Chronische Schmerzen sind häufig nicht ausreichend diagnostiziert und eine globale Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen. Selbstbeurteilungsskalen werden als Goldstandard für die Messung von Schmerzen angesehen. In der Literatur wird jedoch immer wieder auf Probleme mit einzelnen Skalen hingewiesen. Auch die Heterogenität von Schmerzskalen und die Existenz vieler verschiedener Versionen zeigen, dass bei Wissenschaftlern keinesfalls Einigkeit besteht, welche Instrumente chronische Schmerzen am validesten abbilden können. Die Festlegung allgemeingültiger Parameter für die Messung von Schmerzen ist schwierig, da Schmerz als subjektive Empfindung charakterisiert wird und keine akzeptierten objektiven Parameter für die Schmerzerfassung vorliegen. Somit liegt die Herausforderung bei der Erfassung von Schmerzen darin, eine subjektive und komplexe Erfahrung möglichst valide abzubilden. Die Validität von Skalen zur Schmerzerfassung beruht oft nur auf der Korrelation mit anderen Skalen sowie auf Erfahrungswerten. Psychometrische Verfahren allein können möglicherweise nicht ausreichend beurteilen, ob die subjektive Schmerzerfahrung von Patienten auf den angewendeten Skalen wirklich abgebildet werden kann. Die Sicht der Patienten ist bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden, denn nur wenige Studien haben untersucht, ob die in den Fragebögen angewendeten Skalen aus Sicht der Patienten das messen, was sie messen sollen. Während einer randomisierten kontrollierten Studie (RCT), die die Effektivität von Qigong und physiotherapeutischen Nackenübungen bei älteren Patienten mit chronischen Schmerzen der Halswirbelsäule untersuchte, war die Frage nach Aussagekraft und Handhabbarkeit der verwendeten Fragebögen, insbesondere der Schmerzskalen aufgetreten. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Sichtweise der beteiligten Patienten auf vier validierte Skalen (1.Visuelle Analogskala (VAS), 2. Neck Pain and Disability Scale (NPDS), 3. Allgemeine Depressionsskala (ADS), 4. Short–Form–36–Questionnaire (SF-36)) zu erfassen und mögliche Schwierigkeiten beim Ausfüllen durch die Patienten zu identifizieren. Um die individuelle Perspektive der Patienten ausreichend zu erfassen, wurde eine qualitative Studie durchgeführt. Aus beiden Therapiegruppen der RCT wurden die Patienten ausgewählt, deren Schmerzen sich anhand der Fragebögen nach 3 Monaten Therapie im Vergleich zur Baseline deutlich verschlechtert hatten. Die Studienpopulation war zu 100% weiblich. Mit den 20 eingeschlossenen Patientinnen (Durchschnittsalter: 76,2 ± 4,52 Jahre) wurden semistrukturierte Interviews (Durchschnittslänge 37 ± 12,14 Minuten) durchgeführt, die wortgetreu transkribiert und mit der Software Atlas/ti® nach der strukturierten, qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet wurden. Anschließend wurden die Aussagen in den Interviews mit den Fragebögen der Patientinnen verglichen, um mögliche Widersprüche zu identifizieren. Es zeigte sich in den Ergebnissen, dass die Fragebögen nach Ansicht der Patientinnen wesentliche Aspekte des persönlichen Erlebens nicht abbilden konnten. Die Schwierigkeiten lagen nicht im Bereich der formalen Anforderungen des Ausfüllens, sondern darin, ihre Situation in dem vorgegebenen Format abzubilden. Besonders die Forderung nach Durchschnittsangaben (z.B. mittlere Schmerzintensität in den letzten 7 Tagen bei der VAS) wurde als problematisch angesehen, da für die Darstellung einer komplexen Situation nur ein Kreuz auf einer Skala erlaubt war. Die Patientinnen befürchteten zudem, dass diese reduzierten Angaben von den Wissenschaftlern falsch interpretiert werden könnten. Aus Sicht der Patientinnen gab es außerdem Widersprüche zwischen manchen Items der Fragebögen und ihrer persönlichen Lebenssituation sowie zwischen den Items und der Studienfrage. Um dem Dilemma zwischen Anforderung und eigenem Anspruch zu begegnen, bearbeiteten die Patientinnen die Fragebögen mit unterschiedlichen Strategien. Besonders häufig wurden die Fragebögen mit Randnotizen ergänzt, um die eigene Erfahrung möglichst nachvollziehbar darzustellen. Es wurde jedoch auch eine willkürliche Bearbeitung von Items beschrieben. Viele Patientinnen bezweifelten die Aussagekraft der validierten Fragebögen und würden eine direkte Kommunikation mit den Wissenschaftlern in Form eines Interviews deutlich bevorzugen. Diese qualitative Studie gibt Hinweise darauf, dass bei älteren Patienten die Ergebnisse quantitativer Skalen zur Erfassung von Schmerzen nicht unbedingt zu validen Daten führen. Weitere Forschung zu altersgerechten Messinstrumenten unter Berücksichtigung der Patientenperspektive ist notwendig.
Chronic pain is a global public health challenge and often underdiagnosed. While self-assessment scales are considered the gold standard for evaluation of pain, certain issues remain. Investigators disagree which scale ideally describes chronic pain due to the subjective nature of its perception and difficulty to score objective parameters for this complex experience. Pain scales were frequently validated with other scales. However, psychometric tests alone are probably unable to evaluate how well the individual pain experience of the respective patient is described by a scale. The patient perspective has received too little attention in previous studies. A substudy of a recent randomized controlled trial that investigated the efficacy of Qigong and physical therapy in elderly patients with chronic neck pain, evaluated the usability and validity of the questionnaires employed, particularly pain scales. Here we aimed to identify and describe the patient perspective on four validated scales: Visual Analog Scale (VAS), Neck Pain and Disability Scale (NPDS), General Depression Scale (ADS) and Short Form 36 Questionnaire (SF-36) using qualitative methodology. Patients were selected from both groups of the RCT, if their pain had worsened over a three month period compared to baseline according to the questionnaires. Twenty patients were included (100% female, average age: 76.2 ± 4.52 years). Semi structured interviews were performed (average lengths: 37 ± 12.14 min), transcribed and evaluated according to the Content Analysis by Mayring using Atlas/ti® software. Next, the information from the interviews was compared to the questionnaire results in order to identify possible discrepancies. Our results demonstrate that important aspects of patient s personal experience concerning pain and therapy success could not be recorded by the scales used. This did not result from any technical difficulties completing the forms but rather the inability to see their personal situation reflected by the items collected. Patients expressed concern about the request for average values and the potential false interpretation of their responses by researchers. To resolve this dilemma, they frequently added comments to the questionnaire. Most would have preferred a personal interview. In summary, we identified important limitations of scale based pain research. More research is needed to develop age adjusted instruments and better incorporation of the patient s perspective.