dc.contributor.author
Schüren, Ute
dc.date.accessioned
2018-06-08T01:10:46Z
dc.date.available
2003-09-14T00:00:00.649Z
dc.identifier.uri
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/13048
dc.identifier.uri
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-17246
dc.description
Titel, Widmung, Inhaltsverzeichnis, Verzeichnis der Abbildungen, Tabellen und
Karten
Vorwort: Rationalität oder Irrationalität bäuerlichen Wirtschaftens?
I. Wirtschaftsstrategien ländlicher Akteure: Theoretische Grundlagen
II. "Land ohne Freiheit": Agrarpolitik und Ejido in Mexiko
III. Die Chenes-Region: Geographischer Überblick
IV. Geschichte und Agrarreform
V. Die Ejidos Katab und Xcupilcacab
VI. Forstwirtschaft
VII. Anbau
VIII. Bienenhaltung
IX. Hausgärten und Tierhaltung
X. Gelderwerb in anderen Bereichen
XI. Ejidos und Staat
XII. Wirtschaftsstrategien ländlicher Haushalte und ihre Kombination
Anhang 1: Tabellen
Anhang 2: Karten
Abkürzungsverzeichnis und Glossar
Bibliographie
dc.description.abstract
Agrarische Dorfgemeinschaften (comunidades) in Mexiko und anderen Ländern
Lateinamerikas werden insbesondere im Rahmen politischer Diskurse häufig auch
heute noch als Inbegriff einer gemeinschaftlichen Wirtschafts- und Lebensweise
indianischer Kleinbauern dargestellt. Die Regeln, nach denen sie ihr Land
verteilen und nutzen, gelten dabei als "traditionell". Auch das mexikanische
Ejido wird oft als traditionelle Gemeinschaft betrachtet, obwohl es erst im
Zuge der Agrarreform nach der Revolution (1910-1917) eingerichtet wurde.
Allerdings betrachten Regierungsmitarbeiter, Agrartechniker und große Teile
der Bevölkerung die "Bauern" (Campesinos) in den ländlichen Gemeinschaften als
ineffektiv und viele ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen als irrational. Sie
sind der Auffassung, Arbeitskraft, Kapital und Produktionsmittel würden nicht
hinreichend in die Landwirtschaft investiert. Tatsächlich veräußern ejidale
Produzenten zuweilen wichtige Produktionsmittel wie z.B. Traktoren oder
Mineraldünger, obwohl sie diese selbst für die Feldbestellung einsetzen
könnten. Ejidatarios, denen moderne Anbautechniken zur Verfügung stehen,
halten häufig an überkommenen Formen der Landwirtschaft fest. Viele der mit
beträchtlichem finanziellen Aufwand durchgeführten Entwicklungsprogramme in
den ländlichen Dorfgemeinschaften sind in wesentlichen Punkten gescheitert.
Nach Auffassung von Regierungsstellen zeigt der Erfolg privater Agrarbetriebe,
daß das wirtschaftliche Handeln der Bevölkerung in den ländlichen
Gemeinschaften vor allem durch kulturelle Faktoren beeinträchtigt werde. Zudem
hätten insbesondere die Organisationsform des Ejido und der Comunidad sowie
der Paternalismus früherer Regierungen verhindert, daß sich die Campesinos zu
"vernünftigen" Produzenten entwickelten. In dieser Arbeit wird die These
vertreten, daß die pauschal negative Bewertung des sozialen Sektors (Ejidos
und Comunidades) und der Vorwurf, die Bauern in ländlichen Gemeinschaften
handelten irrational - in dem Sinne, daß sie unvernünftige, obsolete und dem
gegenwärtigen Kenntnisstand widersprechende Praktiken aus "Tradition" oder
bestimmten Verhaltensdispositionen (wie z.B. Faulheit) verfolgten - im
wesentlichen auf einer eingeschränkten Sichtweise beruht, welche dem
besonderen Charakter und der Funktionslogik der Haushaltsökonomie ländlicher
Unterschichten nicht gerecht wird. Rationalität wird dabei in der Regel mit
wirtschaftlichem Erfolg gleichgesetzt, der eindimensional an der Höhe der
Hektarerträge oder der Erlöse aus dem Verkauf von Anbauprodukten bemessen
wird. Eine ähnlich beschränkte Sichtweise findet sich auch in einem großen
Teil ökonomischer und wirtschaftsanthropologischer Studien agarischer
Gesellschaften, die sich auf Grundannahmen der klassischen und neoklassischen
ökonomischen Theorie stützen. Sie gehen von der zunächst plausiblen Annahme
aus, daß rationalem wirtschaftlichen Handeln ein Streben nach
Nutzenmaximierung zugrunde liege, der Mensch also bestrebt sei, mit möglichst
geringem Aufwand einen möglichst großen Nutzen zu erzielen. Beim Entwurf von
Modellen, insbesondere wenn mathematische Berechnungsverfahren angewandt
werden, wird der Nutzenbegriff dann jedoch nur auf eine oder wenige
Dimensionen (v.a. Profit oder Reichtum) reduziert. Darüber hinaus wird meist
vorausgesetzt, daß die Akteure tatsächlich über alle notwendigen Kenntnisse
verfügen und die Ergebnisse ihres Handelns vollständig voraussehen können.
Tatsächlich sind die individuellen Handlungsspielräume jedoch in der Regel
beschränkt und die zur Verfügung stehenden Informationen unvollständig. Die
Folgen ihres Tuns sind für die Akteure häufig nicht gänzlich absehbar. Meines
Erachtens ist die Hypothese der Nutzenmaximierung, sofern sie sich auf eine
oder wenige Dimensionen beschränkt, äußerst problematisch. Denn Nutzen wird
von den Akteuren situativ und bezogen auf unterschiedliche Bedürfnisse
subjektiv definiert. Die Strategien der Bedürfnisbefriedigung können
langfristig oder kurzfristig ausgerichtet sein. Handlungen sind häufig Folgen
von Abwägungen, bei denen für mehrere, gleichzeitig bestehende und miteinander
konkurrierende Bedürfnisse ein akzeptabler, in den einzelnen Dimensionen
häufig nicht optimaler Grad an "Nutzen" in Form eines Kompromisses angestrebt
wird. Deshalb kann die Rationalität einer bestimmten ökonomischen Handlung nur
durch ihre Einbettung in den zeitgenössischen Kontext und in ihren
historischen Zusammenhang verstanden werden. Die vorliegende Arbeit möchte
einen Beitrag zum Verständnis der Wirtschaftsstrategien ländlicher
Unterschichten und zu den Auswirkungen neoliberaler Politik im Agrarsektor
leisten. Sie basiert auf fast zweijähriger Feld- und Archivforschung und
analysiert die Handlungsbedingungen und -logiken der Landbevölkerung am
Beispiel der Entwicklung einer von der Agrar- und Forstwirtschaft geprägten
Region im Südosten Mexikos, dem Landkreis (Municipio) Hopelchén (auch Chenes-
Region genannt) im Bundesstaat Campeche auf der Halbinsel Yucatán seit der
Revolution. Die Einführung von Ejidos im Rahmen der Agrarreform und eine
dirigistische, auf die Kontrolle der ländlichen Bevölkerung abzielende Politik
des Staates bildeten neben den unterschiedlichen politischen und
wirtschaftlichen Konjunkturen und den sich verändernden Umweltbedingungen
grundlegende Bestimmungsfaktoren der Ökonomie der ländlichen Haushalte. Bei
der Mehrzahl der Haushalte in den Ejidos Mexikos handelt es sich um
Haushaltswirtschaften, d.h. die ihnen zur Verfügung stehende Arbeitskraft
beschränkt sich auf ihre Mitglieder. Deshalb unterscheidet sich ihr
wirtschaftliches Handeln signifikant von jenem kapitalistischer Betriebe, die
auf dem regelmäßigen Einsatz von Lohnarbeit beruhen. Die spezifische
Funktionsweise von Haushaltswirtschaften ist bereits in beeindruckender Weise
durch die Arbeiten des russischen Agrarökonomen Alexander Tschajanow in seinen
Überlegungen zur bäuerlichen "Familienwirtschaft" untersucht worden. M.E.
leistet dieses Modell auch gegenwärtig noch einen bedeutenden Beitrag zur
Bestimmung zentraler Faktoren, welche die Haushaltsökonomie prägen. Die
Auseinandersetzung mit seinen Arbeiten bildet deshalb einen wichtigen Teil der
theoretischen Vorüberlegungen zur empirischen Fallstudie. Eine ausführliche
Diskussion seines Ansatzes ist auch deshalb geboten, weil selbst in
Standardwerken zahlreiche Stigmatisierungen und Mißverständnisse über
Tschajanows Werk zu finden sind. Darüber hinaus waren für diese Arbeit auch
solche Forschungsansätze von besonderer Bedeutung, die sich mit den
wirtschaftlichen Spielräumen und den Strategien zur Risikoverminderung von
Haushalten mit begrenzten Ressourcen beschäftigen. Sie zeigen, daß gerade hier
die Kombination von Wirtschaftsstrategien einen existentiellen Beitrag zur
Verringerung wirtschaftlicher Risiken leistet. So haben sich innerhalb der
ländlichen Haushalte komplexe Systeme herausgebildet, in welchen mehrere
Wirtschaftsbereiche (Anbau, Tierhaltung, Lohnarbeit usw.) eng miteinander
verbunden sind. Diese Verflochtenheit verbietet eine isolierte Betrachtung
einzelner Aktivitäten, wie sie pauschalen negativen Bewertungen der Ökonomie
ländlicher Gemeinschaften häufig zugrundeliegt. Da es bei der Verfolgung
verschiedener Wirtschaftsstrategien mitunter zu Konflikten kommt (da z.B. nur
eine begrenzte Zahl an Arbeitskräften oder nur wenig Produktionskapital zur
Verfügung stehen), können einzelne Aktivitäten oft nicht optimal verfolgt
werden. Suboptimale Ergebnisse in einzelnen Bereichen sind also häufig nicht
das Ergebnis mangelnden ökonomischen Sachverstands, sondern notwendige
Begleiterscheinung eines komplexen Wirtschaftssystems.
de
dc.description.abstract
Agrarian village communities (comunidades) in Mexico and other Latin American
countries are still described today, particularly in political discourse, as
the epitome of the communitarian economy of Indian peasants and their way of
life. The principles by which they distribute and utilise their land are
considered "traditional". Although first introduced in the course of the
agrarian reform that succeeded the Revolution (1910-1917), even the Mexican
ejido is looked upon as a traditional community. Yet, government officials,
agricultural technicians and most of the population consider "peasants"
(campesinos) in rural communities ineffective and many of their economic
decisions irrational. They believe that labour, capital and the means of
production are not put to sufficient agricultural use. Ejido producers do, in
fact, occasionally sell important means of production such as tractors or
fertiliser, although they could use them in cultivating their own fields.
Despite access to modern cultivation techniques, ejidatarios frequently
persevere with traditional agricultural methods. Many of the development
programmes carried out in rural village communities at considerable financial
expense have virtually failed. According to government sources, the success of
private agricultural enterprises indicates that rural economic activities are
particularly affected by cultural factors. Moreover, the organisational
structure of ejidos and comunidades combined with the paternalism of former
governments had also played a role in hindering campesinos from becoming
"sensible" producers. This thesis argues that the indiscriminate negative
assessment of the social sector (ejidos and comunidades) and the allegation
that peasants in rural communities behave irrationally - in the sense of
pursuing practices that are foolish, obsolete and contrary to current
standards for "traditional" reasons or due to a certain attitude (such as
laziness, for instance) - are essentially the result of a narrow viewpoint
that does not do justice to the specific features and inner logic of the
household economy of the rural lower classes. Rationality is here commonly
equated with economic success, the significance of which is measured by the
size of the harvest per hectare or the proceeds from selling their products.
Most economic and anthropological studies on agrarian societies reveal a
similarly biased viewpoint, relying on fundamental assumptions of classic and
neoclassic economic theories. Their statements emanate from the initially
plausible assumption that a desire for profit maximisation is the basis of
rational economic performance. In other words, man strives for the greatest
possible utility with the least amount of effort. In designing models,
particularly those that apply mathematical calculations, the term utility is
reduced to one or more dimensions (especially profit or wealth). Furthermore,
it is generally assumed that actors are in possession of the necessary skills
and can wholly predict the results of their work. In reality, however,
individual scope for activity is usually subject to constraints and the
available information incomplete. For the actors themselves, the consequences
of their actions are not always clear in advance. The concept of profit
maximisation is extremely misleading in my opinion when it is reduced to
merely one or more dimensions, since actors define it subjectively, depending
on the situation and in relation to different needs. Strategies for the
satisfaction of needs can be applied in the short or the long term. Activities
are often the result of considerations whereby an acceptable, albeit in
individual dimensions not always maxium degree of utility is sought for a
variety of simultaneously competing needs in the form of a compromise. The
rationality of a specific economic activity can, therefore, only be understood
if embedded in the framework of its contemporary and historical context. This
thesis wishes to contribute to an understanding of economic strategies
employed by the rural lower classes and of the consequences of neo-liberal
policies in the agrarian sector. It is based on almost two years of fieldwork
and archival study and analyses the conditions for action that prevail among
the rural population and their logic, taking the case of a region that has
been shaped by an agricultural and forestry economy in the south east of
Mexico and its development since the Revolution, i.e., the District
(Municipio) of Hopelchén (also known as the Chenes Region) in the Federal
State of Campeche on the Yucatán peninsula. The introduction of ejidos during
agrarian reform and the regimental state policy aimed at controlling the rural
population, as well as various political and economic trends and changing
environmental conditions became determining factors of the rural household
economy. The majority of Mexican ejido households can be characterised as
household economies, i.e., the labour available is confined to their members.
Their economic activities differ therefore fundamentally from capitalist
enterprises based on the regular use of wage labour. The distinct operation of
household economies has already been admirably researched by the Russian
agrarian economist, Alexander Tschajanow (Chayanov), in his work on the
peasant "family economy". To my mind, this model still contributes
significantly to determining the key factors that shape household economies. A
close examination of his work is thus an integral part of the theoretical
preamble to the empirical case study. A detailed discussion of Tschajanow's
approach seems wise, not least because of the numerous misunderstandings and
reproaches that appear even in standard works with regard to his ideas.
Moreover, research approaches dealing with the economic scope of households
with limited resources and their risk strategies were also of particular
importance for this work. They demonstrate that here in particular the
combination of economic strategies represents a crucial contribution to risk
reduction. Thus, complex systems have emerged in rural households, where
several economic sectors (cultivation, animal husbandry, wage labour etc.) are
closely connected with each other. These interconnections forbid an isolated
view of individual activities, commonly at the base of indistriminately
negative conclusions on the economy of the rural communities. Given that
pursuing diverse economic strategies can lead to conflict (where, for example,
only very little production capital or a limited number of labourers is
available), instances of individual activities not being performed to maximum
effect can occur. Thus, less than perfect results in specific areas are not
always due to lack of economic expertise but rather a necessary side effect of
a compex economic system.
en
dc.rights.uri
http://www.fu-berlin.de/sites/refubium/rechtliches/Nutzungsbedingungen
dc.subject
agrarian reform
dc.subject
household strategies
dc.subject
Alexander V. Chayanov
dc.subject
cattle raising
dc.subject
milpa agriculture
dc.subject
handicraft production
dc.subject
kitchen gardening
dc.subject
animal husbandry
dc.subject
rural livelihood production
dc.subject
agricultural modernisation
dc.subject.ddc
300 Sozialwissenschaften::300 Sozialwissenschaften, Soziologie::300 Sozialwissenschaften
dc.title
Rationalität oder Irrationalität bäuerlichen Wirtschaftens im Kontext
staatlicher Politik? Haushaltsstrategien in mexikanischen Ejidos
dc.contributor.firstReferee
Prof. Dr. Jürgen Golte
dc.contributor.furtherReferee
Prof. Dr. Georg Elwert
dc.date.accepted
2002-11-04
dc.date.embargoEnd
2003-09-16
dc.identifier.urn
urn:nbn:de:kobv:188-2003002376
dc.title.subtitle
Das Beispiel der Chenes-Region, Campeche
dc.title.translated
The peasant economy - rational or irrational? Household strategies and the
state in Mexican ejidos
en
dc.title.translatedsubtitle
The example of the Chenes region, Campeche
en
refubium.affiliation
Politik- und Sozialwissenschaften
de
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FUDISS_thesis_000000001069
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