Unter der Fragestellung der neuronalen Degeneration bei spinaler multipler Sklerose wurde das Rückenmark von 27 in den Jahren 1977 bis 2000 obduzierten MS Patienten im Vergleich mit 29 Kontrollfällen ähnlichen Jahrganges und Alters untersucht. Neben immunhistochemischen Untersuchungen und der Darstellung pathologischer Zellveränderungen fand eine Quantifikation der Neurone für die cervikalen und thorakalen Abschnitte des Rückenmarks statt. Im Vergleich zu den 29 Kontrollfällen stellt sich für die MS Erkrankten ein statistisch signifikanter neuronaler Verlust (p<0,05) um 43% für das cervikalen und 47% für das thorakale Rückenmark dar. In der Histopathologie lässt sich für das spinale Mark der Verlust großer multipolarer Ganglienzellen nachweisen, wobei aber auch zentral gelegene Interneurone reduziert erscheinen. Eine differenzierte Betroffenheit verschiedener Zellgruppen mit Bevorzugung der Ncl. motorii lässt sich beschreiben. Die graue Substanz erscheint deutlich gelichtet und zellverarmt. Außer dem Neuronverlust in der grauen Substanz wurden die Entmarkungsvorgänge untersucht. Für die graue Substanz lassen sich unterschiedliche Demyelinisierungsmuster beschreiben, wobei der Grenzzonentyp, bei dem die Demyelinisierung zwischen der grauen und angrenzenden weißen Substanz lokalisiert ist, überwiegt. Eine intra- und interindividuelle Varianz lässt sich beobachten. Neben einem relativen Axonverlust der grauen Substanz zeigen sich ebenfalls Veränderungen im Phosphorylierungsstatus. Axone in der unmittelbaren Nachbarschaft degenerierender Neurone erscheinen dephosphoryliert und sind ebenfalls eine Erscheinung in Grenzgebieten chronischer MS Läsionen. Ein Zusammenhang zwischen axonaler Dephosphorylierung, axonalem Verlust und neuronaler Degeneration ist skizzierbar, wobei auch hier eine differenzierte lokale Betroffenheit in Erscheinung tritt. Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit bestand in der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen gefäßverändernden Prozessen und der neuronalen Degeneration. Aus der Interpretation der beobachteten Gefäßpathologie ergibt sich die Möglichkeit einer durch Hypoxie induzierten Genese von Läsionen der grauen Substanz und des neuronalen Verlustes. Die beschriebene Vermehrung von Gefäßen kann als mögliches Resultat einer Neoangiogenese im Sinne einer kompensatorischen Ausschüttung von Wachstumsfaktoren gedeutet werden oder aus der Atrophie des nervösen Gewebes resultieren. Eine inflammatorische Aktivität konnte nur in sehr wenigen histopathologischen Schnitten beobachtet werden. Die graue Substanz imponierte hierbei im Vergleich zur weißen Substanz durch eine mildere Inflammationsreaktion. Da es sich in der vorliegenden Arbeit um die Untersuchung von Sektionsmaterial handelt, welches hauptsächlich von Patienten im chronischen Stadium der MS Erkrankung stammt, ist eine zeitliche Zuordnung der Pathogenese nur bedingt möglich. Die Neurondegeneration führt zu Veränderungen im neuronalen Gewebe und zu Unterbrechungen interneuronaler Kommunikationsprozesse mit Modifikation meta-bolischer und toxischer Effekte. Eine vornehmliche Schädigung der Interneurone wirkt sich negativ auf den neuronalen Erregungsablauf, auf Kommunikation und Projektionsprozesse aus. Inwieweit entzündliche Prozesse hierbei eine Rolle spielen, bleibt , basierend auf den vorliegenden Ergebnissen aus der Histopathologie, vorerst unklar. Eine Veränderung in der Qualität und Quantität der inflammatorischen Antwort während der einzelnen Phasen der MS Erkrankung ist wahrscheinlich. Aus der dargestellten neuronalen Degeneration und dem Verlust neuronaler Zellen im Rückenmark von MS Patienten ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach einer frühen und konsequent durchgeführten neuroprotektiven und neuroregenerativen Behandlung. Es besteht die dringende Notwendigkeit eines verbesserten Verständ-nisses um neurodegenerative Prozesse sowie einer Entwicklung suffizienter neuroprotektiver Therapiestrategien. Zudem bedarf es weiterer ausführlicher Studien zur Genese und Pathologie des neuronalen Unterganges.
To elucidate neuronal degeneration in spinal multiple sclerosis the spinal cord of 27 post mortem patients of the years 1997 to 2000 was investigated in comparison to 29 controls matched for sex, age and year of death. In addition to immunohistochemical examinations and demonstration of pathological cell changes, we also quantified the neurons of the cervical and thoracic spinal cord. In comparison to controls, MS-patients show a significant loss of 43% of the cervical neurons and a significant reduction of 47% of thoracic neurons (p<0.05). We could show that large multipolar neurons and interneurons are preferentially reduced as well as centrally located interneurons. A differential vulnerability of different cell-groups and the preference of the ncl. motorii were observed. The grey matter appears depleted and atrophic. Furthermore the demyelination was investigated. The grey matter shows different patterns of demyelination, of which the “border zone type”, the demyelination between grey and white matter, is most prominent. There are inter- and intra-individual differences. Axons adjacent to degenerating neurons appear dephosphorylated. This is also a phenomenon at the border of a chronic plaque lesion. A link between axonal dephosphorylation, axonal loss and neuronal degeneration is educible, a different vulnerability in different localizations is apparent. A further aspect of this work is the investigation of vessel pathology and neuronal degeneration. The interpretation offers the possibility of hypoxia-induced grey matter lesions and the induction of neuronal cell death. The described neoangiogenesis can be a result of compensatory distribution of growth factors or a consequence of atrophic changes of neural tissue. Inflammatory activity could be shown in only a few histopathologic slices. The grey matter shows a mild affection in comparison to the white matter. Due to the age of the tissue which mainly derives from patients with a chronic form of multiple sclerosis, the temporal classification of the lesions pathogenesis could not be performed. Neuronal degeneration causes changes in the neural tissue and can account for disruption of interneural communication with modification of metabolic and toxic effects. The preferential affliction of the interneurons results in adverse effects on neuronal excitability, communication and projection. The role of inflammatory processes stays, based on the presented study, unclear and unresolved. Changes in quality and quantity of the inflammatory response during the different phases of multiple sclerosis are most likely. Referring to the presented neuronal degeneration and the loss of neuronal cells in the spinal cord of patients with multiple sclerosis the demand of an early and consequent neuroprotective and neuroregenerative treatment occurs. There is an urgent need of a better understanding of neurodegenerative processes and the development of sufficient neuroprotective therapies. Further elaborate studies to investigate the genesis and the pathology of the neuronal decline are required.