Leitthema der Forschergruppe C-IV ist der urbane Raum in Großstädten der Kaiserzeit und der Spätantike. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Metropolen Rom, Mailand und Antiochia am Orontes. Analysiert werden jedoch nicht nur konkrete Orte, die einst materielle und historische Realität besaßen, sondern ebenso die subjektive Wahrnehmung und Transformierung solcher Orte in Kunst und Literatur. Mit diesem Ansatz soll herausgearbeitet werden, dass antike Großstädte einerseits als Produkt aus menschlichen Praktiken hervorgehen, andererseits selbst produktiv auf Denken und Handeln der in ihnen anwesenden Menschen einwirken. Das übergeordnete Ziel besteht darin, in dieser Ambivalenz von Produziertem und Produzierendem den spezifischen Charakter der jeweiligen Metropole zum Vorschein zu bringen. Traditionelle Theorien und Methoden der altertumswissenschaftlichen Disziplinen können bei dieser Fragestellung zwar wichtige Erkenntnisse zutage fördern, reichen aber allein nicht aus. Für eine adäquate Beschreibung der ins Auge gefassten Aspekte zieht die Forschergruppe daher Zugänge der neueren raum- und stadtsoziologischen Forschung heran. Gemäß diesen Ansätzen definiert sich urbaner Raum aus der Synthese verschiedenster Faktoren: materieller Ausgestaltung des Ortes, performativer Handlungen und funktionaler Bespielungen der räumlichen Bühne durch die sich hier bewegenden Menschen sowie symbolische Aufladungen mit Hilfe von Architektur und Bildkultur. Dies eröffnet vielfältige Möglichkeiten für das Zusammenwirken der altertumswissenschaftlichen Disziplinen: Die materielle Ausgestaltung des Raumes (archäologischer und bauforscherischer Zugriff), die ideellen Diskurse und Spiegel seiner Wahrnehmung (philologischer Zugriff) sowie schließlich die funktionalen Strukturen seiner Bespielung (philologischer und althistorischer Zugriff) werden gemeinsam in den Blick genommen und diskutiert, denn erst der enge wechselseitige Dialog eröffnet ein angemessenes historisches Verständnis des urbanen Raumes.Im Gegensatz zu eher traditionell urbanistischen Forschungsinteressen wird der Blick stärker auf die ›Eigenlogik‹ gelenkt, d. h. auf die Frage, wie Räume in Städten jeweils unterschiedlich und eigendynamisch geschaffen, genutzt, verändert, ideell konnotiert und symbolisch aufgeladen werden. Gezielt werden dabei zwei Ebenen des Vergleiches gewählt: einerseits synchron in der Gegenüberstellung verschiedener Stadträume, andererseits diachron in der Analyse spezifischer zeitlicher Veränderungsprozesse einzelner städtischer Räume. In der interdisziplinären Arbeit sowie auf zwei Tagungen, die von der Gruppe veranstaltet wurden, hat sich erwiesen, dass der stadtsoziologische Zugang eine neue Perspektive auf die antike Großstadt eröffnet, gleichzeitig aber auch aus Sicht der Altertumswissenschaften die Kategorien der neueren Soziologie weiterentwickelt werden können, zumal im Hinblick auf den Nexus zwischen Stadtraum und Wissen.