Mit Hilfe einer Replikationsstudie wurde in erster Linie die Annahme geprüft, ob sich die Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen bei Ersatzfreiheitsstrafern der JVA Plötzensee im Jahre 2004 auf einem gleich hohen oder höheren Niveau befindet, wie die Ergebnisse einer 2002 veröffentlichten Dissertation es für das Jahr 1999 ausweisen. Tatsächlich zeigte sich, dass zwar die Anzahl der organischen Störungen (-6%) und somatoformen Störungen (-19%) ebenso zurückgegangen ist, wie die Rolle des Alkohols bei den Störungen durch psychotrope Substanzen (-22%), dass aber die Substanzstörungen durch Opioide, Cannabinoide, Sedativa, Kokain, Stimulantien und Halluzinogene gleichzeitig deutlich zugenommen hat (+23%), und auch Angst¬störungen (+6%), Zwangsstörungen (+12%) und akute Belastungsstörungen (+10%) erhebliche Zuwächse zu verzeichnen hatten. Dabei lagen die ermittelten Werte gerade bei Substanzstörungen, affektiven Störungen, Zwangsstörungen und akuten Belastungsstörungen signifikant über denen der Allgemeinbevölkerung. Eine hilfsweise Eingrenzung des Schweregrades psychischer Störungen mithilfe ihrer Klassifikation nach ICD-10 zeigte, dass 32 der 100 Probanden mit psychischen Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Erkrankung, paranoiden Schizophrenien, manischen und bipolaren affektiven Störungen sowie schweren depressiven Episoden mit psychischen Symp¬tomen und rezidivierende depressive Störungen unter Krankheitsbildern litten, die mit einem besonders hohen Grad an Desorganisation bzw. auch psychotischem Erleben einhergehen. Um depressive Episoden und posttraumatische Belastungsstörungen sowie Substanzabhängigkeiten (mit Ausnahme von Tabak) erweitert, zählten sogar 78 der Befragten zu dieser Gruppe. Zwar handelt es sich lediglich um ein Indiz, da nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden kann, dass die Handlungskompetenz der Be¬fragten im Vorfeld des Antritts der Ersatzfreiheitstrafe tatsächlich gravierend einge¬schränkt gewesen ist, doch lässt sich durchaus ein enger Zusammenhang mit der Tatsache vermuten, dass 85% der Probanden trotz subjektiver Bemühungen nach eigenen Angaben nicht in der Lage gewesen sind, Probleme bei der Interpretation und Einhaltung von Behördenrichtlinien zu lösen bzw. ihren Alltag als zu desorganisiert befanden, um die Umwandlung ihrer Geldstrafe in eine Haftstrafe durch gemeinnützige Arbeit oder Zahlungserleichterungen zu vermeiden. Vor dem Hintergrund, dass Ersatzfreiheitsstrafer unter ökonomischen Aspekten eine erhebliche Belastung des deutschen Strafvollzugssystems darstellen und durch die eingriffintensive Inhaftierung potentiell erhebliche Folgeschäden davontragen können, obwohl sie eigentlich für eine mildere Sanktionsform verurteilt worden waren, die sie subjektiv nicht begleichen konnten, lohnte sich ein abschließender Blick auf Möglichkeiten, diese Situation zu verbessern. Hierbei wurden kriminalpolitische, anstaltsinterne und sozialmedizinisch-psychosoziale Lösungen aufgezeigt, um den Betroffenen im Fall von nicht einzubringenden Geldstrafen Hilfestellungen bei der Alltagsbewältigung und Inhaftierungsvermeidung zu ermöglichen, sowie gleichzeitig den Strafvollzug durch eine Minimierung der Haftzeit oder sogar völligen Vermeidung der Inhaftierung von Ersatzfreiheitsstrafern zu entlasten.
First and foremost this dissertation tests the assumption, that the lifetime prevalence of mental disorders in the population of so called "Ersatzfreiheitsstrafer" in the Berlin prison "JVA Plötzensee" has stayed equally high or even risen since its original exploration five years ago. This goal is achieved by using a replication study. (If an offender is sentenced to a fine, but is not able to make the payment, then the German state can administer a custodial sentence as a replacement - this is called an "Ersatzfreiheitsstrafe"). Actually the diagnostic findings concerning the prevalence of mental disorders of the incarcerated interviewees show a decline of organic disorders (-6%), somatoform disorders (-19%) and the role of alcohol due to the use of psychoactive substances (-22%). But at the same time metal disorders due to the use of psychoactive substances like opioids, cannabinoid, sedatives, cocaine, amphetamines and hallucinogens took a steep rise (+23%). Furthermore anxiety disorders (+6%), obsessive-compulsive disorders (+12%) and post-traumatic stress disorders (+10%) had risen remarkably. Especially in the cases of mental disorders due to psychoactive substances, mood disorders, obsessive-compulsive disorders and post-traumatic stress disorders the results were significantly higher than reference values in the overall population. Considering the degree of mental disorganization the following disorders can be seen as being accompanied by a very high degree of disorganisation or psychotic experiences within the group of diagnosed prisoners: mental disorders due to brain damage and dysfunction and to physical disease (F 06), paranoid schizophrenia (F 20.x), manic and bipolar affective disorders (F 30.x und F 31.x) as well as severe depressive episode with psychotic symptoms (F 32.3) and recurrent depressive disorders (F 33.x). 32 of 100 interviewees belonged to the group which was affected by one of these disorders. If depressive episodes (F 32.x) are also taken into account as well as post-traumatic stress disorders (F 43.1) and the dependence on psychoactive substances (with exception of tobacco), than even 78 of 100 interviewees are to be seen as suffering from a high degree of mental disorganization. It must be noted, that this high degree of metal disorganization will not be causally responsible for the incarceration of the prison inmates in all cases. Nevertheless a close connection of this disorganization can be assumed with the result that 85% of the interviewees were not able to solve problems with administrative rules of authorities despite of their efforts (according to their own words). Finding such an easy to acquire solution would have spared them from getting incarcerated. "Ersatzfreiheitsstrafer" place a lot of economic strain on the German prison system. Furthermore the consequential damage due to the intense penalty of being imprisoned (while being only confined to a far milder sanction in the first place) leads to the quest for a preventive solution. Several of these solutions are discussed in the conclusion of this dissertation.