Die Funktionalisierung von orthopädischen Implantaten zur Nutzung als sogenannte lokale „Drug Delivery Systems“ ist ein vielversprechender Ansatz zur Therapie von Frakturheilungsstörungen, welcher in dieser Arbeit näher charakterisiert und modifiziert wird. Bei gestörter oder ganz ausbleibender Heilung von Knochenfrakturen kann eine lokale und zeitlich kontrollierte Applikation von mehreren Wachstumsfaktoren die Knochenheilung durch die Simulation natürlicher Prozesse effektiv stimulieren. Zusätzlich könnte eine initiale Gabe von Antibiotika das Infektionsrisiko senken. In den beiden hier aufgeführten in vivo Studien konnte jeweils gezeigt werden, dass die Beschichtung von Implantatoberflächen mit dem Polymer Poly(D,L-Laktid) (PDLLA) als Trägermaterial und verschiedenen Wirksubstanzen [Bone Morphogenetic Protein-2 (BMP-2) und Fumagillin] den Knochenheilungsverlauf positiv, aber auch negativ beeinflussen können. Die lokale Applikation des Wachstumsfaktors BMP-2 führte im Gegensatz zur Kontrolle zu einer Heilung der osteotomierten Rattentibia. Die zweite Studie diente der Etablierung eines Tiermodels zur verzögerten Knochenheilung. Die lokale Gabe des Angiogenesehemmers Fumagillin bewirkte die Inhibition der Gefäßbildung und so die Ausbildung einer atrophen Pseudarthrose (Nicht-Heilung). Dieses Pseudarthrose-Modell in der Ratte kann zukünftig zur näheren Untersuchung von gestörter Knochenheilung dienen. Zur detaillierten Charakterisierung dieses lokalen Freisetzungssystems wurde für die Beschichtung von Titan-Kirschnerdrähten die Polymerkonzentration und die Menge der eingearbeiteten Modellsubstanz Gentamicin variiert. Neben Schichtdickenvermessung, Bestimmung der Beschichtungsmenge und Beurteilung der Morphologie wurden die Nägel zur Messung der Freisetzungskinetiken in Phosphatpuffer eluiert. Eine höhere Polymerkonzentration führte zu deutlich höheren Viskositäten und somit zu dickeren Schichten. Mit ansteigender Polymerkonzentration und sich verringerndem Gentamicinanteil waren unterschiedliche kumulative Freisetzungen messbar, von sofortiger Initialfreisetzung bis zur langsamen und kontinuierlichen Freisetzung über 14 Wochen. Die Ursache liegt in verschiedenen Freisetzungsmechanismen die in einander übergreifen. Zuerst erfolgt eine schnelle Diffusion der hydrophilen, oberflächennahen Partikel. Zeitgleich beginnt die Degradation des hydrophoben Polymers. In wässriger Umgebung entstehen durch Hydrolyse mit der Zeit Mikrokanälchen, welche zu einer langsamen Freisetzung der Wirksubstanz führen. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurden 2- bzw. 3fach-kombinierte Nägel [Gentamicin und BMP-2, bzw. Gentamicin, insulin-like growth factor-I (IGF-I) und BMP-2] in unterschiedlich dicken Schichten mit entsprechend unterschiedlichen Anteilen an Wirksubstanzen im Sandwichverfahren beschichtet, eluiert und zusätzlich die Aktivitäten der freigesetzten Substanzen mikrobiologisch und in Zellkulturen untersucht. Vom 2fach-kombinierten Nagel ergab sich eine initiale Freisetzung von Gentamicin, gefolgt von einer langsamen Freisetzung von BMP-2 über zwei Wochen. Vom 3fach-kombinierten Nagel wurde nach schneller Antibiotikumsfreigabe auch IGF-I zügig freigegeben und anschließend fortgesetzt. BMP-2 wurde von Beginn an langsam und kontinuierlich über mehrere Wochen freigesetzt. Mit Mausmyoblasten (C2C12) konnten diese zeitverzögerten Freisetzungseffekte über die Messung der Proliferation und Alkalischen Phosphatase Aktivität bestätigt werden. In humanen, primären Osteoblasten war ein additiver Effekt der kombiniert beschichteten Nägel auf diese Parameter, im Vergleich zu Kontrollnägeln, messbar. Durch die Automatisierung des Beschichtungsprozesses konnten die einzelnen Schritte der Tauchbeschichtung (Mischen, Eintauchen, Verweildauer, Austauchen) operatorunabhängig gesteuert, kontrolliert und näher untersucht werden. Von maßgeblichem Einfluss auf die aufgebrachte Polymer-Wirkstoffmenge war die Austauchgeschwindigkeit und Viskosität der Polymerlösung. Der Automat ermöglicht vordefinierte und standardisierte Beschichtungen von Implantaten. In dieser Arbeit wurde ein in vivo einsetzbares und funktionelles „Drug Release System“ für Implantate untersucht und weiterentwickelt. Mit nur einem Polymer ist es möglich, durch Nutzung der charakterisierten Freisetzungsmechanismen unterschiedliche Substanzen zu verschiedenen Zeitpunkten vom Implantat freizugeben. Die zeitlich versetzten Aktivitäten der Wachstumsfaktoren imitieren die natürliche Abfolge von regulierenden Faktoren während der aufeinanderfolgenden Heilungsphasen. Zusätzlich wurde eine Apparatur entwickelt, mit der standardisierte Beschichtungen durchführbar sind. Die sequentielle Freisetzung eines Antibiotikums und zweier Wachstumsfaktoren aus einer Ein-Komponenten-Implantatbeschichtung bietet das Potential zur lokalen Therapie von gestörter Knochenheilung.
Using orthopedic implants as a local „drug delivery system“ is a promising approach to treat impaired bone healing. Applying locally and timely controlled growth factors in a naturally occurring manner could stimulate delayed bone healing or non-unions. Additionally an initial local administration of antibiotics may reduce the risk of infection. Functionalized implants were modified and characterized in the present study to determine their influence on healing outcomes. In vivo studies showed that an implant coated with the polymer poly(D,L-lactide) (PDLLA) as a carrier and different substances [bone morphogenetic protein-2 (BMP-2) and Fumagillin] can influence the healing outcome in either a positive or negative manner. The first in vivo study demonstrated that local application of the growth factor BMP-2 led to bridging of the osteotomy gap in a rat tibia in contrast to the control. The goal in the second study was to establish a delayed healing rat model. The local application of the angiogenese-inhibitor Fumagillin reduced new vessel sprouting at the osteotomy gap and caused an atrophic non-union. This non- union rat-model can be used prospectively for detailed investigations to understand impaired bone healing. To characterize the local release system in detail, titanium Kirschner wires were coated by varying polymer and substance (Gentamicin) ratios. Beside evaluating the coating thickness, mass, and morphology, the coated wires were eluated in phosphate buffer. A higher polymer concentration led to clearly higher viscosities and thus to greater thicknesses. With increasing polymer concentrations and decreasing amount of Gentamicin, different cumulative release behavior was detected, from initial burst to slow and sustained release. The reasons for these effects are different overlapping release mechanisms. First, a fast diffusion of the hydrophilic Gentamicin particle near to the surface occurs. Simultaneously the hydrophobic polymer begins to degrade and in aqueous environment micro- channels arise by hydrolyses, which leads to a slow release of encapsulated Gentamicin. The different release kinetics were confirmed by microbiologically zone of inhibition test. Basing on this knowledge 2- and 3-fold combined wires [Gentamicin with BMP-2 / Gentamicin with insulin-like growth factor-I (IGF-I) and BMP-2] were coated with sandwich-layers with different thicknesses and accordingly different concentrations of substances. These wires were eluated and the activities of the released substances were analyzed using cell cultures. From 2-layer wires the Gentamicin was initially released followed by a slow release of BMP-2 for two weeks. From 3-layer wires, after the burst of the antibiotic, also IGF-I was quickly released followed by a sustained release. BMP-2 was released from the beginning onward over several weeks. With murine myoblasts (C2C12) this time delayed release could be confirmed by measuring proliferation and alkaline phosphatase. Using the same parameters on human primary osteoblasts, additive effects of the combined coated wires were detected compared to the controls. By automation of the coating process, the individual steps of the dip-coating (mixing, immersion, retention and withdrawal velocity) could be navigated and controlled independent of an operator and examined in detail. The withdrawal velocity and the viscosity of the polymer solution had a relevant influence on the amount of polymer/substance deposited on the surface of the wires. This coating machine enables a defined and standardized coating of implants. In this work an in vivo applicable “drug delivery system” for implants was investigated and advanced. It is shown that by using only one polymer it is possible to release several substances at different time-points from implants by using the preliminarily characterized release mechanisms. The time-shifted activities of the growth factors mimic the natural chronology of factors after a bone fracture, which regulate sequential healing phases. Additionally a coating machine was developed for standardized coatings. The sequential release of an antibiotic and two growth factors from a one-component implant coating has the potential as a future therapy for impaired bone healing.