Die vorliegende Arbeit behandelt die geometrischen, elektronischen und vibronischen Eigenschaften der reinen und defektbehafteten V2O5(010)-Oberfläche in Untersuchungen mithilfe dichtefunktionaltheoretischer (DFT-)Methoden. Zusätzlich zur Charakterisierung der Oberflächen wurde ihre Wechselwirkung mit CO, H und H2 analysiert, wobei das Hauptaugenmerk auf der Bestimmung von Energiebarrieren lag.
Die Untersuchung zeigt, dass eine vollständige Normalmodenanalyse der Oberflächeneinheitszelle im Rahmen der Clusternäherung zur Bestimmung des Gamma-Phononenspektrums möglich und in guter Übereinstimmung mit anderen theoretischen und experimentellen Vergleichswerten ist. Die Standardabweichung von 36 cm-1 relativ zu experimentellen Werten ist typisch für DFT-Rechnungen. Auf der Grundlage dieser Analyse wurde eine neue Zuordnung der Peaks im HREELS-Spektrum der reinen V2O5-Oberfläche vorgeschlagen. Desweiteren kann man die Frequenzaufspaltung von parallel und antiparallel zueinander schwingenden Vanadylgruppen auf rein elektronische Effekte (Ladungstransfer bzw. induzierte Dipolkopplung) zurückführen. Die berechnete Frequenzdifferenz von 16 cm-1 stimmt dabei gut mit dem experimentellen Wert von 20 cm-1 überein.
Neben der reinen Oberfläche wurden auch defektbehaftete Oberflächen untersucht. Dabei war die Unterscheidung der unterschiedlich koordinierten Sauerstoffleerstellen - hinsichtlich der geometrischen Relaxation ihrer Umgebung, der Änderungen in der lokalen elektronischen Struktur sowie ihr Einfluss auf Vibrationen der Umgebung - von besonderem Interesse. Die verstärkte Zwischenlagenwechselwirkung infolge der O(1)-Leerstellenbildung führt zu einer entscheidenden Absenkung der Leerstellenbildungsenergie gegenüber O(2)- und O(3)-Leerstellen, in Übereinstimmung mit vorangegangenen theoretischen Arbeiten [21,90,91,112] sowie einigen experimentellen Ergebnissen [84,106,107]. Großen Raum nahm die Analyse der vibronischen Eigenschaften in der Nähe von Sauerstoffleerstellen ein. Es konnten signifikante Änderungen der Frequenzen festgestellt werden, die eine Identifizierung von Sauerstoffleerstellen mithilfe von Vibrationsspektren ermöglichen könnten. So ergeben sich z.B. für jeden Leerstellentyp charakteristische Verschiebungen der Streckschwingungsfrequenz von benachbarten Vanadylgruppen, die bei guter Auflösung der Spektren nachweisbar sein sollten. Ein erster Vergleich mit neueren HREELS-Messungen [105,123] weist darauf hin, dass die Reduktion der V2O5-Oberfläche mit atomarem Wasserstoff in erster Linie O(2)-Leerstellen erzeugt, was allerdings nicht mit der Reihenfolge der Leerstellenbildungsenergien vereinbar ist.
Als Modellreaktion wurde die CO-Oxidation auf der reinen Vanadiumpentoxidoberfläche untersucht. Um eine Abschätzung der Reaktionsraten zu erhalten, wurde dabei auf die Bestimmung von Übergangszuständen besonderer Wert gelegt. Die CO-Oxidation kann zur Bildung sowohl von CO2 als auch CO3 führen. In beiden Fällen wird die Oxidationsreaktion im Grundzustand durch hohe Reaktionsbarrieren verhindert. Eine Anregung der Oberfläche, die hier durch eine Singulett-Triplett-Anregung des Oberflächenclusters modelliert wurde, verkleinert die Energiebarrieren jedoch erheblich. Dies erklärt die photokatalytische Eigenschaft von V2O5-Katalysatoren bei der Oxidation von Kohlenmonoxid. Der Reaktionspfad, der zur CO-Oxidation führt, verläuft in allen Fällen über einen ,,Umweg``, bei dem sich das CO-Molekül der Oberfläche unter einem Winkel zur Oberflächennormalen nähert. In einigen Fällen führt dies über einen metastabilen Zwischenzustand, den man als gewinkelte CO2-- Oberflächenanionspezies bezeichnen kann. Die Oberflächenkarbonatspezies kann ebenfalls als Zwischenzustand bei der CO-Oxidation mit dem einfach koordinierten Oberflächensauerstoff fungieren, wodurch die Reaktionsbarriere an O(1) abgesenkt wird.
Untersuchungen der Wechselwirkung von atomarem Wasserstoff mit der Vanadiumpentoxidoberfläche konnten bisherige theoretische Untersuchungen bestätigen, nach denen das H-Atom mit O(1), O(2) und O(3) zu Oberflächenhydroxylgruppen reagiert [21,89,113,143,144]. Die Vibrationsanalyse ermöglichte eine weitergehende Geometrieoptimierung, die im Fall des Brückensauerstoffplatzes O(2) zu einer anderen Gleichgewichtsgeometrie der OH- Gruppe als in den bisherigen theoretischen Arbeiten führte. Mit einer allgemeinen Normalmodenanalyse konnten die sechs Vibrationsfrequenzen der einzelnen Hydroxylgruppen bestimmt werden. In Übereinstimmung mit früheren DFT-Untersuchungen [21,89,113,143] erweist sich die Hydroxylgruppe am O(1)-Platz als energetisch am stabilsten. Danach folgen mit abnehmenden Bindungsenergien die Plätze O(2) und O(3). Wenn man die Bindungsenergie hingegen relativ zu den getrennten Systemen Leerstellencluster und freies OH- Radikal berechnet, ändert sich diese Reihenfolge. Danach ist die Hydroxylgruppe am O(3)-Platz am leichtesten von der Oberfläche zu entfernen, während die OH-Gruppe am O(2)-Platz die größte Bindungsenergie aufweist. Es konnten auch Übergangszustände, die zur Bildung von Hydroxylgruppen durch Adsorption von atomarem und molekularem Wasserstoff führen, bestimmt werden. Im ersten Fall ergeben sich niedrige Reaktionsbarrieren, die auf die reine elektrostatische Wechselwirkung zwischen den Elektronendichten von H-Atom und Substrat zurückzuführen sind. Im zweiten Fall ist der H2-Bindungsbruch für hohe Energiebarrieren bei der dissoziativen Chemisorption von H2 verantwortlich. Beide Ergebnisse sind im Einklang mit dem Experiment. Insgesamt ergeben sich am Vanadylsauerstoffplatz O(1) hierbei die kleinsten Energiebarrieren.
Für die Untersuchungen wurde das DFT-Programmpaket StoBe um die Bader- Ladungsanalyse und die Vibrationsanalyse erweitert. Dabei erwiesen sich die Bader-Ladungen in vielen Fällen als verlässlicher und auch besser vergleichbar mit dem Experiment als Mulliken-Ladungen. Berechnete Vibrationsfrequenzen sind in guter Übereinstimmung mit experimentellen Werten. Abweichungen liegen in dem für DFT-Rechnungen typischen Rahmen. Weiterhin konnte eine Strategie entwickelt werden, mit dem das Auffinden sowohl von Gleichgewichtsgeometrien als auch von Übergangszustandgeometrien eindeutig möglich ist. Diese verknüpft die Pseudo-Newton-Raphson-Technik mit der Vibrationsanalyse. Die Geometrieoptimierung liefert einen stationären Punkt der Energiefläche, dessen topologische Umgebung dann mithilfe der Vibrationsanalyse sondiert werden kann. Gegebenenfalls muss die Geometrie entsprechend der berechneten Normalmoden modifiziert werden, um zu einem (lokalen) Minimum bzw. einem Sattelpunkt der Energiefläche zu gelangen. Dabei hat es sich als vorteilhaft erwiesen, stets mit der größtmöglichen Punktsymmetrie des Systems zu beginnen, um diese dann gegebenenfalls Schritt für Schritt zu verkleinern.
The present work examines the geometric, electronic and vibronic properties of the clean and defective V2O5(010) surface by density functional theory methods (DFT). In addition to the characterization of the surfaces their interaction with CO, H and H2 was analyzed with the main focus on the determination of energy barriers.
It could be shown that a complete normal mode analysis (Gamma-phonons) of the surface unit cell in order to determine Gamma-phonons is possible using cluster models. The results are in good agreement with available theoretical and experimental data. The root mean square relative to experimental data of 36 cm-1 is typical for DFT calculations. Based on this analysis a new peak assignment in HREELS spectra of the clean V2O5 surface was proposed. Moreover the frequency splitting of neighboring vanadyl groups vibrating parallel and antiparallel could be ascribed to electronic effects (charge transfer or induced dipole coupling). The calculated frequency difference of 16 cm-1 is in good agreement with the experimental value of 20 cm-1.
In investigations of defective surfaces the discrimination of differently coordinated oxygen vacancies - regarding relaxation of the local geometry, changes in the electronic structure, and their influence on local vibrations - was of particular interest. The increased inter-layer interaction upon formation of O(1) vacancies leads to a noticeable decrease of the vacancy formation energy compared with O(2) and O(3) vacancies. This is in agreement with previous theoretical work [21,90,91,112] as well as experimental results [84,106,107]. In analyses of vibrational properties near oxygen vacancies significant changes of fundamental frequencies could be determined. These might allow an experimental discrimination of oxygen vacancies in vibrational spectra. The stretching frequency of neighboring vanadyl groups shifted differently according to the vacancy type. Here blue and red shifts should be detectable in well resolved vibrational spectra. A first comparison with recent HREELS measurements [105,123] indicates that the reduction of the V2O5 surface by atomic hydrogen leads to formation of O(2) vacancies which, however, is not consistent with the sequence of calculated vacancy formation energies.
CO oxidation at the clean vanadium pentoxide surface was investigated as a model reaction. Corresponding transition states allow estimates of reaction rates. CO oxidation can lead to formation of both CO2 and CO3. In both cases the oxidation is hindered by high reaction barriers in the ground state. Surface excitations, modelled by singlet-triplet excitations of the surface clusters, decrease the energy barriers considerably. This can explain the photocatalytic property of V2O5 catalysts in the oxidation of carbon monoxide. The reaction path that leads to CO oxidation proceeds always such that the CO molecule approaches the surface in a tilted geometry relative to the surface normal. In some cases the reaction proceeds via an intermediate metastable state that can be described as a bent CO2- surface anion species. The surface carbonate species can also serve as a metastable state in the formation of CO2 at the O(1) site. In this case the reaction barrier is reduced.
Studies of the interaction of atomic hydrogen with the vanadium pentoxide surface can confirm previous theoretical results which showed that the H atom reacts with O(1), O(2) and O(3) to surface hydroxyl groups [21,89,113,143,144]. The present vibrational analysis makes a more reliable geometry optimization possible. The results lead to a different equilibrium position of the OH group at the bridging position O(2) than in previous theoretical investigations. Using a general normal mode analysis the six vibrational frequencies of the hydroxyl groups could be determined. The hydroxyl group at O(1) turns out to be energetically preferred which is in accordance with previous DFT calculations [21,89,113,143]. Then, the sites O(2) and O(3) follow with decreasing binding energy. If the binding energy is taken with respect to an OH radical desorbed from an oxygen vacancy, the energetic sequence changes. The hydroxyl group at O(3) is the easiest to remove from the surface while the OH group at O(2) exhibits the highest binding energy. Transition states for hydroxyl formation by adsorption of atomic and molecular hydrogen were also determined. In the first case, energy barriers are very small and can be ascribed to the repulsive electrostatic interaction between electron densities of the H atom and the substrate. In the second case, the H2 bond breaking is responsible for the high reaction barriers in the dissociative H2 adsorption. Both results are consistent with experiment. Reaction at the vanadyl oxygen site O(1) yields always smallest energy barriers.
For the present investigations the DFT code StoBe was extended to include a Bader analysis and a vibrational analysis. In many cases Bader charges turned out to be more reliable and better to compare with experiment than Mulliken charges. The calculated vibrational frequencies are in good agreement with experimental data where deviations are of a size typical for DFT. Furthermore, a strategy could be developed to identify both equilibrium geometries and transition state geometries in an unambiguous manner. It combines the pseudo Newton-Raphson technique with the vibrational analysis. Geometry optimizations yield stationary points of the energy surface whose topological environment can be probed by a normal mode analysis. If necessary the geometry must be modified according to the calculated normal modes to arrive at a local minimum or a saddle point of the energy potential surface.