessarily undermined by a lack of statehood. Empirical findings show that – contrary to many voices in current debates on weak, failing, or failed states – various (non-state) actors provide governance even when statehood is limited. This paper addresses the puzzle of how to account for cases where governance exists although the state cannot or does not provide it. Transferring insights from political sociology to the analysis of such “gov- ernance without the state,” the paper holds that the way societies manage their affairs critically depends on social conditions, which are captured here following social capital theory. Working toward a political sociology of “governance without a state,” this paper links social capital, resulting in interpersonal trust, to social coordination underlying the provision of governance. In this context, governance is interpreted as a collective action game (“governance game”), in which socially embedded (collective) actors are seen as players whose behavior (in particular their decisions to cooperate) depends critically on their social capital endowments. The main argument is that specific types of social capital endowments facilitate – and, thus, explain – specific modes of social coordination in areas of limited statehood. Explorative in nature, con- ceptual and theoretical arguments will be developed that offer new perspectives to explain the variance and mechanisms of governance outside the OECD world.