Die Schilddrüse reguliert mit ihren Hormonen Wachstum, Entwicklung, Energiehaushalt, Stoffwechsel, Nervensystem und Herzaktivität. Dies erklärt die vielfältigen Symptome bei Erkrankungen der Schilddrüse. Eine ausreichende Versorgung mit den beiden Spurenelementen Iod und Selen ist zur Prävention von Schilddrüsenerkrankungen wichtig. Eine häufige Erkrankung der Schilddrüse ist die Hyperthyreose. Bei dieser besteht ein Überschuss von Schilddrüsenhormonen an den Zielorganen. Hiervon sind in Deutschland ca. 550.000 Menschen betroffen. In 95% der Fälle liegt der Erkrankung eine Autonomie von Schilddrüsengewebe oder eine Autoimmunerkrankung wie der Morbus Basedow zugrunde. Zur Behandlung können drei unterschiedliche Therapieverfahren angewendet werden: Medikamente zur Hemmung der Hormonproduktion, die operative Entfernung von Schilddrüsengewebe und die Radioiodtherapie. Die bekannten Thyreostatika Propylthiouracil (PTU), Methimazol (MMI) und Carbimazol sind Thioharnstoffderivate. Sie hemmen die Thyreoperoxidase (TPO), welche eine zentrale Rolle bei der Schilddrüsenhormonsynthese spielt. PTU inhibiert in hohen Konzentrationen zusätzlich die Dio1, welche T4 in biologisch aktives T3 umwandelt. Die Entdeckung, dass Dio1 ein selenocysteinhaltiges Enzym ist, führte zu der Vermutung, dass selenhaltige Thioharnstoffderivate durch ihre höhere Nucleophilie bereitwilliger eine Bindung mit der Dio1 eingehen und folglich eine potentere Inhibition zeigen würden. Ziel dieser Arbeit war, zehn neue schwefel- und selenhaltige Derivate der bekannten Thioharnstoff- Thyreostatika hinsichtlich ihrer Wirkung auf die humane TPO und die Dio1 zu untersuchen. Dabei sollte festgestellt werden, in welcher Weise sich die chemische Modifikation dieser Substanzen, insbesondere das Ersetzen von Schwefel durch Selen, auf deren inhibitorische Eigenschaften auswirkt. Das langfristige Ziel ist, Medikamente mit einer optimierten antithyreoidalen Wirkung zu entwickeln. Zusätzlich ist eine gegen die TPO gerichtete Wirkung von einer gegen die Dio1 gerichteten zu trennen, um auf diese Weise gezielt gegen die unterschiedlichen Symptome der Hyperthyreose vorgehen zu können. Außerdem sollen durch die Veränderungen Nebenwirkungen eliminiert oder zumindest minimiert werden. Anhand von Proteinextrakten aus den humanen Zelllinien FTC-238/TPO und Hep-G2, welche TPO bzw. Dio1 enthalten, wurden die inhibitorischen Eigenschaften der neuen Thioharnstoff-Derivate überprüft und mittels Dosis-Wirkungskurven die IC50-Werte bestimmt. Die Wirkung der Substanzen auf die humane TPO wurde im Guaiacol Assay durch Änderung des Absorptionsspektrums bei 470 nm photometrisch bestimmt. Die Hemmung der TPO erfolgte durch MMI dabei etwa 3,4- , 6- bzw. 13-mal potenter als durch die Substanzen MSeI, 5-MTU und 6-BTU. Allerdings hemmten diese die TPO effektiver als PTU. Die Substanz MSeI etwa 4-mal, 5-MTU etwa 2,3-mal und 6-BTU ungefähr genauso potent wie PTU. Die Ergebnisse für MSeI stehen damit in Einklang mit den Untersuchungen von Taurog et al. Bei den Derivaten 5-CETU und c5 - c10 konnte in den untersuchten Konzentrationen keine signifikante Hemmung der TPO festgestellt werden. Zur Untersuchung der Wirkung der Substanzen auf die Dio1 wurde deren Aktivität über den Umsatz von radioaktiv-markiertem rT3 bestimmt. 5-MTU und 6-BTU hemmten bei gleicher Konzentration die Dio1 potenter und 5-CETU gleich gut wie PTU. Der ermittelte IC50-Wert für 5-MTU lag bei 0,7 µM, für 6-BTU bei 0,1 µM und für 5-CETU sowie PTU bei 1,7 µM. Von den weniger potenten Substanzen zeigte MSeI mit 414 µM den niedrigsten und c10 mit 21 mM den höchsten IC50-Wert. Es konnte gezeigt werden, dass vier der zehn untersuchten Substanzen eine, im Vergleich zu den klassischen Verbindungen MMI und PTU, gleich gute oder sogar bessere Hemmung der zwei Schlüsselenzyme TPO und Dio1 besitzen. Die beiden schwefelhaltigen Substanzen 5-MTU und 6-BTU sind in vitro effizientere Inhibitoren der Dio1 als PTU. Obwohl 5-MTU, 6-BTU und MSeI weniger effiziente Inhibitoren der TPO sind als das MMI, zeigten sie trotzdem eine bessere Inhibition für die TPO als PTU. Besonders hervorzuheben ist die Substanz 5-CETU, die eine exklusive Hemmung der Dio1 zeigte. Die Inhibition der Dio1 fand dabei ebenso potent wie mit PTU statt. Damit ist 5-CETU die erste bekannte Substanz, die ausschließlich die Dio1 hemmt. Entgegen den Erwartungen waren die meisten selenhaltigen Derivate den schwefelhaltigen in ihrer inhibitorischen Wirkung nicht überlegen. Allerdings zeigte MSeI im Gegensatz zu MMI eine Inhibition der Dio1. Diese war jedoch um den Faktor 240 schwächer als die von PTU. Es sind daher weitere Experimente nötig, um MSeI, zum Beispiel durch Änderung der Seitengruppen, so zu optimieren, dass es eine noch stärkere inhibitorische Wirkung zeigt. Ebenso sollte der Frage nachgegangen werden, ob ähnliche inhibitorische Wirkungen auch in vivo erreicht werden können.
Thyroid gland hormones regulate growth, metabolism, energy supply, the nervous system and heart activity. This explains the various symptoms caused by thyroid malfunction. Approximately 550.000 people are affected by hyperthyroidism in Germany. In 95 % hyperthyroidism is caused by functional autonomy or graves disease. Antithyroid drugs, surgery and radioactive ablation are utilised to treat hyperthyroidism. Thiourea compounds such as methimazole (MMI) and 6-propyl-2-thiouracil (PTU) are widely used in the treatment of hyperthyroidism. While MMI and PTU effectively inhibit thyroperoxidase (TPO), high concentrations of PTU additionally block type I 5’-deiodinase (Dio1). However, these drugs may cause various side effects after long-term administration. Therefore, alternatives would be beneficial. We tested novel derivatives of MMI and PTU for their in vitro effects on Dio1 and TPO. Among these were 5-methyl-2-thiouracil (5-MTU), 6-benzyl-2-thiouracil (6-BTU), 5-carboethoxy-2-thiouracil (5-CETU) and Se-methimazole (MSeI), the selenium-containing analogue of MMI. Effects on Dio1 were analyzed in crude membrane extracts prepared from the human hepatocarcinoma cell line HepG2 using 3,3’,5-triiodothyronine (reverse T3) as substrate and dithiothreitol as cofactor. Inhibition of TPO was tested using digitonin extracts of membrane preparations of the human thyroid carcinoma cell line FTC-238 stably transfected with an expression plasmid coding for human TPO. TPO activity was determined with guaiacol as substrate and H2O2 as cosubstrate. The PTU derivatives 5-MTU, 6-BTU and 5-CETU inhibited Dio1 with IC50 values of 0.7, 0.1 and 1.7 µM, respectively. PTU had an IC50 value of 1.7 µM in our assay. 5-MTU,6-BTU and MSeI inhibited TPO with IC50 values of 55, 121 and 31 µM , respectively, as compared to 9 µM for MMI and 125 µM for PTU. In summary, 5-MTU and 6-BTU were more efficient inhibitors of Dio1 than PTU. Although 5-MTU and MSeI are less efficient inhibitors of TPO than MMI, they are more potent than PTU. The exchange of selenium for sulphur in MSeI does not enhance the inhibitory effect of the compound as compared to MMI. It will be of interest to test the inhibitory potency of the substances in vivo along with their possible side effects.