Rotaviren sind weltweit verbreitet und verursachen beim Menschen sowie bei zahlreichen Säugern und Vögeln Magen-Darm-Erkrankungen. Die unbehüllten Viren weisen ein doppelsträngiges RNA-Genom auf, welches aus elf unterschiedlichen Genomsegmenten besteht. Aktuell werden Rotaviren in die acht Gruppen A bis H eingeteilt. Für humane Rotavirus-Infektionen sind die Rotaviren der Gruppen A, B, C und H verantwortlich. Darüber hinaus können Rotaviren der Gruppen A, B und C auch bei zahlreichen Tierarten detektiert werden. Eine zoonotische Übertragbarkeit von Rotaviren zwischen Säugetieren und Menschen wird angenommen. Dem gegenüber wurden die Gruppe D-, F- und G-Rotaviren bisher ausschließlich bei Vögeln nachgewiesen. Im Gegensatz zu den Rotaviren der Säuger sind die aviären Rotaviren bislang nur sehr wenig erforscht und sensitive Nachweismethoden fehlen hierbei für den Nachweis der meisten dieser Viren. Aufgrund dessen kann das zoonotische Potential aviärer Rotaviren derzeit nicht genau eingeschätzt werden. Einen Schwerpunkt dieser Arbeit stellte daher die erstmalige Charakterisierung der aviären Rotaviren der Gruppen D, F und G auf Genomebene dar, um diese mit den bekannten Rotaviren vergleichen und phylogenetisch einordnen zu können. Die generierten Genomsequenzen sollten einen Ausgangspunkt für die Entwicklung von spezifischen Nachweismethoden darstellen und erste Untersuchungen zur Verbreitung der verschiedenen Rotaviren im Geflügel ermöglichen. Weiterführend sollte das zoonotische Potenzial der aviären Gruppe A-Rotaviren in Zellkulturuntersuchungen und Analysen von Feldstämmen genauer untersucht werden. Darüber hinaus war die Entwicklung eines reversen genetischen Systems für ein aviäres Rotavirus von besonderem Interesse. Mit einem solchen System könnte man die Eigenschaften dieser Viren deutlich genauer als bisher untersuchen. Im Ergebnis war es möglich, die kompletten Genomsequenzen von drei Hühner-Rotavirus-Stämmen der Gruppen D, F und G mittels des full-length- amplification of cDNA (FLAC)-Verfahrens und mithilfe von degenerierten Primern erstmals vollständig zu sequenzieren. Durch die Sequenz-Analysen konnte die derzeit existierende Aufteilung der Rotaviren in die einzelnen Gruppen bestätigt und eine sehr starke Diversität der aviären Rotaviren aufgedeckt werden. Die phylogenetische Analyse erlaubte außerdem eine Rekonstruktion der Entwicklungsgeschichte der Rotaviren, die in mehreren Schritten zunächst eine Aufspaltung in zwei große Cluster, gebildet von den Gruppen A, C, D und F einerseits und den Gruppen B, G und H andererseits, aufzeigt. Danach bildeten sich die Rotavirus-Gruppen heraus, die sich im Verlauf der Evolution immer mehr an ihre Wirtsspezies angepasst haben. Während früher angenommen wurde, dass die terminalen Sequenzen an den Enden der Genomsegmente bei jeder Rotavirus-Gruppe unterschiedlich sind, konnten unsere Untersuchungen zeigen, dass die Gruppe A-, D- und F-Rotaviren sowie die Gruppe B-, G- und H-Rotaviren jeweils sehr ähnliche terminale Sequenzen besitzen. Nur Viren mit identischen terminalen Sequenzen können untereinander Genomsegmente austauschen. Hinweise auf einen solchen Austausch zwischen zwei verschiedenen Gruppen wurden hier erstmals in den Genomen von aviären Gruppe A- und Gruppe D-Rotaviren gefunden. Auf Basis der gewonnenen Sequenzen konnten in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen erste Untersuchungen zu der Verbreitung aviärer Rotaviren im Geflügel erfolgen. Diese zeigten, dass Gruppe A- und D-Rotaviren in Europa und Bangladesch beim Geflügel sehr weit verbreitet sind, während Gruppe F- und G-Rotaviren nur selten detektiert werden. Zellkultur-Versuche mit Gruppe A-Rotaviren aus dem Huhn und dem Menschen konnten zeigen, dass beide Rotaviren wechselseitig Zellen beider Wirte erfolgreich infizieren können. Die Herstellung einer Rotavirus-Reassortante durch eine Ko-Infektion mit aviären und humanen Rotaviren war jedoch - vermutlich wegen technischer Probleme - nicht erfolgreich. Dem gegenüber konnte die Genom-Charakterisierung eines natürlichen Gruppe A-Isolats aus einem Fasan eine mutmaßliche Reassortante identifizieren. Dieses Rotavirus besaß ein Säuger-Rotavirus-Genomsegment im genetischen Hintergrund eines sonst typischen Vogel-Rotavirus. Zur Erstellung des reversen genetischen Systems wurden alle elf Genomsegmente des Hühner- Rotavirus-Stammes Ch2G3 kloniert und in vitro in RNA transkribiert. Infektiöse Viren konnten bisher aber noch nicht generiert werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die aviären Rotaviren im Geflügel weit verbreitet sind und eine starke Heterogenität aufweisen. Zumindest die Gruppe A-Rotaviren des Geflügels können auch Säuger-Zellen infizieren und scheinen in der Lage zu sein, mit Säuger- Rotaviren genetisches Material auszutauschen. Die Genomanalysen legen weiterhin nahe, dass unter bestimmten Umständen sogar Austausche von genetischem Material zwischen wenig miteinander verwandten Rotaviren aus verschiedenen Rotavirus-Gruppen möglich sind. Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass das zoonotische Potential der aviären Rotaviren nicht unterschätzt werden sollte und zukünftige Impfstoff-Entwicklungen ein breiteres Spektrum von Rotaviren berücksichtigen sollten als bisher angenommen. Die weitere Entwicklung des reversen genetischen Systems sollte zukünftig vorangetrieben werden, um damit sowohl grundlegende als auch Anwendungs- orientierte Fragen zu den Rotaviren des Geflügels gezielter als bisher untersuchen zu können.
Rotaviruses are worldwide distributed and cause gastrointestinal diseases in humans, many mammals and birds. The non-enveloped viruses have a double- stranded RNA genome, which is divided into eleven different genome segments. Currently, rotaviruses are classified into the eight groups A to H. Rotavirus groups A, B, C and H are responsible for human rotavirus infections. Rotaviruses of groups A, B and C can also be detected in many animal species. A zoonotic transmission of rotaviruses between mammals and humans is supposed. Rotaviruses of groups D, F and G have exclusively been detected in birds. Only little is known about these avian rotaviruses and sensitive detection methods are not available for them. Therefore, the zoonotic potential of avian rotaviruses cannot be accurately assessed at the moment. One focus of this study was the characterization of avian rotaviruses of groups D, F and G for the first time at the genomic level, to compare them with the known rotaviruses and to classify them phylogenetically. These genome sequences should be the source for the development of specific detection methods and should allow first studies of distribution of different rotaviruses in poultry. Furthermore, the zoonotic potential of avian group A-rotaviruses should be explored in cell culture studies and by analysis of field rotavirus- strains. In addition, first steps towards the development of a reverse genetics system for an avian rotavirus should be done. With such a system, many characteristics of rotaviruses can be investigated more accurately in future. As a result, the whole genomes of three chicken rotaviruses of Group D, F and G were completely sequenced for the first time by using the full- length amplification of cDNA (FLAC)-method and degenerated primers. By sequence analysis, their current classification into single groups could be confirmed and a very large diversity of avian rotaviruses was found. The phylogenetic analysis allowed a reconstruction of the evolutionary history of rotaviruses, showing first a splitting into two large clusters, with groups A, C, D and F on one branch and the groups B, G and H on another branch. Then, the rotavirus groups developed and adapted in the course of the evolution more and more to their host species. While it was previously believed that the terminal sequences at the ends of the genome segments are different for each rotavirus group, our studies could show that the group A-, D- and F-rotaviruses and also the group B-, G- and H-rotaviruses have very similar terminal sequences compared to each other. Only viruses with identical terminal sequences are able to exchange genome segments. Evidence for such an exchange between two different groups was provided in this study, namely between the genomes of avian group A- and group D- rotaviruses. Based on the determined sequences, first studies of the distribution of avian rotaviruses in poultry were performed in collaboration with other research groups. The studies showed that group A- and D-rotaviruses are widely distributed in poultry in Europe and Bangladesh, while Group F- and G-rotaviruses are detected only rarely. Cell culture experiments with avian and human group A-rotaviruses revealed that these rotaviruses can successfully infect cells of both host species. The isolation of a rotavirus reassortant by co-infection of a cell line with an avian and a human rotavirus was not successful - probably because of technical problems. The genomic characterization of a wild-type group A isolate from a pheasant revealed a putative rotavirus reassortant. This rotavirus had a mammalian rotavirus genome segment in the genetic background of an otherwise typical avian rotavirus. For the development of the reverse genetics system all eleven genome segments of the chicken rotavirus- strain Ch2G3 were cloned and in vitro-transcribed into RNA. However, infectious viruses could not be generated so far. The results show that avian rotaviruses are widely distributed among birds and have a large heterogeneity. At least the avian group A-rotaviruses can infect mammalian cells and seem to be able to exchange genetic material with mammalian rotaviruses. The genome analysis indicates that under certain circumstances even the exchange of genetic material between less related rotaviruses from different rotavirus groups is possible. Altogether, the results suggest that the zoonotic potential of avian rotaviruses should not be underestimated and that future vaccine development should consider a wider range of rotaviruses than to date. Further development of the reverse genetics system could help to investigate basic and applied questions about rotaviruses in poultry in future.