Die Anorexia nervosa (AN) ist eine psychosomatische Erkrankung, die durch anhaltendes Untergewicht und eine hohe Chronifizierungsrate gekennzeichnet ist. Eine gestörte affektive Reaktivität wird als bedeutsam für den Verlauf und die Entstehung von AN diskutiert. In Publikation 1 untersuchten wir die affektive Reaktivität von AN-Patientinnen in unterschiedlichen Erkrankungsstadien mit Hilfe des Startle-Paradigmas. Hierzu setzten wir visuelle Stimuli aus dem International Affective Picture System sowie Standardfotos von Nahrung und Frauenkörpern ein. N=64 Probandinnen nahmen an der Studie teil (17 mit akuter AN, 16 mit chronischer AN, 15 mit langzeitremittierter AN, 16 gesunde Kontrollen). Wir untersuchten die subjektive Bewertung der visuellen Stimuli sowie die elektromyographische Startle-Reaktion (EMG). Probandinnen mit akuter und chronischer AN zeigten subjektiv gleiche Reaktionen wie Kontrollprobandinnen, wiesen aber eine geringere Startle-Reaktivität bei affektiven Stimuli auf. Die Nahrungs- und Körperbilder bewerteten AN-Patientinnen als unangenehmer und ängstigender als gesunde Kontrollen. Remittierte AN-Probandinnen zeigten keine veränderte Startle Reaktion. Wir beobachteten somit inkompatible subjektive und psychophysiologische Reaktionen auf affektive und störungsspezifische Reize. Dies trägt zur Verbesserung des Verständnisses biologischer Veränderungen im Verlauf von AN bei. In Publikation 2 untersuchten wir den Einfluss einer stationären psychosomatischen Intervention auf psychische Belastung und auf Herzratenvariabilität (HRV). Hierzu wurden 146 unselektierte Patienten bei Aufnahme und bei Entlassung hinsichtlich Ängstlichkeit, Depressivität, allgemeiner Symptombelastung und HRV untersucht. Patientinnen mit AN oder Bulimia nervosa (BN) wiesen bereits bei Aufnahme eine höhere HRV im low frequency Bereich sowie einen höheren low frequency/high frequency ratio auf als alle anderen Diagnosegruppen. Die Ergebnisse der übrigen Patientinnen zeigten, dass stationäre Behandlung zwar die psychische Belastung positiv beeinflusste, sich jedoch keinerlei positive Veränderungen der Herzratenvariabilität ergaben. Patientinnen mit AN/BN sollten in HRV Studien separat von anderen psychosomatischen Patienten betrachtet werden, da bei diesen eine Verbesserung der psychischen Symptomatik nicht notwendigerweise eine Verbesserung autonomer Funktionen bedeutet. Interventionen, die sich positiv auf psychodiagnostische und psychophysiologische Bereiche auswirken, sind wünschenswert. In Publikation 3 untersuchten wir den Einfluss des Vorliegens einer somatischen Komorbidität bei AN auf die Mortalität im Langzeitverlauf. Hierzu holten wir Information über den Vitalstatus von N=100 ehemals stationär behandelter Patientinnen über das Einwohnermeldeamt ein. Hiervon waren neun Patientinnen verstorben, wovon sechs eine somatische Komorbidität aufwiesen. Mit einer Cox Regression konnte das Vorliegen einer somatischen Komorbidität als signifikanter Prädiktor der Mortalität ermittelt werden. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Patientinnen mit somatischer Komorbidität eine deutlich schlechtere Langzeitprognose haben. Ein hohes Maß an interdisziplinärer Zusammenarbeit ist erforderlich, um diese spezielle Gruppe zu behandeln.
Anorexia nervosa (AN) is a severe psychosomatic disorder with persisting underweight and a high risk for chronicity. In our first publication, we investigated the question whether altered affective responses represent states a state in current AN, or whether they may represent stable traits. We applied a startle reflex paradigm in 17 patients with acute AN, 16 patients with chronic AN, 15 participants with AN in long-term recovery and 16 healthy controls. We applied pictures from the International Affective Picture System and standardized pictures with food/female bodies. Pictures were accompanied by an aversive acoustic noise and we recorded electromyography startle responses (EMG). We measured subjective ratings of valence (pleasant- unpleasant) and anxiety to all stimuli. Participants with acute and chronic AN reported the same subjective valence and anxiety ratings to affective stimuli as healthy controls, but showed less startle reactivity. They also showed higher subjective ratings of anxiety and rated body and food pictures as more unpleasant than healthy controls. However, their startle response was unaltered. Recovered AN participants showed startle reactions “in between” those of healthy controls and currently ill AN patients. Psychophysiological methods may be useful to attain an integrative view on the long-term course of AN. In publication two, we investigated effects of an inpatient multimodal psychosomatic treatment on both heart rate variability (HRV) and psychological distress. We measured HRV and self-reported psychological distress at admission and at discharge in 146 psychosomatic patients. Patients diagnosed with AN or Bulimia nervosa (BN) displayed higher low frequency HRV and a higher low frequency/high frequency HRV ratio on admission than patients of other diagnostic groups. For patients of other diagnostic groups, psychological distress was reduced after inpatient psychosomatic treatment, but HRV was not improved after treatment. Data of patients with AN/BN should be analyzed separately, as a reduction on psychological parameters may not imply an improvement in autonomic functions. In our third publication, we investigated mortality in the long-term course of 100 patients with AN. We focused on a subgroup of AN patients who displayed a somatic comorbidity, as this subgroup was often excluded in former studies. Out of 100 patients, nine patients had died. Six of the deceased patients displayed a somatic comorbidity. In a Cox Regression Model, somatic comorbidity was a significant predictor of mortality. We conclude that this specific group requires intense and integrative care. Larger studies would be needed to detect possible deficits in the health care system