Aufgrund ihres breiten Wirkspektrums, welches auch einige Keime mit Resistenzentwicklung gegenüber Standardantibiotika einschließt, ihrer guten Gewebegängigkeit und ihrer noch relativ guten Resistenzlage, stellen Chinolone eine wichtige und häufig indizierte Substanzklasse antibakteriell wirksamer Therapeutika dar. Sie werden insbesondere bei Infektionen der Harn- und Atemwege sowie zur Behandlung von anderen systemischen Infektionen und Sepsis eingesetzt. Ciprofloxacin ist ein wichtiger und häufig eingesetzter Vertreter der Chinolone. Als seltene unerwünschte Arzneimittelwirkung können Chinolone zu Tendopathien in Form von unspezifischen Tendinitiden bis zur kompletten Sehnenruptur führen. Obwohl in den vergangenen Jahren viele Erkenntnisse hinzugewonnen werden konnten, ist der Pathomechanismus der Chinolon- induzierten Tendopathie nicht vollkommen geklärt. Insbesondere die Rolle einiger durch klinische Beobachtungen identifizierter Risikofaktoren ist noch unklar. Neben einem erhöhtem Lebensalter, einer gleichzeitigen oder vorangegangenen Glukokortikoidtherapie ist bei Vorliegen einer chronischen Niereninsuffizienz ein erhöhtes Risiko für eine Chinolon- induzierte Tendopathie beobachtet worden. Bei steigender Zahl chronisch niereninsuffizienter Patienten gewinnt die Untersuchung und Klärung dieses Risikofaktors an Bedeutung. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Etablierung eines in vitro Sehnenzellkulturmodells zur Simulation des Risikofaktors chronische Niereninsuffizienz. Mit Hilfe dieses Modells sollte die Voraussetzung für weitere Versuche und neue Erkenntnisse zum Mechanismus des tenotoxischen Potentials der Chinolone und dem Einfluss des Risikofaktors chronische Niereninsuffizienz geschaffen werden. Zur Simulation der chronischen Niereninsuffizienz wurde biochemisch aufbereitetes und fraktioniertes Hämofiltrat verwendet, welches bei der Hämofiltration chronisch niereninsuffizienter Patienten anfällt. Hämofiltrat stellt ein Blutplasmaäquivalent dar, welches als geeignetes Ausgangssubstrat zur Isolierung und Identifizierung von humanen Peptiden und anderen Stoffen verwendet werden kann. Die Verwendung von Hämofiltratfraktionen zur Untersuchung tenotoxischer Effekte stellt einen innovativen Ansatz dar. Mit Hilfe des Zellmodells sollten im Rahmen dieser Arbeit in vitro die Effekte von Ciprofloxacin und verschiedenen Ultrafiltrat-Substraten allein und in Kombination an Primärkulturen humaner Tenozyten im Monolayer untersucht werden. Die Analyse erfolgte sowohl morphologisch mittels Lichtmikroskopie als auch immunhistochemisch unter Einsatz einer semiquantitativen Auswertung durch Bildanalyse. Bei Untersuchung der Effekte von Ciprofloxacin allein konnten bereits für die niedrigste verwendete Konzentration von 1 mg/l Effekte auf die Sehnenzelle beobachtet werden. Ein signifikanter Effekt konnte ab einer Ciprofloxacin-Konzentration von 3 mg/l nachgewiesen werden, welche unter therapeutischen Bedingungen erreicht wird. Bei den in vitro Untersuchungen verschiedener aus Hämofiltrat gewonnenen Ultrafiltrat- Substraten konnte für alle verwendeten Fraktionen ein signifikanter Effekt auf die humanen Tenozyten in Form einer Abnahme des Hauptmatrixproteins Collagen Typ I nachgewiesen werden. Besonders auffällig war jedoch der Effekt des Ultrafiltrat-40, das wiederholt zu den deutlichsten Effekten führte. Auch morphologische Veränderungen konnten unter dem Lichtmikroskop beobachtet werden. So zeigte sich bei Inkubation mit Ultrafiltrat-40 bereits nach 24 h Inkubation eine im Vergleich zur Kontrolle auffällige Vakuolen- und Vesikelbildungen bei den humanen Tenozyten. In der kombinierten Testung von Ciprofloxacin 10 oder 30 mg/l sowie Ultrafiltrat-40 konnten additive Effekte nachgewiesen werden. In Kombination zeigte sich jeweils eine Verstärkung der reduzierenden Effekte auf Collagen Typ I sowie auf Fibronectin. Der in Kombination von Ciprofloxacin und Ultrafiltrat-40 aufgetretene additive tenotoxische Effekt steht in Übereinstimmung mit der klinisch beobachteten Risikoerhöhung für Chinoloninduzierte Tendopathien bei Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz. Das im Rahmen dieser Arbeit etablierte in vitro Modell erlaubt die Simulierung des Risikofaktors chronische Niereninsuffizienz und bietet die Voraussetzung für weiterführende Untersuchungen von urämischen Toxinen, welche auch im Serum nierengesunder Patienten vorliegen können und ihre Bedeutung beim Pathomechanismus der Chinolon-induzierten Tendopathie. Zudem bietet es die Möglichkeit im Rahmen weiterer Untersuchungen und biochemischer Analyseverfahren ursächliche tenotoxische Faktoren zu isolieren und zu identifizieren.
Tendon disorders are known as a rare but severe adverse effect of an antibacterial treatment with quinolones. Clinical observations have shown that chronic kidney diseases increase the risk for a quinolone-induced tendinopathy. So far, the pathomechanism is poorly understood. Therefore, we established an in vitro tenocyte model to simulate this risk factor by using chromatographically prepared fractions of hemofiltrate (HF) received from patients with chronic kidney disease (stage 5). Human-derived tenocytes were incubated for 24 and 72 h with five different HF-fractions (eluted with 10, 20, 40, 60, 80, 100% acetonitrile in water) alone and in combination with 0, 10, 30 mg ciprofloxacin/ l medium. To investigate effects on the extracellular matrix antibodies against collagen type I and fibronectin were used and analysed by Western blot and immunohistochemistry. Tenocytes incubated with the HF-fraction eluted with 40% acetonitrile (HF 40) showed a time dependent decrease of collagen type I in Western blotting compared to controls without addition of HF. A similar effect was not observed with the other fractions. Tenocytes incubated with ciprofloxacin alone led to a decrease of collagen type I and fibronectin compared to untreated controls. Combined incubation with HF 40 plus 10 or 30 mg ciprofloxacin/ l medium showed a time and concentration dependent decrease of collagen type I and fibronectin enhanced by HF 40 in comparison to cells treated with the quinolone only. These results demonstrate that our in vitro model is appropriate to simulate the risk factor “chronic kidney disease” in quinolone-induced tendinopathy and can be used for further investigations to enlighten the pathomechanism of this adverse effect of widely used drugs.