Im Prozess der Säkularisierung und Entkriminalisierung des Phänomens des menschlichen Freitodes seit der Epoche der europäischen Aufklärung im 18. Jahrhundert änderte sich auch die Sicht der Künstler auf die kontroverse Problematik. Es bildete sich ein neuer thematischer und ikonographischer Strang der seit der Antike bestehenden Tradition der „heroischen“ und „unheroischen“ Suiziddarstellungen heraus. Die modernen Interpretationen zum Thema des „romantischen Suizides“ distanzierten sich fortschreitend von den konventionalisierten kompositorischen Lösungen und der moralischen Ambivalenz der vergangenen Jahrhunderte und schlugen eine selbständige Entwicklung ein. Die vorliegende kunstwissenschaftliche Monographie widmet sich der Untersuchung der thematischen Grundzüge und der ikonographischen Besonderheiten dieser neuzeitlichen Motivtradition, die sich überwiegend in den Kunstwerken der europäischen Malerei und Graphik des 18.-20. Jahrhunderts nachweisen lässt. Die Studie folgt dabei der Absicht, wenig beachtete oder unerforscht gebliebene Aspekte der Tradition der Todesdarstellungen aufzuzeigen und dadurch vorhandene Forschungslücken zu schließen. Zu diesem Ziel werden repräsentative Werke aus drei Jahrhunderten einer kunstwissenschaftlichen Analyse unterzogen. Ihren Gegenstand bestimmen Bilder von anonymen Großstadtbewohnern, die sich nach dem Beispiel des Romanhelden Werther erschießen, von unbekannten Ertrunkenen, die dem literarischen Topos der shakespeareschen Tragödienfigur Ophelia folgen, und von sich selbst entleibenden Dichtern und Malern und Schauspielern. Die ausgesuchten Kompositionen bezeugen die Vorliebe der Künstler für den Rückgriff auf ikonographische Matrizen aus der christlich-religiösen Kunst, die sie mit weltlichem Inhalt besetzten und dadurch ein neues symbolisches Vokabular erschufen. Der von den einzelnen Kunstwerken begründete Suiziddiskurs eröffnet eine zutiefst pessimistische Sicht auf die positivistische und industrielle Wirklichkeit der Moderne, die als „selbstmörderisch“ beurteilt und kritisiert wird.
The artists view on controversial problem of human suicide began to change during the secularization and decriminalization process in the Age of the Enlightenment in the 18th Century. In that period, a novel thematic and iconographic thread emerged in the ancient tradition, of “heroic” and “unheroic” suicide presentations. The modern interpretation of the theme of “romantic suicide” dissociated itself from conventionalized compositional solutions and the moral ambivalence of the past centuries with the objective of heading for an independent development. This monograph intends to study the thematic traits and the iconographic characteristics of this novel motivic tradition, which can mainly be found in the artworks of the European paintings and graphics of the 18th to 20th centuries. The study is intended to show the insufficiently covered or entirely unresearched aspects of death representation tradition and to fill obvious research gaps. Therefore some selected representative images from three centuries are scientifically analyzed. The first motivic group contains pictures of anonymous male metropolitans, who shoot themselves following the example of novel hero Werther. Second group depicts pictures of an unknown drowned woman, who acts in an analogous manner to Shakespeare’s Ophelia. Third group consists of the artist committing suicide himself. The selected compositions testify the artist’s preference for the reuse of traditional iconographic templates from the Christian art, which they filled with worldly content and thereby created a new symbolic vocabulary. The suicidal discourse based on the individual works of art constitutes a deeply pessimistic view and passes criticism on the, as „suicidal“ denoted, positivistic and industrial reality.