In this habilitation I focus on studies that investigate the ethical and conceptual considerations of using individualized risk estimates in medical care, particularly the use of individualized risk estimates in medical practice and for individual decision-making. The aim is to learn about the ethical implications that arise when a tool that is developed within one discipline, epidemiology, is moved into medical and public health practice for health communication and decision-making purposes. Conceptual concerns, such as the difference between populations and individuals, as well as how an individual comes to be represented in a population, are of further interest in order to understand the implications of the use of individualized risk estimates. Finally, the studies analyze how such individualized risk estimates may be used (or not) in real-life settings, including their use by laypersons and health care professionals. The findings suggest that the critiques of individualized risk estimates include problems associated with using information on population fractions to suggest precise individual prediction, conflating risk prediction and risk reduction, and translating probabilistic information onto a single event in an individual’s life. Indeed, one cannot yet quantify on an individual level how an individual’s risk may change when he or she changes his or her risk factors. Case studies of how individualized risk estimates may be used in lay decision-making found that it was impossible for a woman to transform the statistical information into personally relevant information, as the probabilities could not tell her whether she would get the disease. Physicians, in turn, were not overtly enthusiastic about the use of individualized risk estimates because they perceived them as adding only a limited amount of new information about their patients. The main goal of using individualized risk estimates outside of epidemiology is to guide health decision-making and help identify individuals who should be targeted with risk-reducing measures. The findings suggest that this may be of importance at a population level in terms of targeting interventions, but not for individual health communication, as individuals may know qualitatively that they are at risk (or not) and may not use the quantified risk information in the manner that health care policy would like. The nature of probabilistic information and the manner in which individualized risk estimates are developed suggest that this may indeed be a reasonable approach by individuals and health care providers.
Die Habilitation thematisiert die Anwendung epidemiologischer Risikoscores in medizinischer und Public Health Praxis. Dabei fragt sie nach den ethischen und konzeptionellen Konsequenzen der Anwendung von Risikoscores für die individuelle Entscheidungsfindung im klinischen Alltag sowie nach dem Zusammenhang von Individuum und Population in der Herstellung epidemiologischen Wissens. Das Ziel der Arbeit ist es, ethische Implikationen des Transfers eines Wissensinstruments, in diesem Falle vonRisikoscores, in die klinische Praxis nd die Gesundheitskommunikation. In ihrer Anwendung werden Risikoscores vornehmlich zur Risikokommunikation und zur Unterstützung von Entscheidungsfindungsprozessen genutzt. Hier spielen neben ethischen auch konzeptionelle Überlegungen eine wichtige Rolle. Vor allem die Frage des Verhältnisses zwischen Individuum und Population muss diskutiert werden, wenn populationsbasierte Wissensformen für individuelle Entscheidungsfindungen und Wissenskommunikation genutzt werden. Fragen, die hier gestellt werden sind beispielsweisewwie wird ein Individuum in einer Population repräsentiert? welche Unterschiede bestehen zwischen Individuum und Population und welche Umwandlungsprozesse sind notwendig, um das Individuum in eine statistische Population einzupassen. Schließlich ist auch zu fragen, wie die Wissensinstrumente in der Praxis eingesetzt werden. Die Ergebnisse der in der Habilitation dargestellten Studien zeigen, dass in der Anwendung von Risikoscores in der Praxis Risikoprädiktion mit Risikoreduktion ineinander aufgehen. Dies stellt insofern ein Problem dar, als dass es nicht möglich ist auf individueller Ebene vorherzusagen, wie eine Verhaltensänderung das Risiko verändert. Risikoscores ermöglichen Prädiktion für eine Bevölkerungsfraktion, nicht aber die Berechnung einer Risikoreduktion für ein Individuum, dass sein Verhalten ändert. . Fallanalysen vom Einsatz von Risikoscores in individuellen Therapieentscheidungen zeigten, dass es nicht möglich ist, die statistische Information in persönlich relevante Informationen umzuwandeln. Auch von Ärzten wurde der Einsatz von Risikoscores kritisch bewertet, da der zusätzliche Nutzen zu ihrem bereits vorhandenen Wissen über die Patienten nicht erkennbar war. Die Anwendungsgebieten von Risikoscores in der Praxis sind vornehmlich die Unterstützung bei Entscheidungsfindungen und die Identifikationen von Patientenpopulationen zu identifizieren, bei denen Interventionen sinnvoll erscheinen. Die Ergebnisse dieser Habilitation deuten drauf hinsuggeriert, dass die Anwendung auf Populationsebene sinnvoll ist, im Gegensatz zur Nutzung bei individuellen Entscheidungen. Dies liegt zum einen daran, dass Individuen Wahrscheinlichkeitswissen skeptisch gegenüber stehen, zum anderen, dass Wahrscheinlichkeitswissen populationsbasiertes Wissen ist, dass individuell schwer interpretierbar zu interpretieren ist. Die Habilitation macht deutlich, wie wichtig es weiterhin sein wird, der Frage, wie Wahrscheinlichkeitswissen individuell interpretierbar gemacht wird, weiter nachzugehen, um Gesundheitskommunikation und –information zu verbessern.