Stillen bietet Müttern und Kindern eine Vielzahl von kurz- und langfristigen Vorteilen. So zeigt eine große Zahl von populationsbezogenen Studien, dass gestillte im Vergleich zu nicht gestillten, d.h. mit Formula ernährten Säuglingen ein geringeres Risiko aufweisen, im späteren Leben Übergewicht und damit assoziierte Stoffwechselstörungen zu entwickeln. Darüber hinaus zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass Stillen einen unabhängigen positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kognition und Psychomotorik hat. Demnach könnte Stillen im Sinne von Primärprävention gerade für Kinder diabetischer Mütter von besonderer Bedeutung sein, da diese einerseits ein erhöhtes Risiko aufweisen, Übergewicht und damit assoziierte Stoffwechselerkrankungen zu entwickeln, und andererseits eine verzögerte psychomotorische und kognitive Entwicklung im Vergleich zu Kindern gesunder Mütter zeigen. Bisher fehlen jedoch fast völlig Untersuchungen zu diesem Themenkomplex. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, in einer zweiteiligen epidemiologischen Studie und einer komplementären tierexperimentellen Untersuchung Folgen einer Ernährung mit Muttermilch bei Vorliegen eines mütterlichen Diabetes zu charakterisieren. Hierzu untersuchten wir in der Kaulsdorfer Kohortenstudie (Kaulsdorf Cohort Study, KCS), einer prospektiven Kohortenstudie an Kindern diabetischer Mütter, die Auswirkungen der Aufnahme diabetischer Muttermilch (diabetic breast milk, DBM) auf das spätere Übergewichtsrisiko, die Psychomotorik und die Kognition. Das Übergewichtsrisiko der Kinder war in Abhängigkeit von der in der ersten Lebenswoche (frühe Neonatalperiode) aufgenommenen Menge an Milch ihrer diabetischen Mutter erhöht. In der univariaten Analyse war die Aufnahme von Milch diabetischer Mütter in der späten Neonatalperiode (2. bis 4. Lebenswoche) mit einem zweifach erhöhten Übergewichtsrisiko im späteren Kindesalter, verglichen mit ausschließlicher Flaschennahrung, assoziiert. Diese Assoziation blieb auch nach Adjustierung auf eine Reihe von Konfoundern erhalten. Nach Adjustierung auf das Volumen an DBM, das die Kinder innerhalb der ersten Lebenswoche aufgenommen hatten, war jedoch kein unabhängiger Einfluss der DBM-Aufnahme während der späten Neonatalperiode mehr erkennbar. Die Aufnahme von DBM während der frühen Neonatalperiode hatte einen dosisabhängigen positiven Einfluss auf Parameter der psychomotorischen Entwicklung. Gleichzeitig war jedoch ein dosisabhängiger negativer Einfluss auf einen wesentlichen kognitiven Parameter, nämlich das Erreichen des Meilensteins Sprechen erster Wörter , zu beobachten. Im Tiermodell führte die Ernährung mit der Milch diabetischer Rattenmütter bei den Nachkommen zur Entstehung einer hypothalamischen Fehlprogrammierung im Sinne einer erworbenen neuroendokrinen Disposition für Hyperphagie, Übergewicht und diabetogene Stoffwechselstörungen: Trotz unveränderter peripherer Konzentrationen von Glukose, Insulin und Leptin zeigten mit diabetischer Muttermilch ernährte Tiere eine up-Regulation orexigener, d.h. die Nahrungsaufnahme und Körpergewichtszunahme stimulierender, und eine down- Regulation anorexigener, d.h. die Nahrungsaufnahme und Körpergewichtszunahme hemmender Neuropeptide im Nucleus arcuatus hypothalami. Zusammengefasst zeigen diese Untersuchungen, dass bei Kindern diabetischer Mütter die Aufnahme diabetischer Muttermilch in der frühen Neonatalperiode zu einer Erhöhung ihres späteren Übergewichtsrisikos und zu einer Hemmung ihrer kognitiven Entwicklung führen könnte. Im Rattenmodell führte eine Ernährung mit diabetischer Muttermilch zu strukturellen und funktionellen Veränderungen in hypothalamischen Kerngebieten, die für die Regulation von Körpergewicht und Stoffwechsel von zentraler Bedeutung sind. Weitere Studien zu potenziellen positiven und negativen Folgen einer Säuglingsernährung mit diabetischer Muttermilch sind dringend erforderlich. Generell könnte Stillen mit seinen langfristigen Auswirkungen ein wichtiges Paradigma für die perinatale Programmierung von Gesundheit und Krankheit darstellen.
Breast feeding offers a number of short- and long-term advantages to mothers and their children. Many population-based studies have shown that, e.g., breast-fed infants are at lower risk of later overweight and associated disturbances than formula-fed infants. Furthermore, numerous studies point to an independent positive influence of breast feeding on psychomotor and cognitive development. Therefore, breast feeding could, as a measure of primary prevention, be of particular importance for offspring of diabetic mothers who are at increased risk of developing overweight and associated disturbances and often present with delayed psychomotor and cognitive development, as compared to children of healthy mothers. However, this has rarely been investigated before. Here, we carried out a two-part epidemiological study as well as a complementary experimental study to characterize consequences of ingesting breast milk from diabetic mothers. In the Kaulsdorf Cohort Study (KCS), a prospective cohort study in children of diabetic mothers, we investigated consequences of ingesting diabetic breast milk (DBM) on later overweight risk and on psychomotor and cognitive development. Childhood overweight risk was increased in children who had ingested more DBM during the early neonatal period (first week of life). Univariate analysis revealed that DBM intake during the late neonatal period (second to fourth week of life) was associated with a doubled risk of overweight in childhood. Adjustment for a number of confounders did not change this effect. However, after adjustment only for the DBM volume ingested during the first neonatal week no independent effect of late neonatal DBM ingestion was observed. Early neonatal DBM ingestion had a dose-dependent positive influence on psychomotor development, but showed a dose-dependent negative impact on an important cognitive parameter, namely on reaching the developmental milestone speaking first words . Cross-fostering normal pups to diabetic rat dams led to hypothalamic malprogramming in terms of an acquired neuro-endocrine disposition to hyperphagia, overweight, and diabetogenic disturbances: Despite unchanged peripheral concentrations of glucose, insulin, and leptin, offspring suckled by diabetic dams presented with an up-regulation of orexigenic neuropeptides, i.e., of those stimulating food intake and body weight gain, and with a down- regulation of anorexigenic neuropeptides, i.e., of those inhibiting food intake and body weight gain, in the hypothalamic arcuate nucleus. Taken together, early neonatal ingestion of diabetic breast milk might increase later overweight risk and retard cognitive development in offspring of diabetic mothers. In the cross-fostering model, exposure to maternal diabetes during lactation through intake of diabetic breast milk led to profound structural and functional alterations in hypothalamic nuclei which are decisively involved in the lifelong regulation of food intake, body weight, and metabolism. Further studies on possible positive and negative consequences of infant nutrition with diabetic breast milk are urgently needed. In general, breast feeding with its long-lasting consequences might be an important paradigm of perinatal programming of health and disease.