Die stetige Zunahme der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas weltweit hat sich zu einem gravierenden Problem unserer Gesellschaft entwickelt. HausärztInnen kommt aufgrund ihrer guten Kenntnis der besonderen Situation von PatientInnen sowie der häufigen Patientenkontakte bei der Prävention und Behandlung der Adipositas eine entscheidende Rolle zu. Ursachen für die langfristig enttäuschenden Behandlungsergebnisse bei der Behandlung von Übergewicht sind auch in der Arzt-Patienten-Interaktion zu suchen, da unterschiedliche Sichtweise von ÄrztInnen und PatientInnen zum Krankheitskonzept Übergewicht nachgewiesen wurden. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Sichtweisen sowohl der PatientInnen als auch der ÄrztInnen in Bezug auf die Ursachen, die Risikowahrnehmung und den Umgang mit Übergewicht durch ein qualitatives Studiendesign weiter zu vertiefen. Dazu wurden Beratungsgespräche der Gesundheitsuntersuchung (Check up 35) zwischen HausärztInnen und übergewichtigen PatientInnen (BMI ≥ 25kg/m²) in Berlin und Brandenburg auf Tonband aufgezeichnet und transkribiert. Es nahmen acht Ärztinnen und vier Ärzte an der Studie teil. 52 dieser Gespräche wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet und durch das Datenanalyseprogramm „atlas.ti“ veranschaulicht. In Hinblick auf die Ursachenattribution konnten sowohl bei den ÄrztInnen als auch bei den PatientInnen verhaltensabhängige von nicht-verhaltensabhängigen Ursachen unterschieden werden. Sowohl ÄrztInnen als auch PatientInnen thematisierten u.a. intensiv verschiedene Aspekte zur Ernährung. Es konnte festgestellt werden, dass ÄrztInnen den Risikofaktor Übergewicht sehr unterschiedlich darlegten. PatientInnen benannten unterschiedliche Gefühlszustände, Folgeerkrankungen und Risikowahrnehmungen im Zusammenhang mit dem Übergewicht. Nicht alle ÄrztInnen sahen eine Gewichtsabnahme indiziert, selbst bei PatientInnen mit einem BMI ≥ 30 kg/m². Weiterhin zeigte sich, dass die von PatientInnen selbst eingebrachten Behandlungsvorschläge weitaus intensiver und umfassender waren, wenn diese spontan Lösungsansätze äußern konnten und nicht nur auf ärztliche Ratschläge reagierten. Die Analyse der Gespräche zeigte auch einen geschlechtsspezifischen Umgang mit der Thematik Übergewicht auf. Insgesamt konnten vielschichtige Aspekte zu den Beratungsinhalten der Check up-Untersuchung mit übergewichtigen PatientInnen dargestellt werden. Es zeigte sich, dass PatientInnen ein großes Potential von Lösungsansätzen mit in das Gespräch hineinbringen, das von ÄrztInnen für eine individuelle Adipositasberatung genutzt werden kann. Besonders auf ärztlicher Seite konnten Unstimmigkeiten über die Risikowahrnehmung der Adipositas erkannt werden. Die Therapieansätze der ÄrztInnen stellten sich außerdem teilweise als lückenhaft dar. Es ist zu vermuten, dass sich die Behandlungserfolge der Adipositas durch eine Optimierung dieser Aspekte verbessern lassen.
The increasing prevalence of obesity is a major public health concern, since obesity is associated with several chronic diseases. General practitioners (GP) are uniquely placed to provide effective advice about weight management due to their knowledge of the patient’s social context and the frequent contacts. Reasons for the poor success in treating obesity can also be seen in the physician-patient-interaction, because different views of perceptions of the disease have been identified. The aim of this study was to explore the patients’ and the physicians’ beliefs and perceptions regarding causes, risks and treatment of obesity using a qualitative design. From April to September 2007, family physician encounters with obese patients (BMI ≥ 25kg/m²) were audiotaped. Four female physicians and eight male physicians participated in this study. After transcribing, a content analysis of 52 dialogues was performed using the method developed by Mayring. Patients and GPs attributed their overweight to both behavioural and non-behavioural-related causes. Especially different aspects of nutrition could be identified. GPs had different opinions about the health risks of obesity. The patients associated variable types of moods, diseases and risks with their overweight. Physicians had unequal opinions about addressing weight management issues, even in very obese patients. Some obese patients did not receive any advice. The aspects given by patients were remarkably more intense and widespread, if the patients had the chance to make own suggestions spontaneously. Furthermore, a gender- specific way of dealing with the topic overweight was elaborated. Summarised, a variety of aspects in the context of counselling overweight patients could be identified. The broad range of solutions provided by patients can be a chance for physicians to get valuable access to the patients’ perspectives and to give individual advice. Particularly the GPs showed contrary opinions of viewing obesity as health risk. The therapeutic approach revealed gaps in the GP’s knowledge of treating obesity. It can be assumed that the success of treating obesity can be improved if these aspects can be optimised.