Einleitung: Motorische Regungen des Patienten unter Narkose können ein Anzeichen unzureichender Analgesie sein und die sichere Durchführung einer Operation gefährden. Eine Vorhersage derartiger Reaktionen würde eine Anpassung der Narkose noch vor dem Eintreten von Bewegungen ermöglichen. Im Gegensatz zum hypnotischen Effekt der Anästhetika, welcher anhand pEEG- basierter Monitore wie z.B. dem BIS-Index abgebildet werden kann, gibt es bislang kein verlässliches intraoperatives Monitoring zur Vorhersage chirurgischer Immobilität auf Schmerzreize. Da die anästhetikainduzierte Unterdrückung motorischer Reaktionen primär auf Höhe des Rückenmarks geschieht, wurde in der vorliegenden Studie der spinal verschaltete nozizeptive Flexorenreflex (NFR) als mögliches Instrument für eine solche Vorhersage untersucht. Aufgrund der Korrelation der vom NFR abgeleiteten RIII- Schwelle mit der nozizeptiven Schwelle wacher Individuen wurde dieser Parameter bezüglich der Prädiktion motorischer Reaktionen auf Schmerzreize evaluiert. Zum einen wurde die konzentrationsabhängige Veränderung der RIII- Schwelle unter dem gängigen Hypnotikum Propofol getestet, um die Ableitbarkeit des Parameters in tiefer Pro-pofolnarkose nachzuweisen. Desweiteren wurde die Vorhersagekraft der RIII-Schwelle für Reaktionen auf Schmerzreize mit der des BIS verglichen, der als etabliertes Monitoring der primär hypnotischen Effekte von Propofol ein wichtiges Vergleichsmaß darstellt. Methodik: Nach Zustimmung der Ethikkommission und schriftlicher Einwilligung der Studienteilnehmer erhielten 15 männliche Probanden eine TCI-gesteuerte Mononarkose mit Propofol, die stufenweise alle 15 min um 1 μg/ml bis maximal 7 μg/ml erhöht wurde. Etwa alle 10 s erfolgte die elektrokutane Stimulation des N. suralis zur Auslösung eines NFR. Die Reaktion wurde aufgezeichnet anhand EMG des M. biceps femoris. Die RIII-Schwelle bezeichnet dabei diejenige Stromstärke, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% einen NFR infolge eines Stimulus auslöst. Sie wurde anhand des threshold trackings kontinuierlich berechnet. Parallel wurde fortlaufend der BIS gemessen. Ab dem Moment des Bewusstseinsverlustes fand alle 5 min die Testung der Reaktion auf Schmerzreize statt, die in ansteigender Intensität gesetzt wurden. Das Ziel bestand im Ausbleiben motorischer Reaktionen auf eine 30sekündige tetanische Stimulation von 80 mA am kontralateralen Unterarm, die als Surrogatstimulus für eine tatsächliche Inzision verwendet wurde. Mit NONMEM wurde die Korrelation der Pharmakokinetik und -dynamik etabliert. Die Vorhersagewahrscheinlichkeiten (PK) der RIII- Schwelle und des BIS für motorische Reaktionen auf Schmerzreize wurden mit PKMACRO berechnet und anhand der Jackknife Methode miteinander verglichen. Ergebnisse: Die RIII-Reflexschwelle konnte bei allen Probanden bis zur höchsten Propofolkonzentration von 7 μg/ml gemessen werden. Das messbare Maximum der RIII-Schwelle lag somit in einem Bereich oberhalb klinisch relevanter Dosierungen von Propofol. Desweiteren zeigte die PKPD-Korrelation keine signifikanten Unterschiede zwischen den Äquilibrierungskonstanten ke0 der verglichenen Parameter RIII-Schwelle und BIS. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit (PK) für Reaktionen auf Schmerzreize betrug für die RIII-Schwelle 0.84 und für den BIS 0.86. Dieser Unterschied ist statistisch nicht signifikant (PKDMACRO; p > 0.05). Schlussfolgerungen: Die RIII-Reflexschwelle ist unter narkoserelevanter Dosierung von Propofol ableitbar und damit grundsätzlich geeignet für ein intraoperatives Monitoring. Es bleibt zu prüfen, wie der Parameter sich während Kombinationsnarkose mit Opiaten diesbezüglich darstellt. Die nicht-signifikanten Unterschiede der ke0-Werte von RIII-Schwelle und Bispektralem Index sprechen dafür, dass eventuell supraspinale Effekte auf die dem RIII-Reflex zwischengeschalteten Interneurone einen höheren Einfluss nehmen, als vor Beginn der Studie angenommen. Dies wirft die Frage auf, inwieweit die gemessenen Parameter RIII- Schwelle und BIS tatsächlich der Wirkung von Propofol auf die unterschiedliche Effektkompartimente Cerebrum und Rückenmark zugeordnet werden können. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit (PK) der RIII-Schwelle für Reaktionen auf Schmerzreize ist unter Propofolmononarkose vergleichbar gut wie die des BIS. Es bleibt zu überprüfen, wie die RIII-Schwelle sich diesbezüglich unter einer klinisch üblichen intravenösen Kombinationsnarkose mit Opiaten verhält.
Background: Prediction of movement responses to noxious stimuli during anaesthesia is of clinical importance. Susceptibility of a parameter of immobility to both hypnotic and analgesic influences could pose an advantage. Here, nociceptive reflexes might be useful, but data regarding the suppression by hypnotic substances are scarce. Therefore, we compared the prediction of movement responses by the RIII reflex threshold and the bispectral index (BIS) during propofol mono-anaesthesia. Methods: Fifteen male volunteers were included. Propofol effect compartment concentration was increased every 15 min in steps of 1 µg/ml (max 7 µg/ml). Every 5 min, the reactions to trapezius squeezes and 30 s tetanic stimulations (80 mA) of the right ulnar nerve were tested. The RIII reflex threshold was estimated continuously using an automated threshold tracking system that analyses the nociceptive RIII response at the left biceps femoris muscle to stimulation of the left sural nerve. Results: Twelve subjects completed the study. RIII threshold values were normalized by subtraction of the first threshold that was estimated after the subject’s loss of consciousness. The population prediction probability PK amounted to 0.84 for the RIII threshold and to 0.86 for the BIS (difference not significant). Conclusions: Movement responses to noxious stimuli under propofol can be predicted by the RIII threshold with a comparable accuracy as the BIS. Therefore, the RIII threshold seems to be influenced by hypnotic effects. Since susceptibility of the RIII threshold to analgesic influences is well established, an advantage for the RIII threshold in the prediction of motor responses could be expected when analgesic substances are used in addition to propofol.