Am Beispiel der Beistandschaft des Jugendamtes für Kinder von nicht (mehr) miteinander verheirateten Eltern wird untersucht, welche Väterlichkeits- und Mütterlichkeitsnormen dem beistandschaftlichen Handeln zugrunde liegen und so durch eine entsprechende bürokratische Praxis zur Herstellung oder Verstetigung von (asymmetrischen) Geschlechterverhältnissen beitragen. Das Jugendamt erbringt im Rahmen seiner Beistandschaft eine am Kindeswohl ausgerichtete Dienstleistung: Es stellt im Namen des Kindes sicher, dass jene elterlichen Funktionen, die normativ in der historisch gewachsenen Institution der Ehe eingeschrieben sind, auch von den Eltern erbracht werden, die sich nicht vor dem Staat das Ja-Wort gegeben haben. Das umfasst vor allem die Unterhaltspflicht. Dem Gesetze (§ 1712 BGB) nach hat die Beistandschaft im Wesentlichen zwei Dinge zu erbringen: Die Gewährleistung von Unterhaltszahlungen für das Kind und die Feststellung der Vaterschaft – als Voraussetzung für die individuelle Zuweisung der elterlichen Versorgungs- und damit auch der Unterhaltspflicht. Die Beistandschaft ist rechtlich als ein Instrument begründet, das die Gleichheit von ehelichen und „unehelichen“ Kindern befördern soll. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Beobachtung in einer für die Beistandschaftsführung zuständigen Abteilung eines Berliner Jugendamtes. Davon ausgehend zeigte sich, dass der Blick zurück in die Geschichte gerichtet werden musste, um verstehen zu können, wie es zur heutigen Praxis und zu ihren rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen sowie dem darin normativ eingelassenen Gender Regime kommt. Also liegt der Untersuchungsschwerpunkt darauf, die Entstehungsgeschichte der freiwilligen Beistandschaft von ihren institutionellen Anfängen im ausklingenden 19. Jahrhundert über den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik, die NS-Zeit und die Bundesrepublik bis in die 1990er Jahre nachzuverfolgen. Das Ziel dieser besonders von Michel Foucaults Arbeiten inspirierten „genealogischen“ Suche ist, den Entwicklungsverlauf der (west-)deutschen „Unehelichen“- bzw. Nichtehelichenpolitik und in seinen unterschiedlichen Facetten sowie in seinen Brüchen und Kontinuitäten nachvollziehbar zu machen und dabei auf die Geschlechternormativität hin zu beleuchten. Von politologischem Interesse ist besonders, wer die zentralen Konstrukteure des Regulationsinstruments Beistandschaft und ihren Vorläuferinstitutionen Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft waren und sind (Deutscher Verein für private und öffentliche Fürsorge, Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe und besonders: Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht) und wie sich damit verbunden ein bestimmtes vergeschlechtlichtes und vergeschlechtlichendes Regierungswissen zur Regulierung des Unehelichen- bzw. Nichtehelichenphänomens herausbildete.
Using the example of guardianship of the Youth Welfare Office (Beistandschaft) for children of parents who are not or no longer married to one another, an investigation is made of which paternal and/or maternal norms are the basis of the guardianship actions and therefore contribute to the generation or perpetuation of (asymmetric) gender circumstances as a result of corresponding bureaucratic processes. Within the framework of its guardianship, the Youth Welfare Office provides services directed at the well-being of the child; in the name of the child it determines that every parental custody function that is normally expected in the traditional institution of marriage, including parents who have never been officially married. This includes, above all, the child support. According to the law (Art. 1712 of the German Civil Code), the guardianship must provide two essential things, the guarantee of the child support payments and the determination of the fatherhood – as a prerequisite for the individual assignment of the parental duties of care and, consequently, the child support. The guardianship is legally based as an instrument for the equal promotion of children born into matrimony and those born outside matrimony. The study’s starting point is the observation of a department of the Berlin Youth Welfare Office responsible for guardianship. In that regard, it proved necessary to review the history to be able to understand how the current practice had developed as well as its general legal and institutional framework and the resultant normative gender regime. Consequently, the focus of the study was on the history of the origins of the voluntary guardianship from its institutional beginnings toward the end of the 19th century through the First World War, the Weimar Republic, Nazi era and the Federal Republic of Germany to the 1990s. The objective of this “genealogical” search, especially inspired by Michel Foucault’s work, is to trace the development of the (west) German “illegitimate” or non-marital child policy and make it understandable in its various facets and its inconsistencies and continuities and thereby to illuminate the gender norms. Who the primary builders of the regulatory instrument of guardianship were and are (Deutscher Verein für private und öffentliche Fürsorge, Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe and in particular: Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht) is of historical-political interest and how a certain gendered and gendering governmental concept of regulation of the illegitimate or non-marital child phenomenon is established.