Die vorliegende Dissertation untersuchte die Entwicklung visueller Worterkennungsprozesse bei bilingualen Kindern zu Beginn des Erstleseerwerbs. Vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Diskurses über Unterschiede in der orthographischen Verarbeitung zwischen mono- und bilingualen Lesern war es die zentrale Zielsetzung der Arbeit, bestehende Erkenntnisse mit Forschungsergebnissen zu Mechanismen der Worterkennung bei Lese-anfängern im Deutschen zu erweitern. Die zwei primären Ziele bestanden darin, (1) Unterschiede in den Entwicklungsverläufen von Leseanfängern mit Deutsch als Erst- (L1) und Zweitsprache (L2) zu beschreiben, und (2) die Entwicklung orthographischer Verarbeitungs-mechanismen zu untersuchen, die als spezifisch für das bilinguale Worterkennungssystem gelten. Mit der Absicht, Entwicklungseffekte in dominant bilingualen und ausbalanciert bilingualen Kindern getrennt voneinander zu untersuchen, wurden insgesamt vier Studien durchgeführt, von denen sich zwei auf Leseanfänger mit Deutsch als L2 konzentrierten, und zwei auf Deutsch-Englisch ausbalanciert bilinguale Kinder, die in beiden Sprachen gleichzeitig lesen lernen. Studie 1 untersuchte Leistungsunterschiede zwischen Kindern mit Deutsch als L1 und L2 auf verschiedenen Prozessebenen des Lesens unter Berücksichtigung des Einflusses linguistischer Fähigkeiten und exekutiver Funktionen. Studie 2 fokussierte auf Mechanismen des lexikalischen Zugriffs und verglich über die gesamte Grundschulspanne hinweg Kinder mit Deutsch als L1 und L2 in ihrer Leistung bei einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe im Hinblick auf den Effekt linguistischer Worteigenschaften. In Studie 3 wurde die Verarbeitung von Kognaten und Homographen in Deutsch und Englisch bei ausbalanciert bilingualen Kindern betrachtet, um die parallele Aktivierung von sowohl orthographischen als auch semantischen Repräsentationen in beiden Sprachen zu untersuchen. Studie 4 explorierte die Existenz eines Mechanismus zur frühzeitigen Spracherkennung, indem bilinguale Kinder auf Ihre Sensitivität gegenüber sprachspezifischen Nichtwörtern getestet wurden.
The present dissertation investigated the development of visual word recognition in bilingual children at the beginning of initial reading acquisition. The central aim was to contribute to the debate on differences in orthographic processing between bilinguals and monolinguals, expanding the body of existing research by knowledge on bilingual word recognition mechanisms in beginning readers of German. The two main goals were to (1) study differences in the developmental trajectories of reading between first (L1) and second (L2) language speakers, and (2) to investigate the development of orthographic processing mechanisms that are specific to the bilingual word recognition system. To disentangle developmental effects between dominant and balanced bilinguals, four studies were conducted, of which two focused on children learning to read in German as their L2, and two examined German- English balanced bilinguals learning to read concurrently in both languages. Study 1 investigated performance differences between L1 and L2 speakers in different component processes of reading, while controlling for the impact of linguistic and executive functioning skills. Study 2 zoomed in on the mechanisms of lexical access and compared L1 and L2 speakers’ lexical decision performance with regard to the impact of linguistic characteristics throughout elementary school. In study 3, the parallel activation of orthographic as well as semantic representations in both languages of balanced bilingual children was examined by studying the processing of cognates and false friends in German and English. Study 4 investigated the presence of an early language detection mechanism by exploring balanced bilingual children’s sensitivity to language-specific nonwords.