Einleitung und Herleitung der Aufgabenstellung Hydroxyethylstärke (HES)-basierte Volumenersatzmittel sind die derzeit in Europa am häufigsten eingesetzten künstlichen Kolloide. Zu den unerwünschten Arzneimittel-wirkungen von HES-Lösungen gehört die HES-induzierte Koagulopathie mit Störung der Fibrinpolymerisation und der Thrombozytenfunktion sowie das Auftreten eines HES-induzierten, erworbenen von-Willebrand-Syndroms Typ 1. Änderungen der HES- Präparationen in Bezug auf Molekülmasse, Substitutionsgrad und Konzentration konnten die Gerinnungsbeeinträchtigung nachweislich reduzieren. Moderne HES- Präparationen sind mittelmolekular, niedrigsubstituiert und meist isoonkotisch. Ältere hyperonkotische HES-Lösungen wurden mit einer verbesserten Hämodynamik und verbessertem Sauerstofftransport, jedoch auch mit einer stärkeren Gerinnungsstörung assoziiert. Die Einführung Elektrolyt- balancierter Trägerlösungen als Ersatz der klassischen 0,9 % Natriumchloridlösung resultierte in signifikant geringeren metabolischen Störungen; ein möglicher Vorteil auf die koagulopathischen Effekte wird bislang kontrovers diskutiert. Ziel der vorliegenden Studie war die systematische Untersuchung der Auswirkungen auf das Gerinnungssystem in vitro durch die Konzentration und die Trägerlösung moderner, mittelmolekularer niedrigsubstituierter HES-Präparationen sowie die Überprüfung der in vitro- Reproduzierbarkeit der Blutgruppenabhängigkeit des HES-induzierten erworbenen von-Willebrand-Syndroms Typ 1 durch diese modernen Präparationen. Methodik Iso- und hyperonkotische, nicht-balancierte und Elektrolyt-balancierte HES- Lösungen mit identischer Molekülmasse (MW 130.000 Da) und vergleichbarem Substitutionsgrad (DS 0,4 bzw. 0,42) wurden in einem in vitro- Hämodilutionsmodell mit Citratblut von zehn freiwilligen, gesunden Probanden der Blutgruppen 0 und A hinsichtlich des Effekts auf die konventionellen Laborparameter, das von-Willebrand-System und die mittels aktvierter Thrombelastometrie gemessenen dynamischen Funktionsparameter der Gerinnung in den Dilutionsgraden 20 %, 40 % und 60 % untersucht. Die untersuchten konventionellen Laborparameter beinhalteten ein kleines Blutbild, ionisiertes Calcium, Quick-Wert, aPTT, Faktor VIII sowie die Quantifizierung des von- Willebrand-Faktors (vWF) und dessen funktionelle Beurteilung. Im EXTEM-Test der Thrombelastometrie wurden die Parameter CT, CFT und MCF, im FIBTEM-Test die MCF untersucht. Die statistische Auswertung erfolgte mit non- parametrischen Tests. Ergebnisse Bezogen auf die Fragestellung nach dem Einfluss der HES-Konzentration zeigten sich in dieser Studie in den konventionellen Laborparametern zum Teil, aber nicht in allen Dilutionsstufen, signifikant höhere Quick- und FVIII-Werte bzw. niedrigere aPTT-Werte nach Dilution mit der hyperonkotischen HES-Präparation. Die Parameter des von- Willebrand-Systems zeigten keinen Vorteil der Dilutionen mit der 10-prozentigen HES. In den dynamischen Gerinnungsparametern der Thrombelastometrie dagegen wurde eine stärkere Ausprägung der HES-induzierten Gerinnungsbeeinträchtigung durch die höher konzentrierten Präparationen nachgewiesen. Auf die Frage nach dem Einfluss der Trägerlösung konnten in den konventionellen Laborparametern signifikant höhere Spiegel ionisierten Calciums und weniger stark beeinträchtigte Werte für Quick-Wert, aPTT sowie signifikant höhere Faktor VIII-Spiegel nach Hämodilution mit HES-Lösungen in calciumhaltiger Elektrolyt-balancierter Trägerlösung gemessen werden. Aus den Parametern des von-Willebrand-Systems ließ sich kein Vorteil der Elektrolyt- balancierten Trägerlösung ableiten. Der in der Literatur beschriebene Vorteil einer Elektrolyt-balancierten Trägerlösung auf die Thrombelastometrieparameter ließ sich nicht reproduzieren. Hinsichtlich des von-Willebrand-Systems konnten in dieser Studie die in der Literatur beschriebenen niedrigeren Werte des vWF, des assoziierten Faktor VIII und der funktionellen Aktivität des vWF für Träger der Blutgruppe 0 im Vergleich zu Trägern der Blutgruppe A reproduziert werden. Eine stärkere quantitative Beeinflussung des vWF durch moderne HES- Präparationen für Träger der Blutgruppe 0 ließ sich in der vorliegenden in vitro-Hämodilutionsstudie unter Berücksichtigung der physiologisch niedrigeren Ausgangswerte nicht nachweisen, eine stärkere funktionelle Beeinträchtigung jedoch auch nicht ausschließen. Diskussion und Schlussfolgerung Die Diskrepanz in den beobachteten Effekten einer höher konzentrierten HES-Lösung mit geringerer Beeinträchtigung konventioneller Laborparameter, aber stärkerer Beeinträchtigung der Thrombelastometrie ist im Einklang mit der vorhandenen Literatur und kann ein HES-bedingtes in vitro Messartefakt bei turbidimetrischer Bestimmung sein. Im Fall von turbidimetrischen, d.h. optischen, Bestimmung von Gerinnungs-parametern sollten in Anwesenheit von Kolloiden wie HES mit falsch-hohen Werten gerechnet bzw. mechanische Bestimmungsmethoden bevorzugt werden. Bei Fehlen valider in vivo-Daten sollte die Indikation für den hochvolumigen klinischen Einsatz einer hyperonkotischen HES-Präparation aufgrund der mittels Thrombelastometrie nachgewiesenen stärkeren Beeinträchtigung der Gerinnung streng gestellt werden. Die bislang kontrovers geführte Diskussion über mögliche Vorteile einer Elektrolyt- balancierten Trägerlösung in der HES-induzierten Dilutionskoagulopathie konnte mit dieser Studie um eine in vitro signifikante Beeinflussung des ionisierten Calciums und Calcium-abhängiger Laborparameter wie aPTT, Quick-Wert und FVIII und der Parameter des von-Willebrand-Systems erweitert werden. Die mittels Thrombelastometrie bestimmte HES-induzierte Koagulopathie unterscheidet sich unabhängig von der Trägerlösung nicht; ein Vorteil für Elektrolyt-balancierte Trägerlösungen lässt sich aus dieser in vitro-Studie nicht ableiten. Zur Überprüfung der Hypothese eines in vitro-Artefakts und zur Klärung der Auswirkung calciumhaltiger Trägerlösungen auf die Konzentration ionisierten Calciums unter in vivo-Bedingungen mit intakter Calciumhomöostase könnten in vivo-Untersuchungen mit Messung der Ca2+-Konzentration und FVIII-Spiegel beitragen.
Introduction Hydroxyethyl starch (HES)-based volume replacement solutions are currently the most frequently used artificial colloids. Adverse drug reactions of HES are HES-induced coagulopathy that includes disturbed fibrin polymerization and impaired platelet function, as well as an acquired HES- induced von-Willebrand-like syndrome type 1. Changes of HES formulas relating to molecular weight, degree of substitution and concentration could decrease the impairment of coagulation. Modern HES preparations are of middle molecular weight, low substituted, and mainly isooncotic. Older hyperoncotic HES were associated with improved haemodynamics and oxygen transport, but also with higher impairment of coagulation. Introduction of electrolyte-balanced carrier solutions substituting the classic carrier solution of 0.9% sodium chloride attenuated the metabolic disturbances; a benefit concerning the coagulopathy is controversially discussed in the literature. The aim of the study presented was a systematic analysis of the in vitro effect on coagulation that is exerted by concentration and carrier solution of modern, middle molecular weight, low substituted HES in an in vitro model of stepwise increasing haemodilution. Besides, the in vitro reproducibility of blood group dependence of HES-induced, acquired von-Willebrand-like syndrome type 1 was investigated. Materials and Methods Both iso- and hyperoncotic, non-balanced and electrolyte-balanced HES solutions of identical molecular weight (MW 130,000 Da) and comparable degree of substitution (DS 0.4 or 0.42, respectively) were investigated in an in vitro model of haemodilution. Citrated blood was obtained from 10 healthy volunteers of blood groups 0 or A, and the effect of 20%, 40% and 60% haemodilution was measured by conventional coagulation parameters, by von-Willebrand-parameters and by dynamic coagulation parameters of activated thromboelastometry. As conventional coagulation parameters a full blood count, measurement of ionized calcium, prothrombin time ratio in percent (“Quick-value”), activated partial prothrombin time (aPTT), factor VIII (FVIII) as well as quantitative and qualitative assessment of von-Willebrand- Factor (vWF) was performed. In thromboelastometry, parameters CT, CFT and MCF of the EXTEM assay, and MCF of the FIBTEM assay were measured. Statistical analysis was performed using non-parametric tests. Results Concerning the effect of the concentration of HES, in this study at some dilutional degrees higher Quick-value and FVIII, and lower aPTT, respectively, were measured after dilution with hyperoncotic HES. No benefit could be demonstrated concerning the von-Willebrand-Factor parameters by hyperoncotic HES formulas. In thromboelastometry a higher impairment of coagulation by hyperoncotic HES was seen. Concerning the effect of the carrier solution, in conventional coagulation parameters significantly higher levels of ionized calcium, less impaired Quick- and aPTT-values as well as higher FVIII levels were found after dilution with electrolyte-balanced HES. Neither could a benefit of electrolyte-balanced HES on the von-Willebrand-Factor parameters be demonstrated, nor could the benefit on thromboelastometry, that had been described in previous studies, be reproduced. With regard to the levels of vWF, the associated FVIII, and the functional activity of vWF, blood group 0 had lower values compared to blood group A, at baseline and during stepwise haemodilution. This is in line with the existing literature. Considering the physiologically lower baseline levels, a higher extent of impairment for blood group 0 by modern HES could not be demonstrated by quantitative assessments, although a higher extent of functional impairment could not be excluded. Discussion and conclusion There is a discrepancy between the observed effects of higher concentrated HES that impaired conventional coagulation parameters to a lesser, but thromboelastometry parameters to a higher degree than isooncotic HES. This discrepancy is in line with previous studies, and can be due to an in vitro measurement artifact by turbidimetric measurements. In case of turbidimetric measurements of coagulation parameters, i.e. optical measurements, colloids like HES can cause falsely-elevated readings, so mechanical measurements may be a favorable alternative. Given the lack of valid in vivo data and considering the higher impairment of coagulation demonstrated by thromboelastometry, high-volume resuscitation using a hyperoncotic HES should be restrictively applied. The discussion on potential benefits of electrolyte-balanced carrier solutions in HES-induced dilutional coagulopathy, that had been controversial before, was amended by a significant impact on ionized calcium and calcium-dependent coagulation parameters, e.g. Quick-value, aPTT, FVIII and von-Willebrand-factor parameters, in vitro. As measured by thromboelastometry, HES-induced coagulopathy did not differ between balanced and non-balanced carrier solution. In conclusion, this in vitro study cannot confirm a benefit of electrolyte-balanced carrier solutions on the coagulation system. To test the hypothesis of an in vitro artifact and for clarity concerning the impact of calcium-containing carrier solutions on levels of ionized calcium in vivo – with functioning calcium homeostasis – clinical studies investigating levels of ionized calcium and FVIII are needed.