Bei der forensischen Untersuchung eines Todesfalls nimmt die Blutalkoholanalyse einen wichtigen Stellenwert ein. Die für rechtliche Fragestellungen wichtige Beurteilung des Alkoholisierungsgrades zum Todeszeitpunkt gestaltet sich bei fäulnisveränderten Leichen als schwierig, da Ethanol auch im Rahmen von Fäulnisprozessen gebildet werden kann. Neben Ethanol wurden bei fäulnisveränderten Leichen eine Gruppe anderer Substanzen festgestellt, die sogenannten Fäulnisalkohole, welche allerdings auch als Begleitstoffe in alkoholischen Getränken vorkommen. Wenn bei stark fäulnisveränderten Leichen kein Blut mehr gewonnen werden kann, asserviert man Muskelproben zur Ethanolanalyse. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob es zwischen Vergleichsgruppen mit und ohne Fäulnisveränderungen Unterschiede in der Nachweishäufigkeit von Ethanol sowie im Ausmaß der absoluten Ethanolkonzentrationen gibt. Weiterhin wurde überprüft, ob Blut- und Muskelethanolkonzentrationen bei fäulnisveränderten Leichen miteinander korrelieren. Als dritter Komplex wurden die Regelmäßigkeit und das Ausmaß des Auftretens von Fäulnisalkoholen in Abhängigkeit zur fortschreitenden Leichenfäulnis und im Zusammenhang mit der Ethanolkonzentration betrachtet. Die Studiengruppe umfasste 493 Leichen, die im Berliner Landesinstitut für gerichtliche Medizin im Zeitraum September 2005 bis Juli 2006 obduziert und toxikologisch untersucht wurden. Es gab keine Ausschlusskriterien. Die Konzentrationen von Ethanol, Methanol, Isopropanol, Aceton, n-Propanol, n-Butanol, sekundär-Butanol, tertiär-Butanol und Isobutanol wurden in Blut (Vena femoralis) und Muskel (Oberschenkelmuskulatur und Hüftbeuger/ Musculus psoas major) gaschromatografisch bestimmt. Im Urin wurden Ethanol, Methanol, Isopropanol, Aceton, n-Propanol und n-Butanol bestimmt. Die Nachweisgrenze für die gemessenen Fäulnisalkohole wurde mit 0,02 g/kg so gewählt, dass eventuell durch prämortalen Getränkekonsum aufgenommene Begleitstoffe weit unter der Nachweisgrenze lägen. Die Obduktionsberichte und die polizeilichen Ermittlungsberichte wurden retrospektiv nach folgenden Angaben ausgewertet und analysiert: allgemeine Daten, Fäulnisstadium, Todesursache, Auffindeumgebung, postmortales Zeitintervall und Vorliegen von Alkoholismus zu Lebzeiten. Die vorliegende Arbeit vergleicht lediglich „Momentaufnahmen“ von Substanzkonzentrationen in Proben verschiedener Leichen, die sich zum Untersuchungszeitpunkt in einem bestimmten Fäulniszustand befanden. Aussagen über einen Prozess der Konzentrationsänderung von Ethanol und Fäulnisalkoholen in zeitlicher Abhängigkeit zur Leichenfäulnis ließen sich nur treffen, wenn von denselben Leichen Proben zu unterschiedlichen Stadien der Fäulnis analysiert würden. Im Blut stiegen sowohl Konzentrationen als auch Nachweishäufigkeiten von Ethanol mit zunehmender Fäulnis. Hinsichtlich der Ethanolnachweishäufigkeit in verschiedenen Konzentrationsbereichen zeigte sich mit zunehmender Fäulnis eine Verschiebung in Form einer Abnahme des Anteils der Ethanolnachweise zwischen 0 und 0,5 g/kg zugunsten des Anteils mit einer Ethanolkonzentration zwischen 0,5 und 1,5 g/kg. Eine Ethanolmenge zwischen 0,5 und 1,5 g/kg kann demnach als möglicher Umfang einer Ethanolneogenese im Blut angenommen werden. Ein Versuch der Differenzierung zwischen konsumiertem und durch Fäulnis gebildetem Ethanol wurde unternommen, indem man von der Gruppe zu Lebzeiten Alkoholabhängiger annahm, dass sie größtenteils auch zum Todeszeitpunkt alkoholisiert waren. Zu Lebzeiten nicht Alkoholabhängige wurden mit der Annahme versehen, größtenteils zum Todeszeitpunkt nicht alkoholisiert gewesen zu sein. Betrachtete man die Ethanolkonzentrationsänderung in Abhängigkeit zur fortschreitenden Fäulnis unter diesem Aspekt, so zeigte sich bei den Alkoholabhängigen eine Ethanolkonzentrationsabnahme in Blut, Urin und Muskel und bei den nicht Alkoholabhängigen eine Ethanolkonzentrationszunahme in Blut und Urin. Frische Leichen mit Alkoholabhängigkeit zu Lebzeiten wiesen eine um 1,19 g/kg höhere mittlere Blutethanolkonzentration auf als frische Leichen ohne Alkoholabhängigkeit. Bei fäulnisveränderten Leichen betrug diese Differenz 0,36 g/kg. Wenn die Beobachtung der fäulnisbedingten Abnahme einer initial hohen Blutethanolkonzentration experimentell bestätigt werden könnte, würde dies für die rechtsmedizinische Praxis bedeuten, dass man für fäulnisveränderte Leichen je nach initialer Ethanolkonzentration eine Ab- oder Zunahme der Ethanolmenge berücksichtigen müsste. Die Ethanolkonzentrationen im Musculus psoas lagen in allen Stadien der Leichenfäulnis auf dem annähernd selben Niveau. Im M. quadrizeps femoris war mit fortschreitender Fäulnis zunächst ein Abfall der Ethanolkonzentration, gefolgt von einem Anstieg zu verzeichnen. In 70% der Fälle wurden im Musculus psoas höhere Ethanolkonzentration gemessen als im Musculus quadrizeps femoris bei einer mittleren Differenz von 0,4 g/kg. Dies könnte mit der topografisch nähren Lage des Musculus psoas zu Darm erklärt werden. Ein linearer Zusammenhang zwischen den Muskelethanolkonzentrationen beider Entnahmestellen und der Blutethanolkonzentration war nicht gegeben. Sowohl die Nachweishäufigkeiten als auch die Konzentrationen der Begleitstoffe stiegen in Blut, Muskel und Urin mit zunehmender Fäulnis an und lagen insgesamt bei Fäulnis in vielfach höherer Konzentration vor als bei frischen Leichen. Eine Ausnahme stellte Isobutanol dar, welches nur im Muskel nachgewiesen wurde und dort mit fortschreitender Fäulnis an Konzentration und Nachweishäufigkeit abnahm. Methanol wurde in keiner Probe nachgewiesen. Tertiär-Butanol kam weder im Blut noch im Muskel vor. Unter den untersuchten Substanzen scheint n-Propanol als Fäulnisindikator in Blut- und Urinproben am geeignetsten, da es am häufigsten nachgewiesen wurde und in seiner Menge mit fortschreitender Fäulnis kontinuierlich zunahm. Im Muskel war n-Butanol die höchstkonzentrierte und am häufigsten nachgewiesene Substanz, gefolgt von n-Propanol. Sowohl im Blut als auch im Oberschenkelmuskel stand die n-Propanolkonzentration in linearem Zusammenhang zur Ethanolkonzentration. Damit kann n-Propanol als Indikator für Fäulnis und damit verbundene Ethanolneogenese betrachtet werden. Als zuverlässiger Marker für Fäulnis und damit verbundene Ethanolneubildung kann jedoch keiner der bestimmten Fäulnisalkohole betrachtet werden, denn keiner wurde in ausreichender Häufigkeit und in stabiler Relation zur Blutethanolkonzentration nachgewiesen.
In the forensic investigation of a death of a person, the analysis of blood alcohol plays a crucial role. Significant legal issues for assessing the degree of intoxication at the designated time of death is difficult as ethanol can also be formed as part of the decaying process. In addition to ethanol in decomposed corpses, a group of other substances may be found, they are the so- called decay alcohols or putrefactive oils, which are present but may also be found as substances present in alcoholic beverages. If one cannot obtain a blood sample in heavily putrefied corpses, a muscle sample may be used for ethanol analysis. The present study investigated whether comparisons may be made between groups with and without decay changes, differences in the frequency of detection of ethanol, and the extent of absolute ethanol concentrations. Furthermore, comparisons were made where blood and muscle ethanol concentrations correlate with each other in putrefied corpses. The third comparison made was the regularity and the extent of the occurrence of putrefaction in alcohol dependence, to the progressive decaying corpses and were considered in connection with the ethanol concentration. The study group consisted of 493 corpses that were examined in the Berlin National Institute of Forensic Medicine during the period of September 2005 to July 2006. There were no exclusion criteria. The concentrations of ethanol, methanol, isopropanol, acetone, n-propanol, n-butanol, secondary butanol, tertiary- butanol and isobutanol were determined in the blood (femoral vein) and muscle (thigh muscles and hip flexors/psoas major by gas chromatography. In urine ethanol, methanol, isopropanol, acetone, n-propanol and n-butanol were determined. The detection limit for the measure decay alcohol was 0.02g/kg chosen such that possibly far pre-mortal beverage consumption recoded by the compounds lie below the detection limit. The autopsy reports and police investigation reports were retrospectively evaluated and analyzed according to the following information: date when the body was found, decay stage, cause of death, the environment in which the body was found, post-mortem interval, and presence of alcoholism during their lifetime. The present study compares only “snapshots” of substance concentrations in samples of different corpses, which at the time of investigation, were in different degrees of decay. Statements about a process of change in concentration of ethanol and alcohols could decay in time, depending on the decaying corpse that only apply if bodies were analyzed by the same samples at different stages of decay. As the blood increased, there was increasing corruption of both concentrations and detection frequency of ethanol. Regarding the frequency of detection of ethanol in different areas of concentration showed decay with increasing displacement in the form of a decrease in the percentage of ethanol evidence from 0 to 1.5 g/kg, therefore can be accepted as a possible extent of putrefactive ethanol in the blood.